Der 1. April 1980 war ein einschneidendes Datum in der schwedischen Kulturgeschichte. In einem Anfall von nihilistischen Wahnvorstellungen verbat die damalige Regierung den Einfuhr von Tonträgern aller Art nach Schweden. Bis in heutige Tage wurde diese Abschottungspolitik konsequent durchgehalten. Zwei volle Generationen (die dritte wächst gerade nach) mussten sich die ganzen alten Vinylplatten ihrer Eltern -
The Doors,
Black Sabbath oder
Foghat - anhören, wenn ihnen gerade nicht der Sinn nach
ABBA stand. Unglücklicherweise hielt man den Export von Musikwaren weder für gesetz- noch sittenwidrig, was der Welt eine unablässig schwappende Retrowelle bescherte...
Selbstverständlich ist das ein verspäteter Aprilscherz, aber wenn man sich den ganzen Retro-Kram, der speziell aus Schweden unablässig über die Ostsee schwabbert, vor Augen hält, erscheint dieser eher müde Unsinn gar nicht mal so abwegig. Neuester Sprößling dieser 'Mottenkiste' ist die Band
The Tower.
Hier ist alles 'Original-Seventies': Die schluffigen Klamotten der Musiker ebenso wie ihre Filzmatten und der rebellische Blick, das LSD-trächtige Cover und natürlich die Doors/Black Sabbath/Foghat- Cuvee, die die Basis ihres Debütalbums, "Hic Abundant Leones" betitelt, bildet. Ziemlich frei aus dem Lateinischen übersetzt, bezeichnen sich die vier nachnamenlosen Herren damit als 'exzessive Löwen' und entsprechende Assoziationen sind nach einer guten dreiviertel Stunde mit neun mächtigen, teilweise richtig schön langen Songs gar nicht mal so abwegig.
Wer auf den psychedelischen, bluesgetränkten Heavy Rock der Spätsechziger und Frühsiebziger, recht hübsch um ein mystisches Textkonzept gehüllt, steht, liegt bei
The Tower goldrichtig. Wenn dann noch ein gewisses Faible für den Proto-Doom dieser Dekade hinzukommt, kann eigentlich nix mehr schiefgehen. Für diese Musikfreunde ist "Hic Abundant Leones" eher ein Griff ins Schatzkästchen als in besagte Mottenkiste.
Mächtig, beinahe kotzig erheben sich die meisten Titel, vor allem das stark von
Sabbath inspirierte episch-hypnotische Zeug wie (die wilde) "Lucy" und der düstere, fast furchterregende "The Tower". Aber auch die an frühen
Purple'schen Werken orientierten Passagen sind beachtenswert. Hier sei vor allem das donnernde "Adrenalawine" erwähnt, das die wortwörtlich bezaubernde Einleitung "Non Omnis Moriar" (wie schön, dass nicht alles sterben wird) ganz exzellent hintertreibt.
Wie schon in der Einleitung langatmig erklärt: Wer auf Retro-Rock authentischster Machtart abfährt, kann mit The Towers "Hic Abundant Leones" wenig bis nichts verkehrt machen.
Wer dagegen der Retrowelle eher kritisch gegenüber steht und auf 'innovativere' Klänge Wert legt, wird bekanntermaßen bei uns regelmäßig auch auf solche interessanten Produkte aufmerksam gemacht.