Unsere Adventsbesprechungen sollen der Vorfreude auf Weihnachten gemäß wahre 'Schätzchen' sein - am besten zu Unrecht vergessene Großtaten. Kein anderes Album in meiner Sammlung ist da stärker prädestiniert als die "Balls Out" der Two Guns.
Diese Platte ist eine wahre Sternstunde des Southern Rock und in einer Zeit erschienen, als das Genre bereits in Agonie verfallen war. Sie stellt alles in den Schatten, was zu dieser Zeit - man schrieb das Jahr 1979 - von der 'ersten Generation' des Southern Rock fabriziert wurde, seien es die
ABB, die
Henry Paul Band oder
.38 Special. Die Tragik des Scheiterns von
Two Guns und ihr Verschwinden im unendlichen Meer des Vergessens lag nicht nur im 'Todeskampf' des Genres, sondern ist vor allem im Konkurs von Capricorn Records zu suchen. Den Zusammenbruch dieses Glücksfalles für den Southern Rock haben auch so einige andere Bands nicht verkraften können - man denke nur an
Stillwater.
Das eröffnende "Hard Times" klingt nicht nur wegen der 'flirrenden' Hammond nach einer jammigen Nummer der
Charlie Daniels Band. Herausragend ist die Arbeit der beiden Gitarristen, die über einen sehr 'flockigen' Klangteppich zu schweben scheinen. Im Refrain klingen sehr deutlich
Point Blank an, die seinerzeit ihre Heydays hatten. Das ist eine Nummer, die ruhig doppelt so lang hätte ausfallen dürfen. Es folgt ein knackiger Southern Boogie, bei dem der Sänger (welcher war's von den beiden?) zu glänzen weiß.
"Slippin' Into The Night" wäre die natürliche Single-Veröffentlichung, zu der es niemals kam, gewesen. Gewaltig aufgefetzt wird der Song durch die Background-Chöre sowie die messerscharfen Bläsereinsätze der
Muscle Shoals Horns. Ein herrliches Honkytonk-Piano
Hornsbys gibt der ganzen Sache noch den letzten Pfiff. Die Double Leads und der Walking Bass sorgen für die Highlights in "Judgement Plea", einem treibenden Blues'n'Boogie. "The Daltons" rockt griffig und flüssig ganz im Country-Style der
Outlaws daher. Hier 'perlen' wieder die Double Leads, dass es eine wahre Freude ist.
Es ist eine Schande, dass
Two Guns derart in Vergessenheit geraten sind. Sie hätten fraglos das Potenzial gehabt, das Southern Cross nach
Skynyrds tragischem Flugzeugabsturz tapfer aufrecht zu halten. Stattdessen hämmerten die verbliebenen Bands mittels belangloser LPs einen Sargnagel nach dem anderen in die letzte Ruhestätte des Southern Rocks. Dass dieser im neuen Jahrhundert auferstehen sollte (und garantiert nicht als Zombie), daran war Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger noch nicht mal ansatzweise zu denken.
Ein ebenso simpler wie fröhlicher Abrocker wärmt mit "Seems Like Thunder" die Herzen der Hörer. Erneut setzen die Chöre und das lässig klimpernde Piano die Glanzlichter. "Look In Your Eyes" erinnert anfangs (zu Beginn der Strophe) etwas an Skynyrds "Every Mothers Son", um sich dann in einen groovenden, nach den allerfeinsten CDB-Momenten klingenden Jam-Rocker zu steigern - allerdings gilt auch hier wieder: doppelt so lang wäre perfekt gewesen! Mit "There's A Battle Goin' On" beschließt eine herrliche Halbballade eine perfekte Platte - die obligatorische Gitarrenschlacht wird allerdings durch einen letzten Refrain beendet.
Leute, Leute: Wenn "Balls Out" nicht im CD-Rack unter der Rubrik 'Southern Rock' steht, tut sich beim Buchstaben 'T' eine scheunentorgroße Lücke auf. Songs wie "Hard Times" und "The Daltons" gehören zum Besten, was jemals in dieser Sparte veröffentlicht wurde.
Im Jahr 2009 wurde die LP erstmals auf CD gepresst. Die 'Crossroads Promotions' haben dankenswerterweise so manche vergessene Southern Rock-Perle ausgegraben. Sie sind via Southern Records zu beziehen.