Als ich zum ersten Mal den Bandnamen TXL registrierte, lag für mich als waschechter Berliner die Vermutung nah, dass die Band aus der Haupstadt im engen Zusammenhang mit dem Berliner Flughafen Tegel stehen müsste. Und genauso ist es, schauen sie nämlich aus den Fenstern ihres Proberaumes direkt auf den selbigen. Schlicht und einfach "Angst" haben sie ihr Debütalbum getauft und ich stelle mir anfangs die Frage: Muss der Konsument wirklich Angst vor den Songs des Trios haben? Ich kann beruhigen, 'Angst' erzeugen höchstens ihre zahlreichen Tattoos, denn ich habe die künstlerischen Tintenstechereien von Gitarrenspezi Ricky und dem Haudrauf-Experten Schulle schon hautnah beäugen dürfen. Da ich die beiden auch schon 'live on stage' erlebt habe, war mir vor dem ersten Check vollkommen klar, dass ich in der folgenden Dreiviertelstunde keine Opernarien, Schlager oder herzzerreißende Balladen zur Verköstigung vorgesetzt bekomme. Stattdessen erwartet mich von Anfang bis Ende reichlich Rockpower, die meine Lauschlappen einer kräftigen Massage unterzieht.
Einziges für mich unbekanntes Gesicht ist Lead Vocalist und Basszupfer Halid. Dass der Deutschtürke seine Texte ausschließlich auf deutsch vorträgt, finde ich schon mal bemerkenswert. Ebenso die Tatsache, dass er seine Kehle wohl kaum mit Apfeltee gurgelt, sondern eher mit Hochprozentigem, denn seine Stimmbänder erzeugen Töne, die durchaus die Grundmauern der Blauen Moschee erschüttern können. Nebenbei sorgt er mit seinem Tieftöner im Verbund mit Schulles Schlagsalven für ein grundsolides Rockfundament, auf dem sich der Sechssaitenflitzer Ricky prima austoben kann.
Ach du Scheiße, gleich zum Anfang gibt's "Rock den Scheiß" auf die Trommelfelle und nicht nur die leicht einprägsame Textpassage »Laut und geil und so, das ist unsere Show« avanciert zu einem Anspieltipp, sondern es sind auch die Instrumentalisten, die aus allen Rohren feuern, was das Zeug hält und sogar mit tollen Pianoklängen aufwarten, dessen Urheber aber im Booklet keine Notiz findet. Nach einer weiteren 'Ohrmuschelmassage' in Form von "Trauerregen" folgt mit "Ich habe Angst" eine weitere Empfehlung für eine Hörprobe. Dabei braucht der Interessierte selbst keine Angst zu haben, eher kann er froh sein, von diesem Teil die verstopfte Aorta problemlos freigepustet zu bekommen.
"Scheiss drauf", das an Rammstein angelehnte "Dank gilt meiner Fernbedienung", "Komm mit mir" und das "Abschiedslied", eine Rockballade der Extraklasse mit chansonartigem Gesang Halids, gelten als weitere musikalische Kracher. In der Tat, Halid, dessen 'Vorfahren' sich fast ausschließlich dem Rap oder orientalischen Klängen widmeten, besitzt für einen türkischstämmigen Künstler extrem viele Hard Rock-Gene. Letztlich bringt er genau die Würze mit, um den beiden 'Ickes' gehörig Feuer unter den Allerwertesten zu blasen. Diese lassen sich nicht lange bitten und vor allem Ricky ist es, der oft zu Soloattacken bläst, die bei mir für reichliche Adrenalinschübe sorgen.
Nach knapp fünfundvierzig Minuten versuche ich etwas Vergleichbares aus meinem Langzeitgedächtnis herauszufiltern - Fehlanzeige! Legt einfach mal die Toten Hosen oder die Ärzte beiseite und gönnt euch TXL. Die Berliner Combo hat auf Anhieb mit ihrem deutschsprachigen Textgut und eigenwilligen Stil dermaßen abgerockt, wie es so für die Deutsch Rock-Sparte eher unüblich ist. Dabei feuern sie aus allen Rohren, lassen sich von niemandem aufhalten, stampfen mit unaufhaltsamen 'Stechschritten' gnadenlos nach vorn und haben bei mir bleibende, positive Schäden hinterlassen. Deshalb kann ich für diesen musikalischen Tipp nicht nur eine Kaufempfehlung aussprechen, sondern muss einen Erwerb von "Angst" quasi verordnen!
Line-up:
Halid (Gesang, Bass)
Ricky (Gitarre)
Schulle (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Rock den Scheiß (5:27)
02:Trauerregen (4:33)
03:Ich habe Angst (4:04)
04:Ich bin so Low (2:18)
05:Scheiss drauf (3:22)
06:Dank gilt meiner Fernbedienung (3:10)
07:Denn der Herr gab uns den Segen (3:48)
08:Komm mit mir (3:24)
09:Frei (4:39)
10:Abschiedslied (5:30)
11:Dank gilt meiner Fernbedienung [alternative Version] (3:37)
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Externe Links:
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