Ad Vanderveen / The Moment That Matters
The Moment That Matters
Was ist ein Epigone? Ein x-beliebiges Lexikon sagt dazu "Nachkomme", allerdings im negativ besetzten Sinne von "unschöpferischer Nachahmer". Harte, böse Worte. Manchmal treffen sie zu, manchmal ist es (zu) ungerecht. Wie ist es im Falle von Ad Vanderveen mit seiner neuen CD "The Moment That Matters"?
Der Holländer mit kanadischem Familienbezug legt mit dieser Platte sein 8. Album vor und sein Thema ist an einen anderen Kanadier schon mehr als nur angelehnt: Kein geringerer als Neil Young stand hier Pate, dieser musikalische Übergott, der auf mehr als ganze Heere anderer Künstler einen nicht loslassenden Einfluss auf zeitgenössige Musik hatte und hat. Auch die NY-Hasser werden dies ohne Umschweife zugeben (müssen).
Schon bei den ersten Takten dieser Platte ("Lottery Of Love") gibt Vanderveen einen akustischen Neil Young - bis hin zur stimmlichen Intonierung, dass man verwundert die Lauscher aufsperrt. Na ja, wieder mal einer, ders versucht, wie so Viele.
Beim 2. Song ("Everything Is Free") geht's genauso weiter, diesmal aber elektrisch, allerdings in leicht gezähmter Weise. Der Reiter des holländischen Crazy Horse strafft die Zügel, sozusagen. Aber durchaus eingängig und begeisternd.
Akustische und elektrische Stücke geben sich die Klinke in die Hand, die Mischung und Sequenzierung der Tracks kann man sicher als gelungen bezeichnen. Es fällt aber auch auf, dass Vanderveen nicht die letzte, manchmal selbstzerstörische(?) Konsequenz des good ol' Neil besitzt. Was aber im Umkehrschluss auch bedeutet, dass die Platte zwar wie ein "Middle-of-the-road"-Neil Young klingt, aber das ist dann auch um so gefälliger.
Anders als sein grosses Vorbild erlaubt sich Ad Vanderveen keine durchgeknallten Feedback-Orgien, sondern einwandfreie, anmachende Gitarrensounds mit seiner Band, die wirklich "tight" auf den Punkt spielt. Auch die sparsam instrumentierten akustischen Songs haben echte Klasse. Übertreibungen sind seine Sache nicht und das ist auch gut so. Wie oft hat mich Neil erschreckt, verwirrt oder auch (manchmal) einfach nur gelangweilt? Das passiert mit Ad Vanderveen's CD nicht.
Ist es fair, eine so extreme Parallele zwischen den beiden Künstlern zu ziehen? Ich glaube schon, weil es sich geradezu aufdrängt. Ein vollkommen eigenständiges Werk des Holländers ist es aber so oder so, 12 Songs (darunter zwei Cover-Tracks) auf sehr hohem Niveau, nur halt sehr unter dem Einfluss des grossen Kanadiers stehend. Man höre nur mal "Take It On Faith" - NY pur ("Live Is A Rose") mit einleitenden Gitarrenlicks aus der CSN&Y-Ära oder auch das über 12-minütige "Light Of Day" mit seinem "Cortez The Killer"-Touch, trotzdem oder gerade deswegen ist diese CD einfach schön anzuhören.
Seine Mitsteiter reichen von Iain Matthews bis zu - man traut es sich kaum zu sagen - Neil Youngs Schwester Astrid. Und alle Beteiligten können stolz auf das Erreichte sein: Eine hervorragende Produktion mit schön durchgezeichnetem Klangbild rundet das durchweg positive Bild ab. Irgendwie die beste NY-Platte seit 20 Jahren. Wer kann das schon von sich behaupten?
Man sieht bzw. hört, dass ein Werk, das man leichtfertig als epigonal bezeichnen könnte trotz allem nicht was Schlechtes oder Einfallsloses sein muss. In diesem Falle ist es wirklich begrüssenswert. Alle Neil Young Freunde müssen diese Platte einfach haben! Näher dran war noch niemand!
Spielzeit: 62:63, Medium: CD, Blue Rose Records, 2003
1:Lottery Of Love 2:Everything Is Free 3:Another World 4:Cry 5:If My Eyes Were Blind 6:Follow 7:Old Friend Loneliness 8:Take It On Faith 9:The Moment That Matters 10:Another Brother Gone 11:Rock & Roll Ain't Dead 12:Light Of Day
Manni Hüther, 14.03.2003