Der Mann mit der Harfe ist wieder da. In den späten Siebziger Jahren kreierte er mit seinem elektrifizierten Instrument einen ganz eigenen Sound. Anders als beispielsweise Alan Stivell, der seine keltische Harfe in dieser Zeit im Folkkontext einsetzte, schuf der Schweizer ein frühes Crossover, das die Worldmusik ankündigte und auch spätere Aufnahmen, für die die Schublade 'New Age' erfunden wurde.
Als erstes international veröffentlichtes Solo-Werk erschien 1981 "Behind The Gardens", das als reines Instrumentalalbum für Furore sorgte. Der Typ mit den dicken Wuschelhaaren und den schelmisch blitzenden Augen wirkte absolut sympathisch, seine neue Musik war der reine Wohlklang und so stand ihm der Weg in die großen TV-Unterhaltungsshows offen.
Mit dem schon ungewöhnlichen Harfenklang kombinierte er viele andere Instrumente und setzte auch synthetische Klänge, Sounds aus der Natur oder später klassische Orchestrierung ein. In seinen Kompositionen finden sich viele folkloristische Elemente der unterschiedlichsten Kulturen.
Dem Bestseller folgten in schöner Regelmäßigkeit weitere Alben, die sich zunächst ebenfalls gut verkauften und sogar in die TOP 100 der amerikanischen Charts vordrangen. Live war er rund um den Globus gefragt, füllte die größten Hallen und gab immer wieder Konzerte an ungewöhnlichen Schauplätzen. Er bekam reihenweise Auszeichnungen, darunter 1987 auch den 'Grammy'. Allerdings ließ das Medieninteresse zuletzt deutlich nach. Nach 25 Jahren und vier Jahren ohne echte neue Veröffentlichung kam die Trennung von 'Sony Music', Vollenweider suchte sich neue Partner. 2004 stellte er sich auf dem von 'Universal' vertriebenen Album "Vox" erstmals auch als Sänger vor.
In Deutschland ist er nun bei 'Edel Records' gelandet, die seinen kompletten Katalog jetzt neu auflegen. Dazu erschien eine üppig ausgestattete Zusammenstellung "The Storyteller", die neben einer CD mit 18 Stücken auch eine DVD mit zehn Tracks enthält.
Mein heimisches Equipment ist leider nicht auf dem neuesten Stand, sodass ich nicht in der Lage bin, die letzten Klangfeinheiten des 24 Bit Hi-Definition-Remastering auszuloten. Vollenweiders LPs waren schon soundtechnisch erste Sahne und so überrascht es nicht, dass auch der kleine Silberling selbst auf meiner Durchschnittsanlage im Arbeitszimmer superb tönt. Die Audio-Scheibe enthält Aufnahmen von 1979 bis 2005, darunter auch das bisher unveröffentlichte Stück "Jakobīs Dream".
Nun, ich kannte nur seine ersten Alben, die sich für mich nicht groß unterschieden. Von daher war ich schon gespannt, wie sich Vollenweiders Musik weiterentwickelt hat. Die Reihenfolge auf der Werkschau ist nicht chronologisch, der Künstler selbst hat sie stimmungsmäßig arrangiert. Die Stücke gehen nahtlos ineinander über und hören sich für mich wie ein großer Soundtrack an; angenehme Untermalung oder gefällige Begleitmusik.
Die Gastauftritte von Bobby McFerrin oder Milton Nascimento steigern die Wohlfühl-Qualität, mehr aber auch nicht. Hübsch, aber irgendwie inhaltslos. Welche Geschichten der Züricher da erzählen will, bleibt mir verborgen. Sein Harfenspiel ist exzellent, aber als das stilbildende Element auf Dauer etwas einseitig. Dazu gerät das Ganze mit Panflöten und Glockenspiel doch oft zu süßlich, nichts stört die Zuckerbäcker-Harmonie.
Zum Zuhören sind mir Vollenweiders Stücke im ersten Teil der CD zu beliebig. Interessanter wird es nach hinten, da donnern Pauken durch die Szenerie, auch eine Oldfield-sche Gitarre sorgt schon mal für frische Farben. Ab dem elegischen "Jakobīs Dream" macht die Scheibe dann langsam Spaß, das nachfolgende "Hirzel" gibt sich locker südamerikanisch und mündet in das für mich beste (aber völlig untypische) Stück "Little Snap, Blues With Ray", wobei besagter Ray Anderson eine absolut schräge Posaune bläst, die mich an New Orleans erinnert.
Weiter geht die Reise mit "Angoh" aus dem zweiten Album "Caverna Magica" in die Südsee, bei dem die Steeldrums scheppern. Nach einem ruhigeren Stück mit den bekannten Harmonien zaubert der Virtuose mit "Three Silver Ladies Dance - La Lune et l`Efant" dann ein großes Finale, bei dem es viel zu entdecken gibt.
Die CD ist eine gute Werkschau und als Einstieg in sein Schaffen zu empfehlen. Vor allem für pop-orientierte Musikfreunde, die es ruhig und entspannt á la Enja mögen und von sonstigem New Age-Gedudel keine Pickel kriegen. Auch Anhänger audiophilen Präzisionssounds wird die Scheibe wohlige Schauer bescheren. Andreas Vollenweider macht zweifelsohne 'schöne Musik'.
Rock- Folk- und Worldmusikfans sollten allerdings die Ohren davon lassen, für sie ist in "The Storyteller" garantiert zuviel Weichspüler drin. Denen würde ich dann doch lieber zu den neueren Scheiben von Alan Stivell oder dem hervorragenden Live-Doppelalbum von Loreena McKennitt raten, wenn's schon Harfe sein soll.
Wenn ich mir die Bonus-DVD ansehe, wird mir schon eher klar, woher die Begeisterung und Anerkennung für diese Musik kommt. Die Bildscheibe nimmt den Betrachter mit auf eine Reise zu malerischen Konzertorten von 1981 bis 2005, wo Vollenweider im Lauf seiner Karriere mit seinen unterschiedlichen Projektformationen aufgetreten ist. Pure Ästhetik natürlich auch bei den Bildern, die Aufnahmequalität wieder erstklassig. Auf der Bühne wirkt die Musik nun wesentlich spannender, im Zusammenspiel werden Energien frei und das Charisma des Künstlers kommt auch am Bildschirm rüber. Was auf der CD nur als schmückende Versatzstücke daherkommt, hat nun deutliches Profil. Das turnte auch die Fans beim Rockpalast an. Worldmusik im besten Sinn und auch auf dem Jazzfest von Montreux überzeugten Vollenweider & Co.
Als weniger gelungen empfinde ich dagegen sein Spiel mit einem klassischen Orchester. 2005 präsentiert sich der inzwischen pausbäckige und nickelbebrillte Harfenspieler wieder mit einer puristischeren Besetzung. Obwohl auf der DVD nur kurze Ausschnitte von den Konzerten zu sehen sind, überzeugt mich das mehr, als die komplette Stunde auf der CD. Sie machen jedenfalls Lust auf die für das Frühjahr unter dem gleichen Titel angekündigte 'richtige' DVD und die neue Tournee, die im Januar durch Deutschland führt. Was ja wohl die Absicht ist. Allerdings sollten die PR-Leute von 'Edel Records' mal ihre Homepage aktualisieren. Dort ist nämlich zum Veröffentlichungsdatum nichts vom neuen Schützling zu finden, weder im Künstlerverzeichnis noch unter den Ankündigungen. Aber auch Vollenweider selbst scheint nichts von seinem neuen Output zu wissen, null Hinweis auf der Homepage zum "Storyteller"!
Spielzeit: CD - 61:03 Min, DVD - 21:38 Min, Medium: CD/DVD, Content Records, 2005
CD:
1:Hall Of The Stairs/The White Boat 2:Sunday 3:Liīl Limba 4:Whitespread Wings 5:Stella 6:In The Woods Of Kroandal 7:Jugglers In Obsidian 8:Flight Feet & Root Hands 9:Cor Do Amor 10:Micro - Macro 11:The Play Of The Five Balls 12:Dance Of The Masks 13:Jacobīs Dream 14:Hirzel 15:Little Snap - Blues With Ray 16:Angoh! 17:The Secret, The Candle And Love, 18:Three Silver Ladies Dance - La Lune et l`Efant
DVD: (DVD 5, Format 4:3, Ländercode 0)
1:Intro 2:At The Rockpalast Festival Germany 1981 3:Tokyo NHK 1987 4:Locarno Piazza Grande 1989 5:Pearls And Tears 1989 6:Montreux Jazz Festival 1994 7 :Cosmopoly Project Basle Switzerland 2002 8:Cosmopoly Project NYC 2000 9:Andreas Vollenweider And Friends 2005 10:Live At Sunset Zürich 2003
Norbert Neugebauer, 24.11.2005
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