Steve Vai / Where The Wild Things Are
Where The Wild Things Are Spielzeit: 77:56
Medium: CD
Label: Favored Nations/Rough Trade, 2009
Stil: Rock


Review vom 25.10.2009


Jürgen B. Volkmar
Auf die Frage, wer ist der derzeit beste Rock-Gitarrist, kommen grundsätzlich mehrere Antworten. Anders gefragt: Wie soll die Frage beantwortet werden? Anhand der Zahl von verkauften Tonträgern, oder vielleicht durch einen Poll bei Gitarrenlehrern? Oder vielleicht doch von Wissenschaftlern, die den jeweiligen Einfluss auf bestimmte Musikstile oder innovative Leistungen analytisch betrachten? Egal welche Betrachtungsweise - ein Name wird immer ganz vorne stehen: Steve Vai. Selbst anerkannte Gitarrenartisten wie Joe Satriani, Eddie van Halen oder Tony MacAlpine nicken anerkennend, wenn sein Name fällt.
Auch wenn die große Zeit der Saitenmagier vorüber ist - deren Blüte waren zweifelsohne die 80er und die 90er Jahre - stehen sie zwar nicht mehr so im Rampenlicht; aber dies hat ihrer Kunst der Griffbrettartistik keinen Abbruch getan. Einer der erfolgreichsten Instrumentalgitarristen dürfte wohl Steve Vai sein. Mit mittlerweile über 20 Millionen verkauften Tonträgern ist der US-Saitenzauberer unangefochten an der Spitze der Topseller seines Standes angelangt. Während seiner fast zwei Jahre dauernden Tournee zu seinem Album "Sound Theories" wurde dieses Album zusammen mit einer DVD in Minneapolis, Minnesota USA aufgezeichnet.
Steve Vai wäre nicht er selbst, wenn er die auf der CD enthaltenen 14 Stücke nicht zur Selbstdarstellung seiner artistischen Fähigkeiten nutzen würde. Daher sind viele seiner Kompositionen diesem Anspruch unterstellt. Das fügt jedoch seiner Komponierkunst, die er ebenso fähig einsetzt, wie seine Begabung auf dem Griffbrett, keinerlei Abbruch zu. Viele seiner Kritiker unterstellen ihm Seelenlosigkeit in seiner musikalischen Darbietung, und dass der Großteil seiner Konzertbesucher aus Gitarrenlehrern und deren Schüler bestehe... Das letztere kann stimmen, aber nur abgeklärte Routine in Verbindung mit fehlender Emotionalität, das mit Sicherheit nicht.
In der Rockgeschichte jedenfalls ist ihm sein Platz sicher. Doch wenden wir uns der aktuellen Langrille zu. "Paint Me Your Face" und "Now We Run" mit Geigenunterstützung, tendieren teilweise in Richtung Rock, haben aber auch eine Schlagseite zum Fusion-Sound. Wirbelnde Klangkaskaden mit Keyboardeffekten, die anfangs sogar noch mit Gesang unterlegt sind, werden dann von der dominanten E-Gitarre mit faszinierenden Läufen links und rechts überholt. Die Gitarren spannen einen weitläufigen Bogen um ein variierendes Grundthema, das trotz aller Spielraffinesse leichtfüßig daherkommt. Rasante Licks werden bei "Tender Surrender" auch teilweise in eine bluesige Skulptur umgewandelt, bei der sich dezente Jazz-Fragmente herausschälen.
Einzig verzichtbar ist auf dieser CD der Track "Band Intros" dessen Zielrichtung auf der DVD besser zur Geltung kommt, denn die akustische Präsentation der Mitstreiter ist auf CD doch verloren, da hier der visuelle Hintergrund fehlt. Dies ist aber auch wirklich der einzige Schwachpunkt auf dieser sonst an gitarrentechnischen Glanzpunkten voll gepackten Scheibe. Steve Vai brilliert mit seinen extravaganten Soli in einer eigenen Liga, deren Klasse nur von sehr wenigen Gitarristen erreicht wird. Manche sagen, dass er sogar rückwärts noch schneller spielen kann als die meisten seiner Zunft vorwärts. Ob das stimmt, mag dahingestellt bleiben.
Sogar Funk wird bei "Fire Wall", bei dem in den ersten Minuten sogar Gesang ertönt, in die ausgereiften Arrangements eingebaut. Dass er seinen Mitgitarristen Dave Weiner neben seinen Leistungen nicht verhungern lässt und dessen Fertigkeiten an der Sitar bei "Freak Show Excess" zu überzeugen wissen, spricht letzten Endes für ihn, denn selbstverliebte und introvertierte Spezies dulden normalerweise keine anderen Solodarstellungen neben sich.
Normalerweise ist das Mikro nicht unbedingt sein Metier, aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, und so gewinnt "All About Eve", das anfangs akustisch und dann mit elektrischem Hochdruck abgefahren wird, an Klasse. "Treasure Island" ist dann doch etwas mehr für die Hör-Akustiker, denn ein Stück dieser Art ist nicht unbedingt typisch für den zum Gitarren-Overkill neigenden Instrumentalisten. Der Nachfolger "Angel Food" bewegt sich auf gleichem akustischen Niveau und erinnert den Zuhörer daran, dass er hier eine digitalisierte Audio-Live-Show vor sich hat, deren Reiz sich nicht unbedingt in der eindimensionalen Darstellung einer Audiodarbietung offenbart. Daher ergibt dieser Track nur als Einzelteil einer Gesamtshow seinen Sinn.
Die Rückmeldung als straighter Rocker erfolgt mit "Taurus Bulba", bei dem die Kreativität wahre Klangeskapaden schlägt. Hier kreischt und sägt die Gitarre, dass es eine wahre Freude ist. Ein hochklassiges Solo nach dem anderen. Eben Steve Vai 'at his best'. Auf dieser aktuellen Veröffentlichung des US-Hochleistungsgitarristen werden diejenigen angesprochen, die wirkliche Gitarrenkunst zu schätzen wissen. Die Banal- und Knüppel-Fraktion wird damit nicht bedient, denn hier regiert klassische Rock-Sensibilität mit elitärem Gitarrenvirtuosentum. Und wer meint, dafür emotional geeignet zu sein, der hat die Lizenz zum Kaufen dieser CD hiermit erworben.
9 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Steve Vai (guitar)
Bryan Beller (bass)
Jeremy Colson (drums)
Dave Weiner (guitar, sitar)
Zack Wiesinger (lap steel)
Alex Depue (violin, keyboard)
Ann Marie Calhoun (violin, keyboard)
Tracklist
01:Paint Me Your Face
02:Now We Run
03:Oooo
04:Building The Church
05:Tender Surrender
06:Band Intros
07:Firewall
08:Freak Show Excess
09:Die To Live
10:All About Eve
11:Gary 7
12:Treasure Island
13:Angel Food
14:Taurus Bulba
15:Par Brahm
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