Suzanne Vega / 10.11.2010, Berlin, Passionskirche
Live
Suzanne Vega
Support: Alin Coen
Berlin, Passionskirche
10. November 2010
Stil: Folk Rock
Konzertbericht


Artikel vom 27.11.2010


Hilmar Ransch
»What kind of city is Berlin…male or female?«. Diese Frage Suzanne Vegas an das Publikum ist zumindest im Szene-Stadtteil Kreuzberg, in dem der wunderbare Auftrittsort Passionskirche liegt, politisch nicht ausreichend korrekt. Das dazwischen Liegende hätte hier wohl mit erfragt werden müssen. Bevor wir uns aber der Antwort widmen, sei darauf hingewiesen, dass Vega sehr wohl zu den Amerikanerinnen gehört, die sich durch subtile politische (hier und da) und zwischenmenschliche (sehr oft) Lyrics einer der amerikanischen Korrektheit widerstrebenden Aussage bemüht - sehr sympathisch. "Men In War" aus dem Jahre 1990 steht als Beispiel dafür, wurde diesen Abend aber leider nicht gespielt - dafür als einer der Höhepunkte der Show "The Queen And The Soldier" von ihrem ersten Album (1985).
Alin Coen Der Konzertabend wurde zunächst von der 28-jährigen Stuttgarterin Alin Coen, die als Band eigentlich drei männliche Begleitmusiker hat, solo eröffnet. Im August hat die Band ihre erste CD veröffentlicht und bekam nach Fernsehauftritten auch durchweg gute Kritiken. Das eigene Label namens 'Pflanz einen Baum' ist für Inhalte ihrer Lieder programmatisch. In ihrem Repertoire haben aber auch Inhalte über Verlust und Liebe im menschlichen Leben jenseits der globalen Fragen Platz. Ihre glasklare helle Stimme wurde bei diesem Auftritt durch eine Erkältung ins kratzig-rauchige gedrängt - das klang auch überhaupt nicht schlecht! Trotzdem gute Besserung!
Suzanne Vega Zum letzten Auftritt während ihrer Europa-Tournee kam Suzanne mit ihren gewohnt raschen Schritten auf die Bühne, begrüßte kurz und herzlich und präsentierte ihren eigentlich ersten Hit "Marlene On The Wall", der noch vor "Luka" weltweit Beachtung fand. Letzterer war selbstverständlich auch im Set (weiter hinten) platziert. Verstärkung hatte Vega diesmal in dem irischen Gitarristen Gerry Leonard, der sie seit Jahren fest begleitet - live wie im Studio. Insgesamt erklingen die alten Lieder neu bzw. anders arrangiert, ohne dabei ihren klassischen Reiz einzubüßen. Das hat wohl damit zu tun, dass Suzanne gerade ein eigenes Label gegründet hat und dafür zwei CDs mit alten Songs komplett neu einspielte. Vielleicht keine schlechte Idee, für den Start eines neuen Labels auf alte Hits in neuem Gewand zurückzugreifen - zumal sich die Künstlerin immer weiterentwickelt hat und die neuen Interpretationen dies positiv belegen. Gleichzeitig ist es ein 'aus der Not eine Tugend machen', denn von ihrem bisherigen Label (Universal) dürfte sie wohl kaum die Genehmigung zur Veröffentlichung einer normalen "Best Of" bekommen - that's business. Zwei weitere CDs mit neu aufgelegten alten Songs sollen die Werkschau komplettieren. Danach gibt es hoffentlich wieder richtig Neues von ihr.
Garry Leonard Suzanne trägt ihre Lieder konzentriert mit ernster Miene vor und schenkt dem Publikum ihr Lächeln zwischen den Liedern. Heute, am Ende der Tour, zeigt sie sich auch erzähl-freudig - erläutert ihr Lied "Frank And Ava" - die Geschichte der komplizierten Persönlichkeit Frank Sinatras. Dann, unter dem Eindruck der vielen berühmten Städte, die sie auf ihrer aktuellen Tour hinter sich hat, interessiert sie sich eben für das Geschlecht, Farbe und Kleidung Berlins, falls man sich die Stadt als Person vorstellt. Genau das hat sie mit New York auf ihrem 2008er Album "Beauty & Crime" getan. "New York Is A Woman" beschreibt eine aufregende (weibliche) Stadt, die manchmal auch Geld nimmt für das was sie tut. Beim Song "Gypsy" von ihrem Durchbruch-Album "Solitude Standing" steht sie alleine an der Akustik-Gitarre auf der Bühne und macht das Lied zu einem ergreifenden Moment für das Publikum. Bei einigen Songs legt sie ihre Gitarre auch aus der Hand. Der Akustik-Part kommt dann aus der Konserve und somit ist genug Freiraum für Gerry, sich an der E-Gitarre interpretativ auszutoben. Da werden die Lieder mit teilweise schrägen und härteren Tönen angereichert.
Geschichten…hinter ihrem Lied "Tombstone" vom 1996er Album "Nine Objects Of Desire" vermutet man eine durchaus sehr ernste Ansage für die Zeit 'danach'. Ist es in gewisser Weise auch - zustande kam die Aussage aber, weil ihre Mutter die mit 17 Jahren verstorbene Katze nach dem Ableben frisch abseifte, in ein Kästchen tat, dieses wiederum auf ein kleines Floß stellte, welches auf den Fluss gesetzt und dann, ja dann schlicht abgefackelt wurde. Ein Ritual, welches Suzanne nach dem Ableben (falls sie vor ihrer Mutter stirbt) nicht haben wollte und dies der Mutter mit diesem Lied sagt - "I Like A Tombstone…".
Suzanne Vega Suzanne hat einfach tolle Songs geschrieben, die sie auch stimmlich immer noch sehr schön vorträgt. Sie ist bescheiden und widmet sich (schlagfertig) dem Publikum. So ist dies ein wirklich grandioser Konzertabend mit durchgehend genialen Liedern. Sehr schön, dass bei der reichen Auswahlmöglichkeit an Zugaben nach dem ersten 3er-Block als letzte Dreingabe noch "Penitent" ("Songs In Red And Grey" - 2001) gespielt wurde - aus meiner Sicht eines der besten Vega Lieder überhaupt.
Kurz nach dem Auftritt gesellte sich Suzanne zu ihrer Tochter an den obligatorischen Merch-Stand und signierte CDs, Fotos und was sonst noch gewünscht wurde - der angenehme Ort und die Tatsache, dass die Tour nun zu Ende war, dürfte dies dem erfreuten Publikum beschert haben.
Somit ging wieder einmal ein von Semmel-Konzert professionell und entspannt-sympathisch organisiertes Konzert zu Ende - vielen Dank dafür.
»What kind…«. - die meisten Zuschauer konnten darauf gar nicht so schnell reagieren, so kamen die Antworten auf Suzannes Fragen höchsten von zwei bis drei Leuten. Also: Berlin sei männlich, ist schwarz und trage schwarz/weiß - so die Rufer. Diese Antworten überraschten Vega ganz offensichtlich - sie versprach darüber nachzudenken.
Und ich kann nur hoffen, dass diese Antworten a) alle nur halb-richtig sind und b) Suzanne Vega nicht vom nächsten Besuch in Berlin abhalten werden.
Suzanne Vega Line-up Suzanne Vega:
Suzanne Vega (vocals, guitar)
Garry Leonard (guitar)
Tracklist Suzanne Vega:
01:Marlene On The Wall
02:When Heroes Go Down
03:Caramel
04:Small Blue Thing
05:Frank & Ava
06:New York Is A Woman
07:Gypsy
08:Ironbound / Fancy Poultry
09:Tombstone
10:Blood Makes Noise
11:The Man Who Played God
12:The Queen And The Soldier
13:Rock In This Pocket
14:Some Journey
15:Luka
16:Tom's Diner

Encore:
17:The Instant Of The After Hour
18:Calypso
19:Rosemary
20:Penitent
Externe Links: