Steve Earle, der ja nun wirklich alles
andere als ein Schlechter ist, hat
mal gesagt: "Ich würde mich notfalls in voller Montur, samt meiner
Cowboystiefel, auf Bob Dylan's Küchentisch stellen und herausschreien, dass
Townes Van Zandt der beste Songwriter auf der Welt ist!'
Das sollte jetzt aber keine Aufregung unter Dylan-ologen und -Fans hervorrufen, da his Bobness himself bereits öffentlich
bekannt hat, ein großer Fan von Townes
zu sein. Und er hatte auch allen Grund dazu.
Aber der Reihe nach: Dieser Kinofilm, der in Deutschland am 22.Dezember 2005
startet und danach auch als DVD in den Handel kommen soll, erzählt die
Geschichte eines Mannes, der in ein reiches Elternhaus geboren wurde, diesem
Leben später jedoch völlig entsagt, um sich vollkommen auf sein Leben als
Musiker bzw. Songwriter zu konzentrieren. Er verlebt eine normale Kindheit
und Schulzeit und hat eine Leidenschaft für Sport. Dies ändert sich jedoch
in seiner Teenager-Zeit. Periodisch schließt er sich in seiner Wohnung ein,
öffnet weder die Tür, noch beantwortet er Telefonanrufe. Er hört viel Musik,
vor allem Lightnin' Hopkins, den frühen Bob Dylan und beginnt sich intensiv
auf sein Gitarrenspiel zu konzentrieren. Seine Marsch-Verpflegung in diesen,
von der Welt abgeschirmten, Perioden besteht aus ein bisschen Essen und
jeder Menge Wein.
Sein Hang zum Alkohol zeigt schließlich kuriose Auswirkungen. Als er sich
(immer noch Teenager) während einer Party im vierten Stock eines Gebäudes
fragt, wie es wohl wäre, wenn er runterspringen und aufknallen würde, tut er es einfach - und überlebt.
Seine Eltern sind endgültig alarmiert und suchen ärztlichen Rat, der zu Elektro-Schock
Behandlungen führt, die seine Erinnerungen an suizide Gedanken auslöschen
sollen. Diese umstrittene Art der Medizin hat den Erfolg, dass Townes noch
nicht einmal mehr seine Mutter erkennt, wenn sie zu Besuch in die Psychiatrie
kommt. Er hat für den Rest seines Lebens keinen blassen Schimmer mehr, was
seine gesamte Kindheit betrifft.
Nach seiner Entlassung kommt er mühsam wieder auf die Beine, heiratet und
fängt ernsthaft an, Songs zu schreiben. Sein Frühwerk ist sowohl
außerordentlich depressiv/melancholisch wie auch beeindruckend. Bereits auf
seinen ersten beiden Alben hatte ein 25-Jähriger Songs wie "Waiting Around
To Die", "Kathleen" oder "Tecumseh Valley" verfasst, die weit davon
entfernt, positiv oder lebensfroh zu sein, jedoch mit einem poetischen Genie
gesegnet waren, so dass Townes im Süden der USA in den späten 60'ern/frühen
70'ern zu dem (Underground-) Songwriter aufstieg. Genauso legendär wie seine ersten sechs Alben (bis
einschließlich "The Late Great Townes Van
Zandt" aus dem Jahr 1973) waren, war allerdings auch sein Drogen- und
Alkoholkonsum und die damit verbundenen Exzesse. Aber selbst zu diesem
Zeitpunkt im Film angekommen - nach bereits unzähligen Song-Klassikern - hat
man als Zuschauer irgendwie das Gefühl, erst ganz am Anfang der Geschichte
dieser Ausnahmeerscheinung zu sein.
Dieser Dokumentar-Film von Margaret Brown ist zeitlich mehr oder weniger
chronologisch aufgebaut und in den jeweiligen Szenen entweder mit den
passenden (nicht immer, aber meistens autobiografischen Townes-) Songs
unterlegt, oder es wird mit Hilfe von Archivaufnahmen auf bestimmte
Situationen im Leben dieses Poeten eingegangen und danach der von Townes
darüber verfasste Song gespielt. Klasse gemacht!!!!
Viele Weggefährten und Freunde wie z.B. Guy und Susannah Clark (die den
Anlass zu einem 'kleinen' Gelage zu Townes' Ehren nehmen), Steve Earle,
Willie Nelson, Kris Kristofferson, Joe Ely, seine drei geschiedenen
Ehefrauen, seine Kinder, sowie der Meister selbst kommen zu Wort und
zeichnen, oft sehr emotional, ein Bild des Lebens dieser Ikone nach, der
seinen inneren Dämonen letztendlich nicht gewachsen war und den Kampf im
relativ jungen Alter von 52 Jahren durch einen Herzinfarkt verlor.
Den großen Erfolg hatte Townes nie, oder, um etwas genauer zu sein, die
Verkaufszahlen seiner Platten waren (zumindest) zu seinen Lebzeiten
himmelschreiend mies. Aber er war definitiv ein 'Songwriter's Songwriter'.
Und so hatten andere mit seinen Stücken, wie z.B. Emmylou Harris im Duett mit
Don Williams mit "If I Needed You" oder das Duo Willie Nelson/Merle Haggard mit Pancho & Lefty (mit
Townes als 'Kneipengast' im Video) einen Nr. 1 Hit.
Dieser Film ist für Townes Van Zandt Fans ein absoluter Leckerbissen, da es
viele Live-Mitschnitte und Interview-Fetzen zu bestaunen gibt, die wohl
(zumindest außerhalb der USA) bisher selten oder gar nicht gezeigt wurden.
Aber auch für Nicht-Kenner eine absolute Empfehlung, da die oft tragische
Geschichte seines Lebens sehr informativ und kurzweilig dargestellt wird.
Und nicht zu vergessen, sind da ja noch diese wunderschönen Songs, die
einfach über allem stehen. Simple, im Ohr hängen bleibende Melodien, meist
sparsam arrangiert und die traurigen Texte sind sowohl punktgenau als auch
sehr poetisch. Kaum jemand hat es jemals so gut verstanden, emotional
aussichtslose Situationen und menschliche Abgründe dermaßen genau auf den Punkt
zu bringen. Zwischendrin gab es für diese gemarterte Seele aber hin und
wieder auch mal gute und hoffnungsvolle Zeiten, in denen Texte wie "To live is to fly, all low and high, so
shake the dust off of your wings and the
tears out of your eyes.." (aus "To Live Is To Fly") entstanden.
Verschwiegen wird jedoch auch nicht, dass sich Townes teilweise selbst im
Weg stand. Ohne Zweifel war die Person Van Zandt eine, bei der Genie und
Wahnsinn enge Weggefährten waren. Leider immer noch nur einer Minderheit
der Musikliebhaber bekannt, sollte der Bekanntheitsgrad von Townes mit
diesem Film hoffentlich in die Höhe getrieben werden können. Verdient
hätte er es allemal. Auch schon zu Lebzeiten, aber das sollte wohl nicht so
sein....
Jeder, der Singer/Songwriter, Folk, Blues, oder im Prinzip einfach nur gute
Musik (mit genialen, ehrlichen und tiefsinnigen Texten) mag, sollte sich
diesen Film nicht entgehen lassen. ABSOLUTE EMPFEHLUNG!!!
Hinweis: Originalsprache mit Untertiteln.
Spielzeit: ca. 99 Min, Medium: DVD, RakeFilms, 2005
Kinostart 22.12.2005
Markus Kerren, 19.12.2005
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