The Up Escalator / Trying On The World For Measure
Trying On The World For Measure
Pop ist nicht tot - er rockt nur gewaltig.
So steht es auf der Bandseite der vier Wahlberliner John Tammena (vocals), Ernst Kramer (guitars, synthi), Dick Dynamix (bass) und Dirk Hasskari (drums).
Wenn es doch nur so einfach wäre!
"Trying On The World For Measure" ist gefällige Mucke; denen, die unbedingt eine Schublade brauchen, sollten schauen, dass im Brit-Pop Quartier noch Platz für eine CD ist, denn da gehört sie im Großen und Ganzen auch hin.
Flott startet "Out In The City" und mit "She" schliesst sich ein einfaches Liebeslied an. So geht es weiter und das Ziel ist klar: einfache Worte in Melodien verpackt.
Melodien, die auf der einen Seite beim Hören sofort ahnen lassen was folgen wird. Typisches Pop-Attribut also. Aber das Songwriting (neben einer hervorragenden Produktion) überfordert den Hörer, wenn er Alltagspop an den berühmt-berüchtigten Orten wie Kaufhaus und Arztpraxis erwartet. Pop ja, aber mit Anspruch, sag ich mal.
Pop im 70er Stil bietet "Last Orders". Könnte fast eine Kinks-Nummer gewesen sein. Gelungen die Backings - nur wer singt da? Eine Frau? Da hätte ein anständiges Booklet geholfen, denn das Doppelblatt, welches sich Booklet schimpft, enthält außer einem Bild keinerlei Infos. Schade, denn so ist es nicht mehr als Verpackung.
"Stolen 45s", mit über 6 Minuten Spielzeit überschreitet definitiv die Popgrenze. Klar, zu lange und vom Aufbau her sowieso. Fast monoton die Vocals, definitiv monoton der Bass, der sich unbeirrbar durch die Minuten brabbelt. Dabei beginnt die Nummer mit Piano und Gesang eher balladesk. Gesprächsfetzen, Verkehsrgeräusche und eine Sirene blenden sich ein; der Track driftet fast ins Progressive und spätestens wenn sich die 'Ereignisse überstürzen', die Backings fast Opernausmaße annehmen, sind die Jungs dort wo sie mir persönlich besser gefallen, als bei dem bisher gehörten.
Auch "Tar Pit Day" hebt sich vom allzu poppigen ab. Bass und Gitarre machen stellenweise richtig Spaß. Die Choreografie der Nummer bezeichne ich als gelungen und auch die Sythesizer-Sequenzen kommen gut.
Brit-Pop mit Anspruch attestiere ich The Up Escalator. Ich drück den Jungs die Daumen, denn für's seichte Radioprogramm sind sie nicht glatt genug. Für den Rockfan nicht hart genug, aber wer auf diese Pop-Spielart steht, wird die Scheibe mögen.


Spielzeit: 39:29, Medium: CD, Phonector / Alive, 2005
1:Out In The City 2:She 3:Smashing Bottles On The Wall 4:Last Orders 5:Stolen 45s 6:White Lies 7:Bastard Place 8:Utopia 9:Tar Pit Days 10:Kites
Ulli Heiser, 13.11.2005