Van Der Graaf Generator / A Grounding In Numbers
A Grounding In Numbers Spielzeit: 48:44
Medium: CD
Label: Cherry Red / Esoteric, 2011
Stil: Progressive Rock

Review vom 14.04.2011


Michael Knoppik
Einige Jährchen ist es jetzt her, dass David Jackson überraschenderweise bei Van Der Graaf Generator ausgestiegen ist. Der Ausnahme-Saxofonist prägte den Stil der Band deutlich. Van Der Graaf Generator nutzten das Saxofon nicht nur als Solo-, sondern als vollwertiges Melodieinstrument, welches in der Musik integriert war, aber auch gerne über oder unter Melodien spielte, Melodien komplett umspielte oder einfach nur für verstörende Klänge sorgte. Das erste Album ohne Jackson (mal mit Ausnahme des Debüts und "The Quiet Zone - The Pleasure Dome") mit dem Namen "Trisector" war nicht nur deswegen unbeliebt, weil das Sax fehlte, sondern auch, weil es eher ruhig und 'lahm' war. Wobei der ungewöhnlich rockige, instrumentale Introtrack und das Quasi-Deep Purple -Plagiat "Drop Dead" schon ordentlich anheizten. Trotzdem, irgendwas fehlte, auch wenn das Sax irgendwie durch Hammills E-Gitarre und Bantons Orgel einigermaßen ersetzt werden konnte. Die Fans vermissen Jackson dennoch noch heute. Auch auf diesem Album?
Während der Vorgänger rockig begann, muss man hier sogar sagen, dass es hier wirklich extrem ruhig und langsam losgeht. Dafür ist "Your Time Starts Now" eine Van Der Graaf Generator-Ballade in allerbester Tradition. Hammill beweist, dass er nicht nur verzweifelt oder aggressiv klingen, sondern auch wunderschöne, positive Balladen singen kann. Alles von schönen Orgelklängen untermalt. Ein sehr angenehmer Auftakt, der ohne jegliche Schrägheit auskommt.
Auch "Mathematics" beginnt ruhig. Hier ist jedoch das Piano vorherrschend, wenn auch Bantons Orgel natürlich nicht fehlen kann. Zudem ist ohnehin Hammill meistens für das Klavier verantwortlich und er muss ja schließlich auch etwas tun. Aber er ist u.a. mit Glockenspiel zusätzlich schon genug beschäftigt. Der Gesangsstil erinnert hier übrigens an "Every Bloody Emperor" vom Vor-Vorgängeralbum. Richtig hektisch wird die Nummer aber auch nicht.
"Highly Strung" ist dann eher der Rocker. Mit Gitarrenriffing beginnend, um dann jedoch für einige Zeit schnell in proggige Polyrhythmen zu münden. Zwischendurch gibt es dann doch zweimal so was wie einen straight rockigen Refrain, jedoch immer wieder von den Polyrhythmen unterbrochen. Das kurze Orgelsolo ist auch etwas unter den ungeraden Takten vergraben. Das typische Van Der Graaf Generator-Chaos herrscht nun also vor.
"Red Baron" ist ein düsteres Klanggemälde, von Schlagzeug und Unheimlichem geprägt. Ein Instrumentalstück, und in seiner Art ziemlich ungewöhnlich für Van Der Graaf Generator. Fällt fast schon in die Kategorie Drone oder Ambient. Was bereits beim Anblick der CD auffällt ist, dass die Songs sehr, sehr kurz geraten sind. Es sind einige Zweiminüter vertreten, doch nur ein 'langes' Stück, das gerade mal sechs Minuten geht.
"Bunsho" ist E-Gitarren-lastig. Und hat wieder einen VDGG-typischen Aufbau. Unterschiedliche Tempi und unterschiedliche Akzentuierung, vor allem in den Vokal-Linien. Die Musik dazu ist relativ stetig.
"Snake Oil", nicht der erste Titel mit mehrstimmigem Gesang. Aber es singt laut Booklet immer nur Hammill. Mehrere Hammill-Spuren übereinandergelegt also. Es dominieren wieder Piano und Orgel. Auch hier wieder schwer nachvollziehbarer Aufbau, der sich nach mehrmaligem Hören nach und nach offenbart.
Im nächsten Instrumental, "Splink", sind wieder ruhige Töne angesagt. Sanfte E-Gitarre, aber dennoch etwas ausgeflipptes Schlagzeug. Guy Evans' Spiel ist halt auch einzigartig. Nicht so überragend wie ein Bill Brufford, aber doch außerhalb gängiger Konventionen. Es treten nach und nach diverse Klänge von Tasteninstrumenten hinzu, die es schaffen, die Harmonie mal wieder zu zerstören.
Bei "Embarrassing Kid" holt der gute Peter wieder die Klampfe raus. Irgendwie schaffen VDGG es immer, aus einem rockigem Fundament Chaos herauszuholen. Auf Dauer kann das richtig nerven, vor allem wenn man sich freut, dass es endlich mal losrockt. Etwas mehr 'Straightness' wäre an manchen Stellen angebracht. Zumindest als Orientierungspunkt. Das Stück geht wie oft auf diesem Album fließend in "Medusa" über, eigentlich hätte man aus beiden Stücken einen Song machen können.
"Mr. Sands" wird von wiederkehrenden, kurzen Orgel- und Pianomotiven voran gebracht - typisch für den Prog. Natürlich treten Variationen dieser Motive auf, die jedoch einen klaren Wiedererkennungswert aufweisen. Trotzdem ist auch hier das Hören recht anstrengend. Aber waren VDGG je leicht nachzuvollziehen? Schön der prägnante Bass, ein Feature, welches bei der Band eher selten auftaucht. Doch hier greift Banton mal zum Viersaiter, oder vielleicht auch zum Zehnsaiter.
"Smoke" enthält eine coole Stakkato-Orgel, über der aber wieder, Bass, Schlagzeug, Banton mal an der Gitarre und einige Spuren an Gesang gelegt werden, sodass es wieder konfus wird. Trotzdem herrscht mehr Linearität und somit mehr Nachvollziehbarkeit vor. Schon wieder plötzlich ist der Übergang zu "5533". Da wird es fast schon jazzig, aber auch funkig. Hier spielt gar Guy Evans die E-Klampfe. "All Over The Place" gewinnt erneut seinen Wiedererkennungswert durch hektische Keyboardmotive. Das Tempo wird aber auch mal heruntergeschraubt, es scheint zwischendurch balladesk zu werden, doch Hammill sorgt wieder für einen verstörenden Eindruck.
Irgendwann ist es dann vorbei, und der Hörer erwischt sich selber mit einem verwundertem Gesichtsausdruck und wartet gespannt auf den nächsten Moment, an dem er die Platte wieder auflegt - in der Hoffnung, dann langsam aber sicher den Durchblick zu ergattern. Einige Stücke mit einfacherer Struktur und viele komplexere Stücke, wobei die Songs im Komplexitätsgrad teilweise immer noch stark abweichen. Van Der Graaf Generator langweilen nicht, strengen dafür aber auch weiterhin gerne an. Sie zählen immer noch zu den anspruchsvollsten Rockbands der Welt.
An die großen Klassiker der Band, wie "Godbluff" oder "Still Life" kann die Platte nicht rankommen. Das ist eh für jedes Album schwer und eigentlich ist es unangebracht die neue Scheibe an solchen Klassikern zu messen. Doch die Einordnung in einen Bewertungsbereich kann nur durch Vergleiche erfolgen. Somit erhält die Scheibe 6,5 von 10 RockTimes-Uhren. Kombinierte man jedoch die besten Stücke der letzten drei Alben, inklusive dem hier, hätte man wieder eine Art Meisterwerk.
Line-up:
Hugh Banton (organs, bass guitar, harpsichord, piano, glockenspiel, 10 string bass, guitar - #11)
Guy Evans (drums, percussion, guitar - #12)
Peter Hammill (vocals, pianos, guitars, Ashbory bass - #7)
Tracklist
01:Your Time Starts Now (4:13)
02:Mathematics (3:37)
03:Highly Strung (3:37)
04:Red Baron (2:24)
05:Bunsho (5:03)
06:Snake Oil (5:20)
07:Splink (2:37)
08:Embarrasing Kid (3:07)
09:Medusa (2:12)
10:Mr. Sands (5:23)
11:Smoke (2:30)
12:5533 (2:42)
13:All Over The Place (6:01)
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