Van Halen / Live - Tokyo Dome In Concert
Live - Tokyo Dome In Concert Spielzeiten: 62:32 (CD 1), 67:30 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Warner Music, 2015
Stil: Hard Rock

Review vom 15.04.2015


Jochen v. Arnim
Van Halen live auf Scheibe…? Das hat es seit gefühlten einhundert Jahren nicht mehr gegeben. Eigentlich hat uns so etwas ja eh nur einmal erfreuen können. Und dann noch nicht mal mit dem Original-Line-up, sondern 'nur' mit Sammy Hagar als Sänger. Und zugegeben, das war (und ist) eine geile Scheibe. Trotzdem fehlten Van Halen live auf Scheibe mit David Lee Roth am Mikro irgendwie die ganzen Jahre noch. Aber hätte das nicht besser dreißig Jahre früher passieren können?
Wie auch immer, nun liegt sie vor, DIE Live-CD von Van Halen mit dem ursprünglichen Sänger, sogar als Doppel-CD. 'Passgenau' zur Veröffentlichung eines unsäglichen Live-Mitschnitts aus dem amerikanischen Fernsehen, in dem sich Meister Roth ob seiner Performance 'ein wenig' der Lächerlichkeit preisgibt. Nun ja, wer meint, dass dessen Sangeskünste nach seiner eher unrühmlich zu Ende gegangenen Solo-Karriere nun urplötzlich wieder jugendliche Frische gefunden hätten, der wird sicherlich auch an den Mann mit der roten Mütze glauben. Trotzdem verdient es dieses Live-Dokument, nicht einfach so in den Müll geworfen zu werden. Wir wollen doch mal hören, ob das wirklich alles so schlecht ist.
Eines (unnötigerweise, aber dennoch) vorweg: Es ist natürlich nicht das originale Line-up, mit dem es die 44.000 Zuschauer am 21. Juni 2013 im tokioter Dome zu tun gehabt haben. Taucht doch am Bass statt Michael Anthony (Chickenfoot) Wolfgang auf, Sohn, bzw. Neffe der beiden Van Halen-Brüder. Irgendwie schade, dass man sich zerstritten hat, aber dennoch keine musikalische Peinlichkeit familiärer Ursache, macht Wolfgang seinen Job am Bass doch richtig gut.
Und richtig gut fängt die Show (und die Scheibe) auch mit dem fetten Intro zu "Unchained" an. Eddie kann es immer noch, das lässt er den Fan von der ersten Minute an und im Verlauf des Albums immer wieder handfest spüren. Wie vor über dreißig Jahren läuft er über die Saiten, wechselt zwischen sattem Riffing und feinsten Solo-Läufen - nach wie vor ein Ohrenschmaus.
Was weniger begeistert ist der Bass-Sound dieses Live-Mitschnitts. Und ja, ich weiß um die Schwierigkeiten, gute Live-CDs produzieren zu wollen, ohne dass man diese typische Live-Atmosphäre allzu klinisch klingen lässt - authentisch sagt man wohl auch gern dazu. Hier wirkt es ein wenig, nun ja, breiig. Man muss schon ein wenig an den Knöpfen drehen, um einige der zugegebenermaßen tollen Bass-Läufe so richtig genießen zu können.
Die Setliste hingegen ist klasse. VH wussten, wie sie das Publikum in Tokio auf 100 bringen und dort halten konnten. Viele Kracher aus der DLR-Ära kommen zum Zuge, oft braucht es nur ein oder zwei Töne aus Eddies Klampfe und du weißt, was als nächstes angesagt ist. "Runnin' With The Devil", "Everybody Wants Some", "And The Cradle Will Rock", "Hot For Teacher" oder "Romeo Delight" lassen Erinnerungen an bessere Zeiten hochkommen.
Bessere Zeiten haben allerdings auch die Stimmbänder unseres Sängers gesehen, daran bleibt spätestens mit diesem Album kein Zweifel mehr. Manch ein Mal kämpft er am Rande des Erträglichen und er muss sich auf die vokale Unterstützung seiner Kollegen verlassen, die das zweifelsohne besser können ('noch zweifelsohner' kämen die Backings sicherlich mit Anthony). Aber Roth ist nun mal der alte Fronter und natürlich eine Rampensau und man mag sich allzu gern vorstellen, wie er über die Bühne wirbelt. Seine Ansagen, teilweise in fließendem Japanisch, zeugen vom alten Feuer, wenngleich man die anzüglichen Bemerkungen des über 50-jährigen Schwerenöters zu den Stockings eines der japanischen 'babes' nicht ohne ein gewisses Schmunzeln registriert.
Sprach ich weiter oben zwar von einer Playlist der DLR-Ära, so fallen aber dennoch auch ein paar Stücke aus diesem Raster. Da haben wir zum Beispiel mit "You Really Got Me" eine altbekannte Hommage an die guten Kinks, während die Band "(Oh) Pretty Woman" als Huldigung an
Roy Orbison angesetzt hat. In beiden Fällen subjektiv empfunden eher schlecht als recht.
Was bleibt dann zum König des Tapping zu sagen? Eddie merkt man höchstens in Nuancen einen Unterschied zu früher an. Natürlich hat auch er sein Spielen weiterentwickelt und nicht mehr alle Stücke klingen exakt und 1:1 wie Anno 1982. Bei Lichte betrachtet wäre das allerdings auch ein wenig traurig. Und glaubt mir, er schafft es nach wie vor, mit hohem Wiedererkennungswert zu spielen - die Grundstrukturen der Hits stehen eh wie eine Eins und daran wird auch kein Fortschritt der Welt etwas ändern, "Eruption" mit einem ellenlangen Solopart sei ein Beispiel dafür.
Eines bleibt mal sicher, egal wie stark man die stimmlichen Schwächen des vormals langmähnigen Schönlings auch werten mag, Van Halen haben den Tokyo Dome gerockt - da gibt es keine zwei Meinungen. Allzu gern wäre ich an jenem Abend in Roths neuer/zweiter Heimat dabei gewesen. Das Album ist ein Zeugnis davon, wie sehr die Herren (zumindest drei von ihnen, denn Wolfgang ist zu jung) es immer noch vermögen, eine Bude zum Kochen zu bringen. Und seien wir mal ehrlich, ein richtig guter Sänger ist Roth ja eh nie so wirklich gewesen.
Sollte es dennoch mal zu einer Neuauflage dieses Doppelalbums (in Vinylform mit vier Scheiben) kommen, so würde ich mir eine remasterte Ausgabe mit besseren Bass-Spuren wünschen - und ich würde es dann wahrscheinlich sogar wieder kaufen.
Tyla Gang/YachtlessEine kleine Anmerkung sei mir zum Abschluss als hinterhergeschobenes
P. S. allerdings noch gestattet. Dank des Hinweises eines aufmerksamen Lesers aus Belgien (Cheers, Benny) drängt sich mir die Frage an den Grafiker auf, was um Himmels Willen er/sie sich dabei gedacht hat, ein Artwork auszuwählen, das quasi identisch mit dem Cover der 1977er "Yachtless" von Tyla Gang ist? Ich weiß echt nicht, ob eine Band wie Van Halen ein derart peinliches Plagiat nötig hat…

Line-up:
David Lee Roth (vocals)
Eddward Van Halen (guitar)
Wolfgang Van Halen (bass, backings)
Alex Van Halen (drums)
Tracklist
CD 1:
01:Unchained
02:Runnin' With The Devil
03:She's The Woman
04:I'm The One
05:Tattoo
06:Everybody Wants Some
07:Somebody Get Me A Doctor
08:China Town
09:Hear About It Later
10:(Oh) Pretty Woman
11:Me An You (Drum Solo)
12:You Really Got Me
CD 2:
01:Dance The Night Away
02:I'll Wait
03:And The Cradle Will Rock
04:Hot For Teacher
05:Women In Love
06:Romeo Delight
07:Mean Street
08:Beautiful Girls
09:Ice Cream Man
10:Panama
11:Eruption
12:Ain't Talkin' 'Bout Love
13:Jump
Externe Links: