Van Wolfen / Wolfsmusik
Wolfsmusik Spielzeit: 50:31
Medium: CD
Label: Guitarjunkie Records, 2010
Stil: Blues, Rock

Review vom 01.08.2011


Holger Ott
Seit einiger Zeit schreibe ich bei Facebook mit einem Musiker aus Hamburg, der mir bislang überhaupt nichts gesagt hat, obwohl, wie ich später festgestellt habe, dieser Mann eine sehr interessante Vergangenheit hat und in Musikerkreisen eine 'große Nummer' ist.
Die Rede ist von Mickey Wolf, der mit seiner Band Van Wolfen zur Zeit sehr angesagt ist und auf diversen Festivals seine Musik zum Besten gegeben hat. So hatte auch ich die Gelegenheit, ihn auf dem Motorcycle Jamboree in Jüterbog zu sehen, zu hören und zu bestaunen. Völlig unbefangen von seinen musikalischen Künsten, trat ich während seines Konzertes in die vorderste Reihe und war sofort von seiner Musik begeistert. Da steht doch tatsächlich einer vor mir, der etwas zu erzählen hat, dabei nichts schön redet oder um den heißen Brei herum singt.
Dass Mickey Wolf nicht einem Hamburger Nobelvorort entsprungen ist, sieht jeder auf Anhieb und seine Texte bewegen sich sehr oft im Milieu und bringen die Dinge ans Tageslicht, über die sonst nur hinter vorgehaltener Hand geredet wird. Da fallen schon mal ein paar harte Worte, aber wer die Gegend in St. Pauli kennt, der weiß, dass es dort nicht anders möglich ist, als zu sagen was man meint und was jeder verstehen soll. Ich komme zwar auch aus einer Großstadt, aber komisch, es zieht mich oft im Jahr nach Hamburg und ich fühle mich genau in diesem Bezirk am Wohlsten. In letzter Zeit stört mich allerdings, dass dort zu viel modernisiert wird. Langsam aber sicher stirbt der Flair um die Reeperbahn, aber das ist ein anderes Thema.
Seit seiner Jugend hat sich Mickey dem Blues verschrien, den Wurzeln der modernen Musik und ist dem bis heute treu geblieben. Die Liste der Musiker, mit denen er zusammen gespielt hat, oder für die er als Songschreiber getextet hat, ist schier endlos und ein hochkarätiger Kollege reiht sich dabei an den anderen. Nebenbei zieren noch diverse Auszeichnungen seine Wände und Vitrinen, von goldenen Schallplatten bis zu verschiedenen Awards aus dem In- und Ausland. Parallel noch in sein Nebenprojekt Brixtonboogie als Gitarrist involviert, tourt er aber zur Zeit hauptsächlich als Van Wolfen mit seiner aktuellen CD "Wolfsmusik" durch die Lande. Bei diesen Konzerten fährt er so einige Highlights auf, für die es sich lohnt, als erster in der Schlange vor dem Einlass zu stehen, um einen Platzt in der Mitte der ersten Reihe zu ergattern. Nur so wird der Zuschauer Zeuge einer Darbietung, für die sonst tief in die Tasche gegriffen werden muss. Lässt Mr. Wolf doch zwei Grazien aus der Welt der Sperrbezirke an einer Pole-Dance-Stange zu einigen seiner Stücke wahrlich akrobatische Kunststücke vollführen, natürlich ohne dabei ordinär oder billig zu wirken.
Trotz dieser Augenweide kommt natürlich die Musik nicht zu kurz und Van Wolfen spielt die gesamte CD "Wolfsmusik" plus einiger Coverstücke der Künstler, die in seiner persönlichen Hall Of Fame verehrt werden. Auf dem Weg nach Hause habe ich mir dann die CD in Ruhe anhören können und ihr das Prädikat 'besonders wertvoll' verliehen. Wertvoll deshalb, weil ich schon lange keine Musik mehr gehört habe, die das Beschriebene so auf den Punkt bringt, wie in den 14 Tracks von "Wolsfmusik". Erwähnen muss ich natürlich noch, dass es sich ausschließlich um deutsche Texte handelt, manchmal zweideutig, aber alle sehr tiefsinnig.
Den Anfang dabei macht "Männerhass", in dem aus der Sicht einer Prostituierten dargestellt wird, was in ihrem Kopf vorgeht, wenn sie sich notgedrungen sabbernden und geifernden Freiern hingeben muss, um sich mit dem schmutzigen Geld über Wasser zu halten, ständig mit der Angst im Nacken, was alles mit ihr geschehen könnte. Mickeys Stimme ist dabei extrem tief und ergreifend und seine wimmernde Gitarre kann einem schon das Wasser in die Augen treiben. "Ich glaube" zeigt dagegen aus seiner persönlichen Sicht die Dinge, die wichtig oder eben unwichtig im Leben sind. Der Song klingt recht funky und bringt sofort gute Laune ins Spiel. Track Nummer drei, "Jackie", bringt ans Tageslicht, was ein Mann fühlt, der von seiner Frau verlassen wurde, die zufällig den gleichen Namen trägt wie seine Lieblings Whiskey-Marke. Man muss schon spitze Ohren haben um zu erkennen, wer von beiden in welcher Textzeile gemeint ist. Dazu noch der passende Groove und ein perfekter Frustsong ist geboren. Mein persönlicher Favorit ist "Babs & Gila". Abgesehen vom treibenden Blues hat der Track einen echt coolen Text, der nicht besser aus dem Leben gegriffen sein kann und über die Welt der Damen vom horizontalen Gewerbe handelt. Mehr sei hier nicht verraten, ich will euch nicht die Vorfreude nehmen. Das "Gesicht zur Faust geballt" ist oft auch bei mir, wenn ich Menschen gegenüber treten muss, die mich mit ihrer Art zur Weißglut treiben, oder ich mich über Dinge des täglichen Lebens aufregen muss, die völlig unnötig sind. Da Mickey ebenso wie ich Gewalt verabscheut, bleibt uns leider nichts weiter übrig, als das Gesicht zur Faust zu ballen und somit unsere Abneigung zum Ausdruck zu bringen.
"Schwarze Spinne" ist wieder aus der Schublade der Zweideutigkeit. Handelt der Text doch gleichermaßen über bestimmte Frauen und natürlich um die gleiche Gattung aus dem Reich der achtbeinigen Krabbeltiere. Ein sehr schöner Slow Blues, bei dem Stimme und Gitarre wieder sehr gut zur Geltung kommen. Das eingestreute Wolfsgeheul bringt etwas Dämonisches mit hinein und das Gänsehautfeeling ist vollendet.
Leicht witzig kommt "Ich hab' Roy Black geseh'n" rüber. Countrymäßig angehaucht, trotzdem sehr rockig, trifft Van Wolfen darin einige Musikergrößen auf dem Weg mit dem Motorrad quer durch die USA, die seit langem das Zeitliche gesegnet haben und zu denen sich merkwürdigerweise auch Roy Black gesellt hat. Wie der da wohl hin kommt?
Jedes einzelne Stück hier zu beschreiben, vernachlässige ich nun etwas, um euch nicht die Spannung auf eine hervorragende musikalische Leistung zu nehmen. Ihr sollt ja beim Hören auch noch etwas zu entdecken haben. Besonders hervorheben möchte ich aber noch den Titelsong "Wolfslied", bei dem es über das grundsätzlich Schlechte im Menschen geht, wie z. B. mit der Natur umgesprungen wird und das Ganze aus der Sicht eines Tieres, dem Wolf.
Erwähnenswert ist auch "Model", bei dem die Grausamkeit offengelegt wird, der sich junge Mädchen unterwerfen, um auf dem Laufsteg im Rampenlicht stehen zu können: Um ein paar Minuten im Blitzlichtgewitter zu stehen, schinden sie ihre Körper nach dem unausgesprochenen Willen einer Milliardenindustrie, deren Fummel sowieso kein normaler Mensch tragen kann. Was wäre, wenn all diese jungen Frauen Nein sagen würden? 'Karl der Große' und sein Gefolge wären Niemand.
"Wolfsmusik" stimmt nachdenklich, aber wird sich die Welt deshalb ändern? Sicher nicht, anregen kann man damit aber sehr viel. Mickey Wolf ist ein Textschreiber und Komponist erster Güte, bisher leider etwas verkannt, da er nicht im Rampenlicht steht. Jeder Song der CD ist anders, abwechslungsreich und einfach gut zu jeder Gelegenheit zu hören. Nicht alles ist Blues, vieles geht in den rockigen Bereich. Die Gitarren klingen in jedem Stück anders, die Stimme ist oft sehr düster. Das Potenzial für weitere Projekte ist vorhanden und wir freuen uns auf mehr von ihm und seiner Band Van Wolfen.
Line-up:
Micky Van Wolfen (vocals, guitar, harp)
Evil Michi (bass, vocals)
Jan Polter (drums, vocals)
Rob Roberts (guitar, vocals)

Mascha (vocals - #9)
Krisz 'Brixtonboogie' Kreuzer (harp - #8)
Jacquie Virgil (chorus - #9)
Reggie Worthy (bass - #2)
Dr. Ella (chorus - #13)
Tracklist
01:Männerhass (3:24)
02:Ich glaube (3:19)
03:Jackie (3:36)
04:Babs & Gila (3:46)
05:Gesicht zur Faust geballt (2:54)
06:Schwarze Spinne (3:59)
07:Ich hab' Roy Black geseh'n (4:38)
08:Weiss wie Schnee (3:48)
09:Love For Sale (3:25)
10:Wolfslied (4:00)
11:Model (3:05)
12:Mir (3:20)
13:Schlafloser Mond (3:23)
14:Aber Du
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