Wenn ich mich mit meinem Namensvetter, Freund und RockTimes-Kollegen Mike aus dem Ruhrpott beim alljährlichen Redaktionstreffen über die australische Band Vdelli unterhalte, dann funkeln seine Augen voller Enthusiasmus und ich muss aufpassen, dass er mich nicht in Grund und Boden zutextet. So kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass er sich wie kein Zweiter bei der Band auskennt und mittlerweile zu einem absoluten Vdelli-Experten herangereift ist. Nicht nur, dass er alle Alben besitzt, nein, er weiß auf fast jede Frage bezüglich der Band eine Antwort! Ich glaube, er weiß sogar wie viel Kaviarschnittchen Gitarrenhexer Michael zu seinem dreißigsten Geburtstag verputzt hat. Außerdem brilliert er stets mit kleinen Anekdoten von seinen zahlreichen Konzertbesuchen, die meist mit dem Schlusssatz enden: »Mike, den musst du dir unbedingt mal live reinziehen!«
Am vergangen Donnerstag war es dann soweit. Schon beim Aufstehen spüre ich ein vorfreudiges Kribbeln und kann es kaum abwarten, das Blues Rock-Trio aus nächster Nähe zu beäugen. Angekommen im Quasimodo wirkt der Club zunächst wie ausgestorben. Nur vereinzelte Leute schlendern durch den Raum und es ist kein Problem sich einen Sitzplatz zu ergattern. Hinter mir tauchen zwei Fans auf, die auch an einem Werktag nicht den Weg aus dem Braunschweiger Raum nach Berlin gescheut haben, um live dabei zu sein! Dabei erzählen sie mir, dass sie unseren Berichterstatter aus der Bluesgarage, Jürgen, kennen, dessen Konzertberichte meist den Nagel auf den Kopf treffen. Das nenn ich ein dickes Lob aus Berlin an meinen Harzer Kollegen!
Gegen 22.00 Uhr nehme ich vorsichtshalber einen Frontplatz ein, denn das Quasimodo hat sich erfreulicherweise doch noch gut gefüllt und eine halbe Stunde später betritt die Band die Bühne, um gleich loszulegen. Doch etwas stimmt nicht. Der junge Bassist, der muss doch neu sein! Ich kann mich nicht erinnern, diesen bei den Beiträgen von unserem Vdelli-Spezi gesehen oder gelesen zu haben. Doch wozu hat man einen Experten in seinen eigenen Reihen? Per SMS sendet mir Schröder den Namen: Leigh Miller heißt der Tiefton-Zelebrator. Dass der Schwerpunkt des Gigs auf die Präsentation seiner neusten Platte Take A Bite ausgerichtet ist, liegt auf der Hand, denn die mitgebrachten, frischgepressten CDs sind so aktuell, dass die Booklets gerade mal so getrocknet sind.
Michael und Co. beginnen verhältnismäßig soft, zwar gut und Duftmarken setzend, aber noch nicht spektakulär. Auch der Mischpultregisseur lässt die Regler noch nicht von der langen Leine, doch ab "Fire And Rain", vom neuen Album, ist die Aufwärmphase beendet! Die volle Betriebstemperatur erreichend, spielt sich die Band in einen wahren Rausch und Vdelli schiebt seine extrem guten Gitarrenläufe durch Gesten und Körpereinsatz unaufhaltsam nach vorn, sprich, zu den Fans! Die sind mittlerweile ebenfalls voll aufgetaut und so verschmelzen Anhang und Band zu einer verschworenen Einheit. Michaels Gesang ist sehr prägnant, leicht soulig angehaucht, erinnert er mich an Malford Milligan von Storyville.
Richtig beeindruckend finde ich seine spielerische Fingerfertigkeit, die seiner Les Paul alles abverlangt, die Saiten derselben fast zum Glühen bringen und ein ums andere Mal die Fans zu tosenden Beifall veranlasst. Und dann kommt der Moment, von dem mir Mike schon so oft erzählte. Bei "Voodoo Child", das das Trio in persönlichen handgestoppten 22:42 Minuten zelebriert, befindet sich Vdelli am Rande des Wahnsinns und reißt eine Saite nach der anderen vom Gitarrenkorpus bis nur noch eine übrig bleibt! Während die restlichen fünf Silberstreifen wie Lametta durch die Luft wirbeln, wird Holzhammer-Anästhesist Ric Whittle die Ehre zuteil, sich an der gerupften Gibson weiter auszutoben. So lässt er einen Stick an der einzigen vorhanden Saite entlanggleiten, um herrlich skurrile Töne hervor zu zaubern, dass ich vor Freude am liebsten in Jubelarien ausbrechen möchte! Geht aber nicht, da ich das Teil für die Nachwelt aufnehme.
Davor beweist Bassist Leigh Miller welch großartiger Musiker er ist, haut dem Anhang ein Solo der absoluten Spitzenklasse um die Ohren, überlässt anschließend Whittle die Bühne, damit er den Anwesenden zeigt wo der, im wahrsten Sinne des Wortes, Hammer hängt! Das Stück allein ist schon das Eintrittsgeld wert! Doch Michael hat noch ein Leckerli parat, als er zum Schluss seinen Freund und Harper Hans (Angabe ohne Gewähr) auf die Bühne bittet und sie geschlossen einen unzensierten Chicago-Blues offenbaren, den ich in dieser Form bisher nur von Johnny Mastro dargeboten bekam! Nach achtzehn Songs und knapp zwei Stunden Blues Rock der Extraklasse ist dann Feierabend.
Alles in allem war es ein toller Abend, der letztlich alle Aussagen meines Kollegen bestätigt hat! Michael Vdelli und Band sollte man wenigstens einmal live erlebt haben. Einziger Wermutstropfen des Abends ist die Tatsache, dass sie für ihren neusten Silberling zwanzig Euro haben wollen. Das finde ich doch etwas zu heftig und nicht gerade fanfreundlich! Trotzdem, gut angelegtes Geld. Apropos fanfreundlich: Das ist die Truppe nach dem Gig, plaudern ganz locker mit den Anwesenden und lassen keinen Autogrammwunsch offen! Als ich im Namen von Mike über Conny die besten Grüße ausrichten lasse, schaut er verdutzt und überrascht. Sein Kommentar (gleich ins Deutsche übersetzt): »Heißen bei RockTimes alle Mike?«, entlässt uns schmunzelnd und zufrieden aus dem Quasimodo.
Line-up:
Michael Vdelli (vocals, guitar)
Leigh Miller (bass)
Ric Whittle (drums)
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