Nach der aus meiner Sicht grandiosen Platte
Vein Plays Porgy & Bess des Schweizer Pianotrios freue ich mich, diese neue Produktion vorzustellen und erneut empfehlen zu können. Ich nehme es schon einmal vorweg, ich kann nicht umhin, einen erneuten dicken Tipp abzugeben, höchste Empfehlungsstufe!
Die Einschränkung bei Studioeinspielungen ist oft die Spiellänge der Stücke. Insofern begrüße ich es ausdrücklich, dass uns dieses musikalische Ereignis live dargeboten wird, verbunden mit langen Spielzeiten. Ein besonderes Ereignis dürfte es ohnehin für die junge Band
Vein gewesen sein, spielt sie hier doch mit einem Urgestein der Jazzszene zusammen, mit
Dave Liebman, der in vergangenen Tagen bereits den Sound der Musik von
Miles Davis mitbestimmte. Der bisweilen eher akademisch ausgeprägte Stil des Trios wird durch sein Mitwirken aufgebrochen und gewinnt außerordentlich an Seele.
Der versierte Profisaxofonist inspiriert die Mitmusiker und so fließt die Musik auch einmal frei dahin, als würden sich alle gegenseitig anstacheln und zu ausgeprägt starken Leistungen angespornt werden. Sehr auffällig ist dies bereits auf dem zweiten Titel - es ist ein wahrer Genuss, mit anzuhören, wie
Liebman vor allem den Schlagzeuger anzutreiben scheint und sogar der Komponist
Michael Arbenz wagt sich, den einen oder anderen Cluster in sein Pianospiel zu werfen. Mir geht es dann so, als würde man abheben, und wenn ich nicht so gut sitzen würde, könnte mich das glatt aus dem Sessel heben! Selten habe ich in letzter Zeit Jazzmusiker der jüngeren Generation so leidenschaftlich und vorwärtspreschend spielen hören!
Aber auch ruhig und beschaulich geht es zu: "I Loves You Porgy" glänzt durch eine romantische Klaviereinleitung, unterstützt durch den fast hauchenden Liebman, der mich fast an Ben Webster erinnert, der bei mir mit diesen Balladen regelmäßig Gänsehautattacken verursacht. Eine gelungene und sicher lohnende Erweiterung des ohnehin schon musikalisch hervorragend agierenden Trios, mit dem Ergebnis, dass trotz der durchgehend einheitlichen Stimmung so viel verschiedene Schattierungen des Jazz geboten werden. Ausflüge in der Fusion nahe Gefilde stehen neben klassischem Swing betonten Jazz und wunderschön balladesker Stimmung, wobei ich dann noch gleich auf "I Loves You Porgy" zurückkommen muss, denn bemerkenswert ist, dass Saxofon und Piano den Titel gut sechs Minuten lang gemeinsam bestreiten, bevor Bass und Schlagzeug dazukommen und dem Stück noch einmal einen Schuss zusätzlicher Würze verpassen. Solche Balladen braucht der Jazz und nicht irgendein Lounge/Bar-Gesäusel, wo die größte Abwechslung das elegante Anstoßen der Cocktailgläser ist und man sich gepflegt zur Musik unterhält. Nicht hier, das Publikum scheint wie ich hier im heimischen Zimmer gebannt gelauscht zu haben.
Wer dennoch eingenickt sein sollte, wird mit "Evolution" aus dem Nickerchen gerissen, obwohl nach dem furiosen Auftakt wieder etwas Ruhe einkehrt und ein Basssolo in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Eine Komposition des Gastes, sehr lyrisch im Ausdruck und vom Spiel des Pianisten geprägt und mit reichlich Abwechslung mit Stimmungs- und Rhythmuswechseln bietend, sowie das alte 'Schlachtross' "Summertime" bilden den Abschluss dieser hervorragenden Platte. Letzteres wird mit einem langen Basssolo von gut zwei Minuten eingeleitet, bevor der Rest der Band einsetzt und diesem Klassiker einen wiederum anderen Anstrich gibt. Spuren von Jazz Rock schleichen sich gar ein, der Rhythmus rockt dezent. Vielen Dank an die Musiker, dafür, dass sie mir diesen Genuss bereitet haben!
Aufgenommen wurden die ersten vier Titel in Paris, im Club Sunshine, und die restlichen in der Location Altes Pfandhaus in Köln.