Verdena / Requiem
Requiem Spielzeit: 62:26
Medium: CD
Label: Universal, 2007
Stil: Psychedelic /Alternative


Review vom 21.06.2007


Florian Kollin
Hier liegt es nun endlich. Das neue Album der Italiener Verdena. Hierzulande kaum bekannt, werden sie in ihrem Heimatland schon seit langem abgefeiert und spielen die großen Festivals. An der Musik jedenfalls kann die hiesige Unbekanntheit nicht liegen. Der Mix aus Psychedelic, Classic- und Alternative Rock, den Verdena einschlagen, kommt modern und eigenständig daher.
Nachdem sie mit dem Vorgängeralbum "Il Suicidio Dei Samurai" auch in Deutschland Achtungserfolge erzielen konnten und als Vorband von Dredg und Oceansize unterwegs waren, klang Sänger Alberto in einem Interview umso frustrierter darüber, dass das Management scheinbar kein Interesse an einer steigenden Bekanntheit in Deutschland hegt.
Zu sagen, dass sich dies mit diesem Album nun ändern wird, wäre utopisch. Jedoch werden hier schwere Geschütze aufgefahren. Die Songstrukturen sind ausgefeilt, die Musiker in Höchstform und der Sound groß wie nie.
Gehen wir also auf Entdeckungstour: Gleich das Intro der CD lässt einen die Quadrophonie zurückwünschen, das ist ganz großes Kino. Aber auch in Stereo kann man sich sehr plastisch vorstellen, gerade in einer aufgebrachten Menschenmenge zu stehen. Der folgende Song weckt sogleich Assoziationen an die großen Stadion-Rocker. Die Riffs, die Energie, der Rhythmus: Alles da, alles auf dem Punkt. Und dennoch schaffen es die drei hier, ihre ganz eigene Art einfließen zu lassen, setzen klare Akzente. So eine Totenmesse hätte ich auch gerne, wenn ich sterbe. Doch sollte einem der Name "Requiem" nicht zu viel zu denken geben, denn der typische Aufbau und die gregorianischen Gesänge bleiben hier außen vor.
Gesungen wird durchgängig in italienisch, und wer bei einem Titel wie "Was?" auf einen kurzen Exkurs hofft, wird enttäuscht. Doch gerade das ist es, was Verdena für uns Deutsche so besonders macht. Italienisch eignet sich einfach noch besser zum Singen als Englisch. Dass hierdurch Vielen der Inhalt der Songs verborgen bleibt ist zwar schade, ändert aber nichts an der musikalischen Größe.
Insgesamt bietet "Requiem" weniger psychedelische Momente als der Vorgänger, verliert sich aber dennoch phasenweise in schwer durchdringlich wirkenden Soundschichten, Effektwelten und Hallfahnen. Es setzt den bekannten Stil sinnvoll fort, büßt dabei jedoch nichts an der Glaubwürdigkeit der früheren Werke ein. Im Gegenteil: Hier traut man sich auch mal ruhigere Töne anzuschlagen und die Akustikgitarre aus dem Koffer zu holen.
Versuchen andere Bands so zwanghaft ihre Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen fügt sich bei Verdena alles zu einem großen Ganzen, und die Next-Taste der Fernbedienung gerät getrost in Vergessenheit.
Waren wir eben noch bei der Nylon bespannten Akustikgitarre, so wird im nächsten Moment wieder zur semiakustischen E-Gitarre und den orangen Verstärkerwänden gewechselt. Hier geht es phasenweise ordentlich zur Sache, Hau-Drauf-Punk jedoch ist das zum Glück nicht. Ich würde mich sogar fast so weit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass es eher in die intellektuellere Ecke geht. Denn die teilweise erkennbaren Prog-Ansätze werden den ein oder anderen Pogo-Punker nun halt doch nicht ansprechen. Wer allerdings einmal ein Konzert dieser Drei besucht hat, wird spontan mitgerissen. Ich wusste garnicht so recht, wie mir geschah - einer der Gründe für meine Liebe zu dieser Band. Ein anderer ist wohl eben jene Expertise wenn es ums Experimentieren geht. So kommt man nach den gut 60 Minuten des Albums in den Genuss einiger rückwärts aufgenommener Spuren. Ein nicht ganz so gelungener Ausklang wie beim Vorgänger, aber dennoch besser, als es die meisten anderen Alben bieten. Diese Scheibe gibt einem oft das Gefühl, dass hier das gesamte Album einem klaren inneren Ablauf folgt und die Reihenfolge der Tracks eben nicht zufällig ausgewürfelt wurde. Aber klar, wenn man - wie es Alberto Ferrari tut - ein Album komponiert, produziert, einspielt, mixt und mastert, dann hat man wohl den nötigen Freiraum, um zu tun und lassen, was man möchte. Vielleicht ist ja gerade dies das Erfolgsrezept?
Und konnte man sich bei "Il Suicidio Dei Samurai" noch denken: Das hätte wer anders aber vielleicht noch einen Tick besser gemischt, so haut einen dieses Werk gleich von Anfang an soundtechnisch aus den Schuhen und lässt keinen Zweifel daran, wer der Chef im Ring ist. Lediglich der Bass hatte schon mal growligere Zeiten. Hier wird auch instrumental so einiges aufgefahren. Neben der Standardbesetzung Gitarre, Bass, Schlagzeug und Vocals wurde noch einiges mehr ins Studio getragen. Neben einem Mellotron, welches auf erstaunlich vielen Tracks zu hören ist, kamen auch Harmonium, Piano, Rhodes und Co. zum Einsatz. Das erinnert ja schon fast an die vergangenen Zeiten (und somit auch Alben), auf denen Verdena noch zu viert und Fidel fürs Rhodes zuständig war. Und auch auf "Requiem" hat er es sich nicht nehmen lassen, zwei Tracks mit den anderen einzuspielen. Live jedoch wird kaum jemand ein Rhodes oder ähnliches vermissen, dafür bieten Verdena einfach auch so schon Energie genug, genaugenommen sogar im Überfluss.
Es bleibt also zu hoffen, dass mit dieser Platte ein wenig Wind aufkommt um die Herren Ferrari und Freunde (inklusive der wohl erotischsten Bassistin überhaupt :-)). Musikalisch stimmt hier jedenfalls alles, dieses Album ist wohl das i-Tüpfelchen auf den Rock-Erscheinungen dieses Jahres und sollte von jedem, der nicht gerade 50 Cent als großes Idol abfeiert, mindestens einmal durchgehört werden. Es würde mich sehr wundern, wenn diese CD dann wieder hergegeben wird. Und als Tipp am Rande: Wer Alberto gerne mal englisch singen hören möchte - auf der "Spaceman"-EP gibt es eine Coverversion von "Reverberation".
Tracklist
01:Marti In The Sky
02:Don Calisto
03:Non Prendere L'acme, Eugenio
04:Angie
05:Aha
06:Isacconucleare
07:Caņos
08:Il Gulliver
09:Faro
10:Muori Delay
11:Trovami un Modo Semplice Per Uscirne
12:Opanopono
13:Il Caos Strisciante
14:Was?
15:Sotto Prescrizione del Dott. Huxley
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