Das langersehnte zweite Album der New Yorker Kids The Virgins mit dem scharfsinnigen Namen "Strike Gently" erscheint Ende April endlich auch in unseren Breiten. Manch einem wird diese junge Indie-Band selbst hierzulande noch ein Begriff sein: Ihr selbstbetiteltes Debüt (2008) und ihre Hitsingle "Rich Girls", die es immerhin in die Liste der '100 besten Songs von 2008' des Rolling Stone schaffte, wurden weltweit in höchsten Tönen gelobt. Was folgte waren Support-Darbietungen von Patti Smith und Sonic Youth während der Fashion Week in Paris sowie von Iggy & The Stooges und Lou Reed. In der hippen US-Fernsehserie "Gossip Girls" lief zudem ihre komplette erste EP (2007). Und im Mai dieses Jahres gehen The Virgins gar als Vorgruppe von The Killers auf US-Tour.
Anscheinend führte aber der schnelle Erfolg und kometenhafte Aufstieg der 2006 gegründeten Kapelle zu einer Sinn- und Schaffenskrise beim Frontmann Donald Cumming. Wie sonst lassen sich fünf Jahre Pause zwischen den vielen internationalen Fernseh- und Festivalauftritten und dem zweiten Geniestreich erklären? Cumming stellte sich gar die Frage, ob er je wieder Musik machen wolle. Ich muss sagen, wäre es dazu gekommen, wäre dies äußerst bedauernswert gewesen.
Denn auch das neue Werk dieses talentierten Musikers steckt wieder voller Perlen. Um dem Erwartungsdruck zu entgehen und mehr Freiheiten zu haben, wechselte Cumming nicht nur das Label, sondern auch gleich das komplette Bandpersonal. Veröffentlicht wird das Juwel übrigens auf dem Label Cult Records des The Strokes-Sängers Julian Casablancas.
Leichtfüßig, nahezu schwebend und unheimlich anziehend flutet diese Platte mit jedem Ton den Raum und nimmt den Hörer mit auf eine unbeschwerte Reise des Seins, wobei gleichzeitig auch Sehnsüchte und Träume einer ganzen Generation in den wunderschön melancholischen Melodien durchklingen. Ein Spagat, der meisterhaft gelingt. In jeder Sekunde swingt und groovt es, jedes Stück lässt bunte Tonfolgen spielerisch ins Ohr fließen.
Mit dem Vorgänger, auf dem noch Strokes'sche Indie Disco-Nummern dominierten, kann man "Strike Gently" gar nicht vergleichen, denn Cumming und seine drei neuen Bandkollegen Max Kamins (Bass), Xan Aird (Gitarre) und John Eatherly (Schlagzeug) spielen auf der aktuellen Scheibe ganz andere Töne an: Das Tempo wurde merklich gedrosselt, Reife und Neuorientierung sind vielerorts herauszuhören und Indie Disco werden Fans der ersten Stunde auf dem neuen Silberling lange suchen müssen. Ein großer Wurf ist "Strike Gently" trotzdem.
Bereits der Opener "Prima Materia" mit seinem Country-haften Stop/Start-Beat und seinem zum Heulen lässig-schönen Gitarrenriff legt den Grundstein für das gesamte Album. Dieser Song hievt den Hörer auf eine träumerische Indie Pop-Wolke, auf der man durch überwiegend seichte Klangwelten geleitet wird. Bei manchen Songs der neuen Scheibe - besonders "Wheel Of Fortune" - könnte Sänger Donald Cumming mitunter glatt als Mark Knopfler durchgehen, so tief haucht und verführerisch besänftigend summt er seine Lyrics ins Mikro - zum Dahinschmelzen.
Das funkige, vom Bass geführte "Flashback, Memories, And Dreams" mit seinem bezaubernden Refrain erinnert mich sofort an Bryan Ferry und Roxy Music. Moment: Ist das wirklich Cumming, der auch diesen Song singt? Unfassbar!
Das tranceartige "Figures On The Ice" mäandert mit seinem säuselnden Gitarrenriff durch ein in Gedanken versunkenes Klangbett, um in einem zart dahinfließenden Refrain zu münden.
Die introspektiven Stücke "Impressions Of You", für das Cumming ein Gramm Iggy Pop einwirft, und "Travel Express (From Me)" (welch eingängiger Refrain!) enthalten mit rumpelnden Basslinien und flehend-fragenden Gitarrenläufen noch die meisten Indie Disco-Reminiszenzen aller Stücke. "What Good Is Moonlight" versprüht einen erfrischenden 80er-Jahre-Sound. "The Beggar" ist ein atmosphärischer, von Lebensmüdigkeit geprägter Track, in dem Cummings Talent als Songwriter gehörig hervorsticht. Bei "Amelia" kann ich wirklich nicht mehr ausmachen, wer jetzt hier eigentlich singt: Mark Knopfler, Iggy Pop oder doch Adam Green? Oder alle zusammen? Und dann diese Coolness im Gitarrensolo - unerhört!
Den Abschluss bildet "Blue Rose Tattoo", eine entspannt-romantische Nummer, nach der man auch an einem sonnigen Sonntagmittag seelengereinigt wieder ins Bett gehen kann.
Diese Platte klingt durchweg hautnah, schier tadel- und mühelos handgefertigt. Die Melodien legen sich geschmeidig in die Gehörgänge und verweilen dort auch dann noch, wenn die Nadel des Plattenspielers sich am Ende der Rille erhebt. In allen Ecken von "Strike Gently" weht ein hipper Retrowind, ohne dabei auch nur einen Hauch altmodisch zu klingen. Ein wahres Meisterwerk, das Freunde dieser Musik mit Sicherheit immer wieder gerne auflegen werden, um dieser Welt auf schnellem und gesundem Wege zu entrücken.
Line-up:
Donald Cumming (vocals)
Xan Aird (guitar)
Max Kamins (bass)
John Eatherly (drums)
Tracklist |
01:Prima Materia
02:Wheel Of Fortune
03:Flashback, Memories, And Dreams
04:Figures On The Ice
05:Impressions Of You
06:What Good Is Moonlight
07:Travel Express (From Me)
08:The Beggar
09:Amelia
10:Blue Rose Tattoo
|
|
Externe Links:
|