Voodoo Lake! Die hochverehrten Skynyrd-Allessammler erwarten wohl eine Tribut-Band an dieser Stelle. Falsch gedacht, denn diese Truppe ist keine x-beliebige Coverband, sondern die momentan wohl beste Southern Rock-/Jam-Band Europas, wenn nicht sogar der Welt. Wer diese Truppe aus Italien im Mai 2005 bei den beiden Konzerten im Rahmen des 'Southern Rock-Listentreffens' in Schlepzig bzw. einen Tag später in Reitwein gesehen hat, weiß, wovon ich spreche.
Wer die Band bislang nur als Konserve (Debüt-CD aus 2000) kannte, wird überrascht sein, welch eine fantastische Entwicklung Voodoo Lake durchlaufen hat. Traditioneller Südstaaten-Rock a la Skynyrd ist passé. Der Southern Rock ist tot, es lebe der Southern Rock!? Nicht ganz, denn erhaltenswerte Traditionen wie z.B. Twin-Passagen und Slide-Einlagen sind weiterhin in Hülle und Fülle vorhanden. Hinzugekommen sind: Die langen Jams; Backgroundsängerin Giulia Coluzzi als die Stimme der Band (Leadgesang auf 5 von 11 Songs); Maurizio Spandre als neues Mitglied an Keyboards, der entscheidende Akzente setzt; last but not least ein geniales Songwriting, das jedes Klischee vermeidend frisch und originell klingt.
Wäre das nicht alles schon genug, haben wir es hier mit einer Soundqualität zu tun, die im Independent-Bereich ihresgleichen sucht! Alle Instrumente sind kristallklar zu hören und erzeugen einen magischen Klangteppich - aber das ist nur ein Teil der Sound-Magie! Die Parts von Simone Ubezio sind immer im linken und die von Max Arrigo immer im rechten Kanal zu hören. Beim Satzgesang verhält es sich ähnlich: Der jeweilige Leadsänger überall, im Background eine Stimme von links und eine andere von rechts. Simone U. hat als Toningenieur ganz große Arbeit geleistet!
Außerdem: Wie oft wird eine CD mit über 70 Minuten Spielzeit ohne Füller veröffentlicht? Voodoo Lake schreiben nämlich nur abwechslungsreich arrangierte Songs. Als allererstes dürfen wir dem Jam-Monster "Daddy" lauschen, dann wird der Hörer in die Sümpfe mit "Son Of The Witch" entführt, mit Stefan Kossmann von Flatman als Co-Leadsänger. Dann tritt bei "Live With It" Giulia C. zum ersten Mal als die Stimme der Band auf und die beiden Gitarreros beglücken uns mit ein- und zweistimmigen Soli, die es in sich haben.
Max A. und Simone U. müssen in höchsten Tönen gelobt werden. Ersterer spielt eine meisterhafte Slide-Gitarre während letzterer je nach Song einen bluesigen Vibrato-Stil - à la Eric Clapton oder Billy Jones - oder einen gekonnten Country Rock-Sound favorisiert und dazu noch an weiteren Instrumenten brilliert. Feeling mit Technik verbunden, das eine schließt hier das andere nicht aus. Einen Sonderlob verdient die Rhythmussektion um Drummer GianMaria Pepi und Basser Joe Ferrante, die als absolute Profis mit ihrem Spiel dieses Meisterwerk bereichern.
Es hätte keinen Sinn, jeden Song einzeln zu erwähnen, denn ein Highlight jagt das nächste. Trotz der stilistischen Vielfalt von Southern Rock, Jam, Country-Rock, Zydeco, Folk, Westcoast und vieles mehr klingt das Album wie aus einem Guss. Das ist nicht die Platte des Jahres, nicht des Jahrzehnts, sondern eins der besten Alben aller Zeiten! Auch wenn Voodoo Lake nie wieder etwas veröffentlichen sollten (was ich nicht hoffe), ist ihr Platz in den Annalen der Rockmusik gesichert.
Also liebe Leser, wartet nicht auf die nächsten 43 Instant-Live-Veröffentlichungen der Allmans und ignoriert die 57. unnütze Skynyrd-Compilation. Denn die musikalische Glückseligkeit ist ab sofort im hier und jetzt, im sandigen Boden von Mutter Erde zu finden. Es liegt an uns, dass diese wunderschöne Pflanze weiter gedeihen kann...
Spielzeit: 72:07, Medium: CD, Eigenvertrieb, 2005
1:Daddy (09:15) 2:Son Of The Witch (05:12) 3:Live With It (08:20) 4:Flowers In The Sand (04:13) 5:Lady Of The Rocks (05:41) 6:Silas (03:55) 7:Fear Another (05:36) 8:Sometimes (05:40) 9. Need To Leave (07:16) 10: Damn Light (11:57) 11. Rainbow Smile (05:05)
Janos Wolfart, Fotos: Norbert Neugebauer, 28.04.2006
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