Billy White Trio / Illusionation
Illusionation Spielzeit: 79:50
Medium: CD
Label: Grooveyard Records, 2009 (1996)
Stil: Blues Rock, Hard Rock

Review vom 18.05.2009


Jürgen Hauß
Da liegt sie nun frisch auf meinem Tisch, die CD vom Billy White Trio, die mir von der RockTimes-Redaktion zum reviewen angeboten wurde, und ich freue mich darauf, neues Material begutachten zu können.
Billy White Trio - nie gehört! Der beiliegende 'Waschzettel' ist auch nicht gerade der Quell sprudelnder Information: »Eine phänomenale Solo(!)-Scheibe von diesem tollen Gitarristen aus Texas, einem 'Guitar hero' im besten Sinne des Wortes. Abgerundet wird dieses begeisternde Billy White Trio von den Schlagzeug-Talenten des J.J. Johnson.« Natürlich wird das Ganze etwas ausführlicher und blumiger geschildert; aber eine Solo-Scheibe eines Trios? Und wenn dann wenigstens auch noch der Drummer erwähnt wird, warum nicht auch der Bassist - zumal es vorliegend sogar zwei sind, die jeweils einen Teil der Titel mit einspielen?
Also erst einmal der Versuch, wenigstens im Internet an weitere Informationen über das Billy White Trio bzw. zumindest über seinen Namensgeber zu erfahren. Unter dem Namen Billy White ergoogelt man sich die Homepage eines gleichnamigen, sechzigjährigen deutschen Country-Sängers aus dem Hessischen bzw. - auf MySpace - einen britischen Hip-Hop-Sänger, nicht aber den vorliegenden Protagonisten. Eine einmalige Erwähnung findet der Name Billy White auf Wikipedia im Zusammenhang mit der Don Dokken Band, einem ebenso kurzen Ableger der durchaus erfolgreichen Hardrock-Band Dokken. Nach weiteren erfolglosen Recherchen stößt man aber auf eine bereits vorliegende Rezension von "Illusionation", und schon trifft mich der erste Schock: Die Rezension ist bereits aus dem Jahr 1996!
Die Scheibe ist also schon weit über 10 Jahre alt, ohne dass die Vertriebsfirma darauf hinweist. Zur Kontrolle schnell die CD näher angeschaut. Außen ist nur das aktuelle Erscheinungsjahr 2009 genannt. Das knappe Booklet weist nach der Angabe der vier Musiker des Trios sowie einiger weiterer Begleitmusiker und der Techniker ebenfalls nur darauf hin, dass einzelne Tracks im Original schon auf der EP "Sistershootingstar" (von wann auch immer!) veröffentlicht waren. Und schließlich, nach dem obligatorischen Dankeschön (von wem auch immer!) an eine Vielzahl von wertvollen Menschen, kommt eine knappe und aktuelle Widmung von Billy White, in der er davon spricht, dass die vorliegende Aufnahme für ihn nach über 10 Jahren nach Musik aus einem anderen Leben klingt, und er sich darüber freut, dass es Menschen gibt, die seine Musik auch heute noch hören wollen. Tatsächlich also, es handelt sich um ein Re-issue, ohne dass dies auf den ersten Blick deutlich wird.
Was nun endlich gibt es aber zu hören?
Insgesamt 16 Tracks, von denen 12 von der Erstveröffentlichung 1995 oder 1996 (die gefundenen Informationen sind widersprüchlich) stammen. Drei weitere Songs stammen von der bereits benannten EP aus dem Jahr 1995 wie auch die bislang unveröffentlichte Live-Aufnahme "Cookie Cutter".
Angekündigt ist die Musik des Billy White Trio als Blues Rock. Erwartet man unter dieser Überschrift Musik à la Walter Trout, Joe Bonamassa oder Rob Tognoni, wird man sicherlich enttäuscht. Insbesondere Blues-Fans warten vergeblich darauf, dass mal der klassische 12-Takter zum Besten gegeben wird. Insgesamt würde ich die Scheibe eher als Rock mit den unterschiedlichsten stilistischen Einflüssen beschreiben wollen; viel Led Zeppelin hier, ein bisschen Black Sabbath oder auch Grand Funk Railroad da, ja sogar ein bisschen Fool's Garden dort (wenn man diese Musik überhaupt als Rock bezeichnen will). Die auf intro.de veröffentlichte, bereits benannte Plattenkritik entdeckt zudem Anlehnungen an Tom Petty, Stone Temple Pilots, Extreme und sogar Lennon & McCartney. Also: von jedem etwas und vielleicht für jeden etwas; teilweise könnte man die Titel auch auf einer "Kuschelrock"-Scheibe erwarten!
Hat man sich als Blueser von der ersten Enttäuschung erholt und nähert sich dem Album unvoreingenommen, bekommt man ordentliche Rockmusik geboten: Kompakte Riffs, harte Beats und in der Regel dezenter Bass im Hintergrund, die aber in den unterschiedlichsten Genres gut zusammen wirken und ständig Druck ausüben. Und schließlich eine prägnante Stimme des Namensgebers, wobei die Melodieführung oftmals konträr zur instrumentalen Begleitung dargeboten wird und formale Taktgrenzen missachtet. Das macht das Zuhören wirklich interessant. Ansonsten gibt es keine großen Überraschungen. Lediglich (ausgerechnet) der Song "Fade" wird nicht wie die anderen am Ende ausgeblendet, sondern endet mit einem Rauschen, als ob zu Zeiten des analogen Radio-Empfangs der Sender plötzlich weg war - aber nicht mehr als ein nettes Gimmick zu seiner Zeit.
Musikalisch ganz anders gerät das die Studio-Produktionen abschließende "Surround You": Nur mit akustischer Gitarre und Bass instrumentiert, ist in der Tat die Nähe zu Extreme und ihrem "More Than Words" aus dem Jahre 1990 kaum zu leugnen. Gerät man hier ein wenig ins Träumen, wird man jedoch durch die nachfolgende und die CD endgültig abschließende Live-Version von "Cookie Butter" wieder geweckt. Der fast brutale Stilwechsel zeigt jedoch eindrucksvoll die Energie, mit der das Billy White Trio seinerzeit auf der Bühne arbeitete.
Insgesamt wirkt die Scheibe in ihrer musikalischen Vielfältigkeit harmonisch; Langeweile kommt jedenfalls beim Hören nicht auf. Da die Erstveröffentlichung seinerzeit an mir vorbei gegangen ist, kann ich nicht bestätigen, ob "Illusionation" wirklich Kultstatus erreicht hat.
Für Blues-Fans dürfte "Illusionation" eher desillusionierend sein; mehr jedenfalls spricht sie den (Hard-) Rocker an, der sich auch vor interessanten Melodiebögen nicht scheut.
Line-up:
Billy White (guitar, vocals)
Steve Bernal (bass - #2,4,5,8,9,11,13,14,15)
Brian Walsh (bass - #1,3,6,7,10,12,16)
J.J. Johnson (drums)
Tracklist
01:Nectarine (4:53)
02:Time Bomb (4:30)
03:Twelve (6:02)
04:No Other (3:55)
05:Fade (4:58)
06:Ashes From The Sun (5:01)
07:The Moth And The Flame (5:02)
08:13 Second Blackout (4:01)
09:Up The Ladder Down (4:26)
10:We All Want To Live Forever (4:45)
11:Give This Life (5:14)
12:Closer (5:07)
13:Cookie Cutter (4:22)
14:Diamond (4:54)
15:Surround You (5:04)
16:Cookie Cutter [Live Bonus Track] (7:07)
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