Jody Williams / Return Of A Legend
Return Of A Legend Spielzeit: 55:49
Medium: CD
Label: Evidence Records, 2002
Stil: Chicago Blues

Review vom 08.03.2009


Wolfgang Giese
Jody Williams - eine Legende?

Die Titel:
Howlin' Wolf - "Evil Is Going On" (1954)
Howlin' Wolf - "Forty Four" (1954)
Sonny Boy Williamson - "Don't Start Me Talkin'"(1955)
Bo Diddley - "Diddy Wah Diddy" (1955)
Billy Boy Arnold - "I Wish You Would" (1955)
Bo Diddley - "Who Do You Love" (1956)
Otis Rush - "Groaning The Blues" (1957)

Kennen wir doch fast alle, oder?
Viele wussten allerdings bisher vielleicht nicht, dass hier an der Gitarre jeweils auch Jody Williams prägend zu hören ist. Auf obenstehenden sowie auf vielen anderen Titeln… auch bei weitereren Bluesern wie Jimmy Rogers, Jimmy Witherspoon, Ike Turner etc.
Der in Mobile, Alabama, geborene Williams zog mit seiner Familie im Jahre 1940 nach Chicago, South Side. Aber zunächst war es nicht die Gitarre, sondern die Mundharmonika, die ihn interessierte. Insbesonders soll er angetan gewesen sein von dem 1946 in Chicago gegründeten Mundharmonika-Trio The Harmonicats - kein Blues, sondern eher damalige Popularmusik.

Während einer zahlreicher Talentshows kam es dann zu einem Treffen mit Bo Diddley und Jody konnte ihn überreden, ihn in die Kunst der Bluesgitarre einzuführen. Quasi als Autodidakt kam es schließlich zur musikalischen Zusammenarbeit zwischen Bo, Jody und dem Harpspieler Billy Boy Arnold, etwa 1951.
Diese fand allerdings nicht in Clubs auf der Bühne, sondern 'out there on the corners' statt. Man musizierte also auf der Straße und machte ganz gut Geld damit.
Später kamen Auftritte in Shows von und mit Bluesern wie Memphis Minnie, Henry Gray oder Elmore James dazu und erste kleine 'Tourneen' starteten um jene Zeit, u.a. zusammen mit dem Pianisten Charles Brown.
Ein Treffen mit Howlin' Wolf, der neue Bandmitglieder suchte, führte 1954 zu ersten Plattenaufnahmen. Weitere (siehe oben) folgten, und schon bald war Jody ein gefragter Session-Gitarrist für Chess Records. Kurz darauf kam es auch zur ersten eigenen Einspielung: Das war 1955 mit der Single "Looking For My Baby" bzw. "Easy Lovin'", damals eingespielt unter dem Namen Little Papa Joe.
Jodys großer 'Hit' erschien 1957 - und zwar das unter einem weiteren Pseudonym, Little Joe Lee, eingespielte "Lucky Lou", welches sich auf der Rückseite der Single "You May" befand. Vier weitere Single-Einspielungen folgten zwischen 1963 und 1966.
Eine echte LP veröffentlichte Jody zunächst nicht, lediglich auf der Platte mit Stücken von Earl Hooker, "The Leading Brand" (1977), waren sechs Titel von Jody Williams enthalten - zusammengestellt aus den damaligen Single-Veröffentlichungen. Diese Singles finden sich auch auf CDs, wie z.B. "CHESS Blues Guitar 1949-1969", hier z. B. "Lucky Lou", mit dem berühmten Riff, das Otis Rush wenig später als Vorlage für sein bekanntes "All Your Love" nutzen sollte.
Das 'Stehlen' bestimmter Riffs oder Stücke war ja wohl an der Tagesordnung und so führte unter anderem ein Vorfall mit dem Gitarristen Mickey Baker dazu, dass sich Jody Williams so nach und nach enttäuscht aus der Bluesszene zurück zog.
Jody hatte für "Billy's Blues" von Billy Stewart kompositorisch etwas beigesteuert, und genau das 'stahl' Baker für sein "Love Is Strange" (Mickey And Silvia Baker). Das Verfahren zog sich dann, zum Nachteil Williams', bis 1961 hin. Wie es auch immer genau gewesen sein mag, Jody Williams zog sich aus dem Business zurück und arbeitete fortan als Ingenieur bei Rank Xerox bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1994.
Wohl auf Drängen der Familie, als auch letztlich des Produzenten Dick Shurman entschloss sich Jody, so langsam wieder einzusteigen und seine Gitarre wieder hervor zu holen. Das führte dann dazu, dass er im Jahr 2002 endlich seine erste Langspielplatte überhaupt einspielte: "Return Of A Legend".
Anknüpfen kann ich also dort, wo dieses Comeback eingeläutet wurde, nämlich mit dieser Platte, die nicht nur mich sozusagen 'out of the blue' erwischte. Schließlich hat das seit seinem Erscheinen im Jahre 2002 in meinem Besitz befindliche Album endlich einmal eine Rezension verdient!
"Blues With A Feeling", so sang einst Little Walter, und genau das ist es, was die Musik auf dieser Platte so speziell macht, das ist Blues mit einem Gefühl, das 'transportiert' wird, das ist nicht 'Blues um des Blues' willen, das ist keine Aneinanderreihung vermeintlicher 'Blue notes', nein, hier spürt man das, was für mich Blues ausmacht: Musik über Gefühle, die einen täglich begleiten, sei es resultierend aus guten oder schlechten Erlebnissen.
Und Jody führt einer jungen Generation die Musik vor, wie sie schon in den 50ern in Chicago gespielt wurde - dabei auch begleitet von Vertretern einer neuen Blues-Generation: Ronnie Baker Brooks, dem Sohn von Lonnie Brooks, Sean Costello, Tinsley Ellis und Rusty Zinn.
Das hier ist 'eleganter' Blues mit einer jazzigen Note, das ist Blues, wie er swingt, das ist hoch entwickelt mit einem besonderen Anspruch und trotzdem klingt das raue Chicago durch. Textlich blieb es bei Alltagsgeschehnissen, Dinge von Lust und Liebe und Leid, wie sie bereits seit langer Zeit unverändert geblieben sind
Man merkt Jody die Spannung und Freude an den Aufnahmen, schließlich nach so langer Zeit, an. Er kommt dabei so locker und in Einheit mit der Band, dass man als beteiligter Hörer Teil dieser Einheit werden kann, so berührend wirkt das Gefühl dieser Musik. Dick Shurman hat als Produzent eine transparente und klare Klangdisposition getroffen, die Williams' typischen Gitarrenstil, mit diesem bisweilen perlig-scharfen Ton seiner Red Lightnin' genannten Gibson perfekt abbildet.
Alles sind Eigenkompositionen, davon neun neue Titel, und gleich zu Beginn Jodys 'signature tune' mit dem unverkennbaren Lick. "Lucky Lou" in Neuauflage, hier mit Tinsley Ellis als zweitem Gitarristen. Das klingt noch so, als sei es vor 50 Jahren aufgenommen worden, nur mit besserem Klang.
Genauso fühle ich mich auf Zeitreise mit dem schleppenden Blues "Come Over To My House", mit Billy Boy Arnold an der Harp. Ein super Stück, what a feeeeeeeeling!
So gibt es noch einige Reminiszenzen an alte Zeiten, und wenn man "Moanin' For Molasses" lauscht, fasziniert es mich zu hören, wie sich der damals 21-jährige Sean Costello in den Song , dessen Titel er später für eine seiner Platten verwendete, integriert, er hat hier die Botschaft offensichtlich verstanden.
Mitreissend auch das von Jody aus voller Seele gesungene "She Found A Fool And Bumped His Head" mit dem satten Bläserarrangement! Ein Stück in feinster R'n'B-Tradition.
Packend ist es auch, wenn an Williams' Seite ein zweiter Gitarrist mitmischt, so auch trefflich gelungen zusammen mit Rusty Zinn auf "Jive Spot" oder bei "Brown Eyes And Big Thighs", wo Zinn ganz locker Williams' Worte »They make you want to act the fool! Just stay cool!« zum Besten gibt.
Ebenfalls ein Killer-Stück, das swingend rockt!
Lange nicht mehr hatte man bis zu diesem Zeitpunkt Chicago Blues gehört, der so authentisch und dennoch zeitgemäß zu vernehmen war. Wohl nicht umsonst wurde dieses Album im Jahre 2003 mit dem W.C.Handy Award für das 'Best Comeback Album of the Year' ausgezeichnet.
Schon heute ist dieses Album für mich in dieser Sicht ein Klassiker des zeitgenössischen Blues!
Line-up:
Jody Williams (vocals, guitar, maracas - #12)
Ronnie Baker Brooks (rhythm guitar, lead guitar - #7)
Allen Batts (piano, organ)
Harlan Terson (bass)
Kenny Smith (drums)

Special Guests
Billy Boy Arnold (harp - #2, vocals - #7)
Sean Costello (guitar - #5,6 vocals - #6 moans - #5)
Tinsley Ellis (guitar - #1,2 vocals - #12 moans - #5)
Rusty Zinn (guitar - #9,10 vocals - #10)

Horn Section:
Willie Henderson (baritone sax, arranger)
Hank Ford (tenor sax)
Kenny Anderson (trumpet)
Tracklist
01:Lucky Lou (4:49)
02:Come Over To My House (4:36)
03:Lifelong Love (3:07)
04:You May (4:37)
05:Moanin' For Molasses (3:22)
06:Monkey Business (3:38)
07:I'm Coming Back In Again (4:10)
08:She Found A Fool And Bumped His Head(6:18)
09:Jive Spot (3:26)
10:Brown Eyes And Big Thighs (5:07)
11:Wham Bam Thank You Ma'am (3:27)
12:What You Gonna Do? (3:52)
13:Henpecked And Happy (4:44)
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