Was haben Thüringens Landeshauptstadt und Amerikas Mekka der hochdotierten Countrymusik wohl gemeinsam?
Im Grunde recht wenig, gäbe es nicht jene von musikalischen Erfordernissen und songtechnischen Erbgütern väterlichseits gesegnete 'Erfurter Puffbohne', welche ihre spitzbübische Mission, das verkrustete und inzestuöse Establishment von Nashvilles Musikburgen samt aufoktroyierter Vorbehalte zu erweichen, bereits erfüllte.
Ein glückliches Händchen, jugendliche Beharrlichkeit plus ein Quäntchen Naivität verhalfen der Künstlerin zu insgesamt zwei fruchtbaren Audienzen in Tennessees Studio-Pantheons, Brutstätten so mancher musikalischer und vom American Way of Life genährter Meilensteine. Somit gelten für das thüringische Fräuleinwunder nebst seinem Mentor, Papa Joe, zwangsläufig die Fragen nach Segen oder klischeebehafteten Dogmen sowie einer höhergelegten Messlatte, mit welchen sich diese gegenwärtig konfrontiert sehen.
Möglicherweise könnte der durchaus kämpferische Titel der jüngsten Produktion auch als persönliches Motto ihres Kreuzzuges gegen alle industriedoktrierten Vorbehalte durchgehen oder eben nur als faustgeballte Durchhalteparole für eine weitere Jugend fressende Periode.
Tatsächlich wirbt Joons neuestes Werk "Revolujoon" weiterhin für das Prädikat Country-verwurzelter Vielfältigkeit mit dem verstärkten Hang zur Versöhnung von Pop-implizierter Weltgewandtheit und vom Schmirgelstaub karger Wüstenlandschaften patinierter Marlboro-Romantik.
Erstmalig zwischen heimatlichen Studiowänden und mit völlig runderneuerter Handwerksbelegschaft bedient Fräulein
Wolfsbergs Gefolgschaft zwar akustische Abziehbilder, rekapituliert dennoch mit streifenfrei polierter Brisanz ihre altbewährten Stärken - beschwingtes, aber stets erdiges und von weinerlicher Wildwest-Stilistik gereinigtes Americana-Liedgut.
Als wäre sie schon Jahrzehnte im Geschäft, evozieren
Joons Textanwandlungen mittlerweile die sehnsuchtserfüllte Poesie einer gereiften Beobachterin und verpackt diese, in ihrer Ode an den Inbegriff eines Großstadt-Molochs zugleich Gänsehaut raspelnde Melancholie, in einem kecken Halbballaden-Korsett.
Ansonsten umzingeln ohrkreischende Gitarren-Gepflogenheiten die ewig grölenden Mitklatsch-Dämonen sowie hymnischen Weltrettungs-Träumereien, schlagen anderseits neben ein paar belanglosen Neckigkeiten lyrische Fingerzeige auf die systematische Verdrängung amerikanischer Ureinwohner oder die prekäre Fettsucht einer reklamegesteuerten 'McKlops'-Generation.
Mit jugendlicher Schlaksigkeit und unverkalktem Herzblut klampfen sich die Protagonisten durch das stellenweise etwas überdrehte Gute-Laune-Repertoire und wildern sich unverhohlen durch Amilands musikalisch unverbrüchliche und in jenem schweißgetränkten Gemeinschaftsgefühl erschlossenen Territorien.
In ihrem Prozess der Selbstfindung liebäugelt das Vater-Tochter-Gespann zwischendurch noch häufiger mit den vorgekauten Erfolgsrezepten des Musikgeschäfts und rockenden Retorten-Cowgirls à la
Sheryl Crow, bekommt jedoch mit wohltemperierten Folk-Rock-Injektionen stets rechtzeitig die Kurve.
Etwas musikalisch grobgeschliffenere Wildedelsteine wie "Time To Turn" oder "Warning Signs" dürften wohl die Haltbarkeitsdaten vermeintlicher Ami-Gassenhauer locker überdauern und ein wenig schluffiges Boogie-Obers und
krautige Tasten-Rosinen aufs Altbackene einiger unausweichlicher Verwertungstropfen aus nimmermüden Summer of Love-Inspirationsquellen konservieren.
Handwerklich durchbrechen die teils noch unbeleckten und grünohrigen Studiofrischlinge sämtliche Altersblockaden und geben dem etwas üppig produzierten Ramschladen einen frischpubertären Grundanstrich.
Wolfsbergs Truppe brüstet sich dabei keinesfalls als Erneuerer eines oftmals in Traditionen verharrenden Alternative-Country-Genres, sondern erstrebt mit viel spielfreudiger Aufrichtigkeit den Konsens zwischen Nashvilles Cowboy-Mief und modischen Pop-Rock-Bastarden. Unter Mithilfe von alten Hasen wie ex-
Yardbirds' John Idan und Erfurts Blues-Urgestein
Ralf 'Zappa' Iben, erwachsen
Joons Eigenkreationen zu musikalisch generationsüberschreitenden Befreiungsschlägen und verschaffen echten Americana-Anhängern, trotz Mainstream schielender Ambitionen, ein angenehmes Bäuerchen.
Mit diesem wohlproportionierten Pfund 'Made In Germany' im Gepäck dürfte es der aufstrebenden Singer-Songwriterin und ihren "Männern" nun endlich gelingen, der ignoranten Fratze des Erfolgs eins auf die Zwölf zu drücken. Mag dieses ländliche Weite atmende, aber weltstädtisch beseelte Werk auch knapp die Americana-Bestplatzierungen verfehlen, gebührt der von reichlich Lebendigkeit und Schweiß durchtränkten "Revolujoon" eine Ausnahmeposition.