Längst haben sich selbstbewusste und von rockistischen Befreiungsschlägen angestachelte Ladies im vornehmlich vom Testosteron-Geschlecht dominierten Musikgeschäft ihren Stammplatz erkämpft. Selbst wenn noch heute unverbesserliche Hosenträger lauthals skandieren, musizierende Weiblichkeit würde ihr handwerkliches Können und aufgehübschten Rock'n'Roll mit aufreizendem Wackel-Po und Sexy-Wäsche kompensieren, wachsen Gitarren-rotzige Fräuleinwunder ständig nach. Spätestens mit
Patti Smith als Prototyp gestählter Rock-Feministinnen begannen sowohl phallusträchtige Musik-Territorien als auch unter der Ägide engstirniger Plattenindustrien amtierende Strukturen endgültig zu bröckeln. Mittlerweile thronen die einpeitschenden Weisheiten der
Mrs. Smith sowie krachige Ewigkeits-Hymnen anderer Weibsbilder in Musikgeschichte-trächtigen Ruhmeshallen und vermögen jetzt jung-mädchenhaften Musikerinnen wie
Joon Wolfsberg ein glücklicherweise ahnungsloses Lächeln zu entlocken.
Mit deren zarten vierundzwanzig Lenzen und mittlerweile drei Studioalben im Rücken verkörpert die süße Erfurterin nebst ihrer altklugen und vom Erwachsenen-Rock gnadenlos abgekochten Art wohl eher gern den Gegenentwurf abgeschmackt 'frischer' sowie eindimensionaler Pop-Tussen. In den gemeinsam mit Papa Joe erdachten Liedern schwingen einerseits der Erfahrungskosmos einer Teenagerdepression-Entwachsenen, andererseits countryfizierte Alltagsszenarien Klischee-verblendeter Roadmovies neben trotziger Fröhlichkeit kunterbunter Getränke-Werbungen. Kurzum, wir haben es mit einer jungen Lady zu tun, deren unglaubliche Biographie inklusive zweier Studio-Exkursionen nach Nashville sowie das Zusammenwirken mit legendenumwobenen US-Rockern jetzt schon ausreichend Stoff für rosarote Jungtalente-TV-Episoden liefern könnte.
Die durchaus gern als Singer/Songwriterin deklarierte Künstlerin erschafft mit der aufgedrehten Leidenschaft ihres neuesten Machwerkes gleichsam vollendete Hörbilder einer durch Whisky-Schweiß-Gemisch kontaminierten, Bars tingelted Gitarrera und von Tagebuch-Sehnsüchten verfolgten Rock-Chanteuse. Mit "The Deluxe Underdog" legt diese nunmehr ein von elektrifiziertem Alternativ-Rock gesäugtes Endprodukt mit dem Hauch staubigem Americana und einer Mindestportion Kraft-Blues-Ehrerbietung in die Regale.
Nach erstem Höreindruck erliegt man zunehmend jenem Gefühl, eine in songschreiberischer Nischenexistenz verbannte Musiker-Seele vollzöge ihren unmissverständlichen Befreiungsschlag und müsse ihren muckertümlichen Überlebenswillen mit überwiegend raubeinigen Stromgitarren-Arrangements unterstreichen. Ohne jegliche Kinkerlitzchen treiben
Joons Jungs ihre mit grober Klinge bearbeiteten Song-Konstrukte sowie manch kratzbürstiges Gitarrensolo erbarmungslos ins Trommelfell und zeugen durch hörbar gefestigtes Mannschaftsspiel von einer neuen Körperlichkeit. Dabei scheint es über weite Strecken, als wollte
Joons' mittlerweile beängstigend Lebens-gegerbtes und stimmlich mitunter überstrapaziertes Organ inmitten drängelnder Powerchords neu erkämpfte Freiheiten über Jahrzehnte erprobte Formen gießen. Mit wenigen Ausnahmen entfalten die Protagonisten ihre geradezu barbarisch erweckten Sinne fürs Grobe, attackieren
Toni Funks bratzige Gitarren-Schlachten sowie eine kristalline, jedoch wuchtig aufspielende Rückenstärkung Fräulein
Wolfsbergs schmachtend-mäanderte oder zickig-röhrende Sangesfindungen mit der unaufhaltbaren Kraft einer Abrissbirne. Und überhaupt scheint sich das gänzlich autonom wirkende Bandunternehmen bei seinem sowohl kräftig in texanische Volksmusik als auch fransigen Blues getunkten Indie-Rock wenig um musikalische Trends zu scheren. Außer reichlich atemlos geschundenen Saiten ergehen sich zappelig-belangloser Kirmes-Country ("Mama Told Me"), dem
Boss-verpflichtete Hemdsärmlichkeit ("Loose Balloon"), sämiger Rock-Mainstream ("Typhoid Mary") und musikalisch
Young'sches Hippie-Erbgut ("Plumbus Nightmare") in betont geschliffenen, dennoch urwüchsigen Klampfer-Rock-Traditionen. Textinteressierte entdecken neben banalen Feuchtträumen freiheitssuchender Alphamännchen sowie Plattitüden-herzenden Selbstfindungs-Rezepturen nicht nur spätpubertäre Standortauslotungen, sondern auch entschlossen tiefenpositionierte Anklagen in Richtung Gedanken manipulierender Systeme.
Ohnehin scheinen die Erfurter neuerdings großen Spaß daran zu haben, ihren teils von den musikalisch unerschöpflichen Abraumhalden geschürften Americana mit einer großen Kelle revoltierender Gitarren-Würze und gut abgehangenen sowie Hornhaut-raspelnden Sangesmatten authentischer zu verpacken. Nach dem vierten Teil eines kompositorisch irrwitzigen und rührselig zusammengefügten Puzzles von volkstümlich rohem US-Rock-Brauchtum und schwer zu zügelnder Grunge-Ästhetik könnten sich womöglich ihre Fans sowie recht freigiebig bediente Download-Sklaven in zwei Lager spalten. Aber bekanntlich ist der Weg das Ziel, und so dürfte ihr zunehmend ruppiger Gegenentwurf zum ewig singenden Cowgirl sowie das Optimierungs-Stadium zu bluesigerem Radio-Saatgut bodenständig umsichtige Musikverbraucher wieder versöhnlich stimmen.
Nachträglich sei zu erwähnen, dass die "Unlimited Edition" vier zusätzliche Yogamatten- sowie Kerzenschein-geeignete, sprich sogenannte 'Ohne Stecker'-Songversionen plus einem Radio-Mix zu bieten hat.