Kerle, was kochen die Emotionen auf den internationalen virtuellen Jazz-Seiten hoch, wenn von Mark Wingfields neuem Album, "Proof Of Light", die Rede ist. Von revolutionär bis visionär wird die gesamte Bandbreite positiver Adjektive bemüht und ohne diesem Grundtenor grundsätzlich widersprechen zu wollen, sollte man sich mal vergewissern, ob das 'Bremspedal' noch funktioniert.
Fraglos handelt es sich bei "Proof Of Light" um ein starkes Album, das den klassischen Jazz Rock/Fusion um breit gefächerte 'progressive' Elemente bereichert. Allerdings bedient sich Mark Wingfield mit seinem seidig-melodischen Sound großzügig bei den Künstlern, denen das sagenumwobene Münchner ECM Label von Mitte der Siebziger bis Anfang der Achtziger die ganz große Bühne bot. Wenn "Proof Of Light" - wie bei "Voltaic" und dem Titelsong - mal in freejazzigere Bereiche aufbricht, steht auch Pat Metheny mit seinem großartigen "80/81"-Doppelalbum Pate.
Wenn es aber um die zitierten 'revolutionären' Ansätze geht, haben Wingfields Labelkollegen, wie Tohpati und (vor allem) Moraine, dann doch die berühmte Nasenspitze vorne. Bei den 'visionären' Quellen schürft Antoine Fafard vielleicht eine Nuance tiefer... Beide Anmerkungen sollen die Klasse von "Proof Of Light" keinesfalls schmälern! Doch hier schlummert Potenzial für (noch) mehr...
Der Wahlengländer mit US-amerikanischen Wurzeln beruft sich in seinem Spiel auf John Coltrane wie Jimi Hendrix gleichermaßen - was für Dimensionen! Und in der Tat: Coltranes Art, die Stücke geschmeidig fließen zu lassen, kommt gleich mehrfach zum Vorschein. Auch Hendrix' packend-zubeißendes, innovatives Spiel blitzt einmal, ausgerechnet beim freejazzigen "Voltaic", auf. Hier beweist Mark Wingfield fraglos, dass er ein ganz Großer werden kann.
Der Anteil seiner beiden vielbeschäftigten Mitstreiter, Yaron Stavi (Kontrabass) und Asaf Sirkis (Schlagzeug), darf - hinsichtlich des überragenden Gitarrenspiels - keinesfalls unterbewertet werden, gleichwohl sie auf "Proof Of Light" eher 'klassisch' agieren. Doch auch sie erhalten - Stavi auf "The Way To Etretat", Sirkis beim "Summer Night's Story" oder dem Titelsong - Freiräume, die sie virtuos zu nutzen verstehen.
Mit 'singenden' Gitarrenlinien und 'elastischen' Bassläufen startet "Mars Saffron" aufs Angenehmste in den neunteiligen Songreigen. "Restless Mountains" nimmt diese harmonische Grundstimmung auf, sorgt aber mit reichlich eingestreuten, überraschenden Breaks für tiefe Schluchten im Massiv - um jetzt mal im Bild, das der Titel vorzeichnet, zu bleiben. In "The Way To Etretat" glänzt - wie schon angedeutet - Yaron Stavi mit einem stimmungsgerechten Bass-Solo. Auch die Bassfiguren in "A Thousand Faces" sorgen für einen glänzenden Kontrapunkt zur durchgängig vorzüglichen Gitarrenarbeit.
Am besten gefallen mir persönlich die atmosphärisch-dichten Jazz-Balladen - also: "A Conversation We Had", "Summer Night's Story" und "Koromo's Tale". Vor allem "Summer Night's Story" durch die gut eingefügten Soli aller drei Musiker... Angesichts der ungewöhnlichen Klangbilder ist man gelegentlich geneigt, einen Guitar Synth hinter so manchem Sound zu vermuten.
Aber auch die Freunde 'härteren' Jazz-Stoffs kommen mit den virtuos vorgetragenen Stücken "Voltaic" und "Proof Of Light" auf ihre Kosten. Hier werden die ansonsten eher sphärischen Klänge zu Gunsten sehr viel 'freierer' Strukturen aufgegeben. So hat jedes einzelne Stück sein ganz besonderes Flair...
Acht Jahre hat sich Mark Wingfield für sein neues Solo-Album genehmigt. "Proof Of Light" dürfte seinen Insiderstatus als einer der besten neuen Jazz-Komponisten der britischen Szene festigen. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Umstand schnellstens herumspricht - aus dem In- ein Outsider wird...
Line-up:
Mark Wingfield (guitars)
Yaron Stavi (upright bass)
Asaf Sirkis (drums)
Tracklist |
01:Mars Saffron (6:10)
02:Restless Mountains (4:15)
03:The Way To Etretat (7:56)
04:A Conversation We Had (4:50)
05:A Thousand Faces (3:23)
06:Voltaic (8:38)
07:Summer Night's Story (5:41)
08:Koromo's Tale (5:16)
09:Proof Of Light (7:06)
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