Nils Wülker / Up
Up Spielzeit: 55:57
Medium: CD
Label: Warner Music, 2014
Stil: Pop Jazz

Review vom 01.03.2015


Wolfgang Giese
Denkt man an Deutschland und Jazz, dann steuern viele unweigerlich auf den Trompeter
Till Brönner zu, ist er doch einer derjenigen, die dazu beigetragen haben, dass Jazz in einem gewissen Rahmen 'salonfähig' wurde. Nun, ist es wirklich der Jazz, den wahre Jazzfreunde mögen? Das sei dahingestellt und lenkt davon ab, dass ich bemerken wollte, man solle hinsichtlich des Instruments hierzulande auch noch an Nils Wülker denken.
Genauso wie seine Kollegen ist dieser Musiker nicht zwingend jemand für die typische Schublade Jazz. Das ist ganz eindeutig Fusion, bestehend aus Elementen des Jazz, verbunden mit ganz viel Groove, mit Popelementen und somit sehr zugänglich auch für all jene, die Jazz eigentlich gar nicht mögen. Hinzu kommt, dass Wülker über einen stark lyrischen Ton verfügt, ein großer Melodiker ist und stressgeplagten Seelen somit nicht weh tut. Sein warmer, satter Ton auf Trompete und Flügelhorn klingt oft verträumt gedankenverloren und repräsentiert somit eher die Atmosphäre eines Chet Baker als die eines wild aufspielenden Hannibal Marvin Peterson. Aber ich mag alle drei mit ihren Spielweisen, denn jedes Ding hat seine Zeit, und wenn Zeit ist für Wülker, dann bekommt sie auch gut.
Hymnenartig startet das Album mit "Dawn" und bietet unglaubliche Entspannung und Entschleunigung. Zum Einstieg eine solche schöne Ballade zu bringen, ist eine gute Wahl gewesen. Ähnlich entspannend zieht die Musik weiter ihre Kreise, allerdings gesellt sich auf "Season" der erste von acht Gesangsgästen hinzu. Hier ist es Max Mutzke, der mit engagiertem Gesang und seiner soulgetränkten Stimme wesentlich zum Gelingen beiträgt. Im Gegensatz zu Wülkers bisherigen Platten halte ich diese für noch mainstreamiger, mit stärkeren Popanteilen, gerade durch die gesangsunterstützten Songs. Aber wie angenehm wäre es doch, wenn jede Popmusik derart hochwertig dargeboten werden würde. Vom Jazz hat sich der Trompeter mit "Up" sicher weit entfernt, und wenn bei dem Stück "Confluence" noch die Streicherarrangements hinzustoßen und die sanft gespielte Trompete seidig umschmeicheln, dann sind wir mittendrin in gefälliger Unterhaltungsmusik. Aber ist es nicht so, dass man früher oft solche Orchesterleiter und Komponisten wie Kaempfert, Mancini und Co. belächelt hat ob ihrer oft vorherrschenden Zuckersüße in der Musik? Und doch gelten sie und andere doch mittlerweile als anerkannte Klassiker ihres Genres. Warum sollen sich zeitgenössische Musiker und Komponisten nicht auch auf diesem gepflegten Unterhaltungsterrain bewegen? Jedenfalls gelingt es mit diesem Album und Tracks wie dem eben genannten durchaus, niveauvolles Wohlgefühl zu verbreiten.
Aber hallo! "Three Grains Of Saffron" durchbricht plötzlich die ruhige Stimmung und mit sattem Groove prescht es plötzlich energisch davon. Yeah, ein cooler Funk, gesungen von David McAlmont. Danach wird es erst wieder etwas lebhafter, wenn mit Sasha das Tempo sanft und lässig wieder angezogen wird. Schade finde ich jedoch bei diesem sowie dem einen oder anderen Song, dass hier das Drum Programming zu sehr im Vordergrund steht. Eine bestimmte Stimmung, eine sehr moderne Ausrichtung mag damit angeschnitten worden zu sein, doch stören solche Zutaten den harmonischen Fluss und reißen mich unangenehm aus sanften Träumen. Gleichwohl vermag der Protagonist bei diesem Song mit einem kurzen Trompetensolo dies wieder ein wenig wett zu machen.
Wir kommen zum Schluss: Noch einmal instrumental, noch einmal ganz getragen und verträumt, mit Unterstützung eines elastisch aufspielenden Double Basses und klar klingender Gitarre versetzt mich der dann einsetzende Groove in eine angenehme Stimmung, die mich gedanklich tanzen lässt. Gelungen ist "Up" allemal - für Jazzer mit Sicherheit eine große Enttäuschung, für Pop-Fans möglicherweise eine gute Annäherung an das, was sie unter Jazz verstehen. Für alle anderen stressgeplagten Seelen handelt es sich um sicherlich angenehme und unaufgeregte Musik auf hohem Qualitätslevel. To whom it may concern, wie man in Großbritannien schreibt…
Nichtdestotrotz wünschte ich mir von Wülker wie auch von Brönner einmal ein richtig schönes Jazzalbum. Ich empfehle hierzu vielleicht eine sicher für beide Musiker passende Zusammenarbeit wie von Enrico Rava und Paolo Fresu auf deren gemeinsamen Album "Shades Of Chet"!
Line-up:
Nils Wülker (trumpet, flugelhorn, organ - #11, Wurlitzer piano - #13, programming - #12, 13, percussion - #1,9,10)
Arne Jansen (electric and acoustic guitars)
Lars Duppler (piano - #5, Fender Rhodes - #7, Wurlitzer piano - #3,6, Moog synthesizer - #11,13)
Edward McLean (double bass - #3-5,8,11,13, electric bass - #6,7,12)
Benny Greb (drums - #2-7,11,13)
Peter-John Vettese (piano - #2, Hammond organ - #10-13, clavinet - #7, electric piano - #11, bass - #2, programming - #11, string arrangements)
Craig Armstrong (piano - #8)
Markus Vollmer (guitar - #4)
Mathias Grosch (piano - #4,6,12, Hammond organ - #4, guitar - #4, synths - #12, programming - #12)
Joey Dosik (piano - #1,9,10, Hammond organ -#1,9)
Nick Rosen (double bass - #1,9,10)
Mocky (drums and percussion - #1,9,10)
Plus strings
Tracklist
01:Dawn
02:Season (feat. Max Mutzke)
03:A Fine Line
04:I Just Want To Play (feat. Xavier Naidoo)
05:Confluence
06:Homeless Diamond (feat. Lauren Flynn)
07:Three Grains Of Saffron (feat. David McAlmont)
08:Kelvingrove (feat. Craig Armstrong)
09:Worth The Wait (feat. Jill Scott)
10:Bridges
11:Keeps On Walking (feat. Sasha)
12:Reading Kafka On The Shore (feat. Ozark Henry)
13:Prism
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