Unsere Vorfreude auf den heutigen Abend ist besonders groß, da wir die Gelegenheit haben, mit einem begnadeten Künstler zu sprechen und seinem Konzert beizuwohnen. Die Rede ist von Ray Wilson und seiner Band Stiltskin, und so machen wir uns auf den Weg in die gemütliche Halle des Postbahnhofs. Inzwischen zählt Ray schon zu den Dauergästen in Berlin, spielt er doch mit seinen verschiedenen Musikprojekten in regelmäßigen Abständen in der Hauptstadt. Ray sitzt gelassen auf einem Ledersofa als wir den Aufenthaltsraum betreten und beschäftigt sich mit seinen Online-Fans. Während Mike das Interview aufzeichnet und zahlreiche Bilder einfängt, beginne ich ohne zu zögern mit dem Interview und ich kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass sich aus geplanten 30 Minuten eine ganze Stunde ergeben wird. Zwischen mir und Wilson stimmt die Chemie. Wir, in absoluter Redelaune, schieben uns während des Gespräches die Bälle nur so zu und driften dabei zunehmend in den persönlichen Bereich ab.
Rocktimes: Hallo Ray, herzlich Willkommen zurück in Berlin.
Ray Wilson: Danke schön, es ist immer wieder eine Freude in Berlin zu sein und hier zu spielen.
Rocktimes: Du hast in diesem Jahr schon oft hier gespielt, was zieht Dich immer wieder nach Berlin?
Ray: Ich liebe diese Stadt und sehe gerne, wie sich Berlin ständig weiterentwickelt. In diesem Jahr bin ich mit allen meinen Bandprojekten hier gewesen. Ich spiele oft Akustik-Konzerte im kleineren Rahmen, dann war ich mit Klassik-Begleitung hier und nun mit Stiltskin.
Rocktimes: Wirst du heute mit deiner Band auch Songs aus deiner Zeit bei Genesis spielen?
Ray: Mit Stiltskin spiele ich grundsätzlich nur Songs die ich selbst komponiert habe. Einzige Ausnahmen sind zwei von damals, "Congo" und "Calling All Stations". Ich habe oft ein großes Problem mit dem Publikum. Es sind immer viele darunter, die mich aus der Genesis-Zeit kennen und natürlich die Songs hören möchten. Aber diese Fans müssen verstehen, dass diese Zeit lange vorbei ist, und meine Hauptband ist nun einmal Stiltskin und diese Musik. Ich weiß, dass es schwer ist, jedem gerecht zu werden.
Rocktimes: Im Rahmen deiner Genesis-Klassik-Konzerte spielst du mit dem Berliner Symphonischen Orchester zusammen. Wie hat sich diese Zusammenarbeit ergeben?
Ray: Nun, das ist jetzt etwa drei Jahre her, da habe ich in Pillnitz bei Dresden gespielt. Das Orchester ist zufällig dort gewesen und sie haben mich gefragt ob ich mir vorstellen könnte, einige Streicher in meine Show einzubauen. Ich habe mir dann darüber Gedanken gemacht und gesagt, dass es O.K. wäre. Schloss Pillnitz wäre eine wunderbare Location um so etwas zu veranstalten. Bereits während der Show habe ich gemerkt, dass es dem Publikum gefällt und daraus hat sich ergeben, dass wir dieses Projekt weiter entwickelt haben und daraus Genesis-Klassik entstand. Zum Anfang haben sich einige Songs weniger gut, aber Andere sehr gut angehört. Wir haben die schlechteren Songs intensiv weiter entwickelt und daraus ist ein beachtliches Programm entstanden.
Rocktimes: Ray, du wirst heute Abend deine neue CD vorstellen. Für deutsche Zungen ein etwas schwieriger Titel, "Unfullfillment".
Ray: Ja, "Unfullfillment" ist, ebenso wie Stiltskin, für Deutsche schwer auszusprechen. Du musst ihn einfach zehn Mal nacheinander sprechen, dann klappt es schon.
Rocktimes: In welche Richtung geht die Musik auf der neuen CD? Mehr in Richtung Melodic oder in die härtere Schiene?
Ray: Es ist wieder eine Mischung aus beidem, mit Tendenz zum Harten. Ich liebe es auch, mal eine kräftige Rock-Gitarre zu spielen und somit das Publikum mitzureißen. Ebenso befinden sich auch einige Akustik-Elemente auf der CD. Manche Songs werden auch mit einem Piano beginnen und untermalt. Es ist schwer zu beschreiben, es ist einfach ein Rock-Album.
Rocktimes: Auf deiner Webseite haben ich gesehen, dass du einige neue Musiker in deiner Band hast. Du arbeitest auch wieder mit deinem Bruder zusammen.
Ray: Ja, Steve ist in der Band. Ich arbeite mit ihm schon seit meinem 14. Lebensjahr zusammen. Zwischenzeitlich, so für drei bis vier Jahre, hatte er mal die Band verlassen. Wir hatten etwas Streit, so wie es unter Brüdern vorkommt, aber nun ist er wieder zurück und wir verstehen uns besser denn je. Ali Ferguson spielt ebenfalls Gitarre, er ist auch aus Schottland, so wie ich. Dazu habe ich ein Paar Violinen, gespielt von zwei sehr hübschen Frauen. Beide sind sehr talentiert, das ist sehr wichtig, schön und talentiert (lacht).
Rocktimes: Als wir eben im Saal an der Bühne vorbei gegangen sind, ist mir aufgefallen, dass dein Drummer hinter einer Glaswand sitzt. So etwas sieht man nur bei Klassik-Konzerten.
Ray: Ja, das haben wir deshalb gemacht, damit sich die Violinen nicht mit den Drums stören, da sie leider sehr dicht nebeneinander spielen müssen. Das ist so üblich wenn Streichinstrumente direkt neben den Drums angeordnet sind. Zusätzlich kommt noch der Sound der Monitorboxen hinzu und der Tontechniker hat jede Menge Arbeit, um einen reinen Klang zu bekommen. Je kleiner der Saal ist, umso schwieriger ist es, das zu koordinieren. Für diese Show ist es bei den meisten Songs das Beste, den Drummer hinter Glas zu setzen.
Rocktimes: Ray, in diesem Jahr feierst du dein zwanzigjähriges Bühnenjubiläum, wie fühlst du dich dabei?
Ray: Alt (lacht), nein Spaß beiseite. Ich fühle mich reifer, meine Stimme klingt besser, ich habe in allen Dingen wesentlich mehr Erfahrung. Meine Songs sind besser und ich denke, dass Alter eine gute Sache ist und ich bin ja erst 43 Jahre alt.
Rocktimes: Über die vergangenen Jahre hast du mit sehr vielen bekannten Musikern zusammen gespielt. Mit wem hat es dir am meisten Freude gemacht und was waren deine schönsten Erinnerungen?
Ray: (Überlegt lange) Ich habe einige Shows mit Dolores von den Cranberries gemacht. Sie ist wirklich eine großartige Frau, wir haben zusammen gesungen und es war eine tolle Erfahrung für mich. Ich habe mit Ten Years After und Joe Jackson Songs zusammen komponiert. Mit den Scorpions habe ich beim Classic-Open-Air zusammen gespielt, es war großartig. Wenn man mit so einer Band auf der Bühne steht und mit ihnen nur einen Song zusammen singt, das vergisst man in seinem ganzen Leben nicht mehr. Ich habe auch mal mit DJ's zusammen gesungen. Sie haben Platten aufgelegt und ich habe als Solist die Texte gesungen. Es war eine völlig neue Erfahrung. Es ist wie Playback-Singen. Für mich ist es wichtig, Veränderungen zu erleben. Ich liebe es in Variationen zu arbeiten. Das ist auch der Grund, weshalb ich in kurzer Zeit immer wieder mit meinen verschiedenen Projekten auftrete. Das macht natürlich eine Menge Arbeit, aber ich mache das alles sehr gerne. Dazu kommt, dass ich immer für meine Fans da bin, viele Autogramme gebe und immer für jeden da bin.
Rocktimes: Ray, hast du schon Pläne für die Zukunft?
Ray: Ja, im Januar fange ich an neue Songs zu schreiben. Ich habe wieder jede Menge Ideen. Dann möchte ich so etwas machen wie die DVD von David Gilmour, "Live In Gdansk". Nebenbei werde ich einige Klassik-Songs für Filmmusik komponieren. Alles auch so wie es Peter Gabriel mit Orchester gemacht hat. Vielleicht schaffe ich es auch ein neues Stiltskin-Album zu machen. Ich fühle mich zur Zeit in einer sehr kreativen Phase und das muss ich ausnutzen. Die Dinge können sich heute so schnell ändern.
Rocktimes: Du hast noch ein anderes Nebenprojekt mit Namen CUT. Kannst du etwas darüber erzählen?
Ray: CUT war das erste Projekt, das ich nach Genesis gemacht habe. Die Songs habe ich alle schon geschrieben, bevor ich mit Genesis gearbeitet hatte. Die Songs waren alle sehr harmonisch. Dann kam meine Zeit mit Genesis und ich habe mich extrem schnell weiter entwickelt. Diese Zeit hatte noch einmal einen großen Einfluss auf die bereits vorhandenen Songs und ich habe alles noch einmal neu geschrieben. Ich habe in alle Songs ein Keyboard eingefügt, da ich bei Genesis gelernt habe welche Möglichkeiten sich einem damit auftun. Deshalb habe ich jetzt auch bei Stiltskin ein Keyboard. Diese ganze damalige Zeit hat mir die Richtung für die Zukunft gewiesen.
Rocktimes: Als du damals mit Genesis gearbeitet hast, wie hast du dich zu dieser Zeit gefühlt und wie ist es zustande gekommen, dass sie sich für dich entschieden haben? Haben sie einfach so bei dir angerufen und gefragt ob du singen willst?
Ray: Ja, so in etwa ist es gewesen. Irgendwie haben sie mich mal gehört und haben dann meinen Manager angerufen und ihn gebeten, dass wir mal ein paar Songs zusammen singen sollten. Natürlich waren da noch viele andere Sänger, die den Job unbedingt haben wollten, doch am Ende haben sie sich für mich entschieden.
Rocktimes: Es muss doch für dich sehr schwer gewesen sein, in diesem Alter in die Fußstapfen von Phil Collins zu treten. Die Fans bei den Konzerten haben doch eine sehr große Erwartungshaltung.
Ray: Es war für mich wie ein Wettkampf. Ich habe ja damals Songs von Peter Gabriel, Phil Collins und von mir gesungen. Es war eine Herausforderung zu sehen, wie das Publikum bei den verschiedenen Songs reagiert. Ich musste drei verschiedene Musik-Stilrichtungen singen. Wenn ich jetzt beim Genesis-Klassik die Songs singe, dann auf meine Art. Ich habe Vieles verbessert und durch die lange Zeit haben sich die Songs weiter entwickelt.
Rocktimes: Ray, wenn du jetzt noch immer bei Genesis singen würdest, hättest du trotzdem Stiltskin gegründet?
Ray: Ich denke, das hätte ich. Beide Projekte würden sich vermutlich gegenseitig ergänzen. Über die Jahre haben sich die alten Songs, die ich bei Genesis gesungen habe, der Musik von Stiltskin angepasst. Wenn ich heute "Follow You, Follow Me" singe, dann denken die jüngeren Fans, es wäre ein Song von mir. Stell dir mal junge Menschen vor die vielleicht um die zwanzig Jahre alt sind, woher sollen sie wissen, was ich damals gemacht habe? Viele wissen noch nicht einmal, dass ich damals bei Genesis gesungen habe und auch Titel dafür komponiert habe. In all den Jahren ist es alles Eins für mich geworden und ich bin stolz darauf, dass ich diese Zeit erleben durfte.
Rocktimes: Kannst du dich in dem Zusammenhang daran erinnern, wie du zur Musik gekommen bist?
Ray: Alle in meiner Familie waren Musiker und so war es für mich selbstverständlich, dass ich auch Musiker werde, habe als Kind angefangen Gitarre zu spielen und ab und zu gesungen. Mein Großvater spielte Violine, meine Großmutter war Sängerin, Mein Vater spielte Lead-Gitarre, mein Bruder spielt Gitarre und so bin ich von allen Seiten beeinflusst worden. Die Schule, in die ich gegangen bin, hat regelmäßig Rock-Konzerte veranstaltet, manchmal drei Abende in der Woche und da ist mein Talent ebenfalls sehr gefördert worden. Ich hatte dort die Gelegenheit, viele Instrumente zu lernen. Damals war es die Zeit des New Romantic und Punk und meine erste Band war eine Metal-Band. Als ich das erste Mal auf der Bühne stand, kam ich mir vor wie in einem Blues-Brothers-Sketch. Ein einzelner Scheinwerfer hat mich von oben angestrahlt und in diesem Moment habe ich gefühlt, dass es mein Leben ist in diesem Scheinwerferlicht zu stehen. Es war wie ein Fingerschnippen und ich wusste, dass es das ist. Und bis heute ist es dabei geblieben. Das bin ich und ich liebe es.
Rocktimes: Hast du jemals irgendwelche Drogen genommen um deine Songs zu komponieren oder zu singen und dem Druck auf der Bühne standzuhalten?
Ray: Nein, zum Glück brauchte ich so etwas nicht. Klar habe ich mal mit Zigaretten experimentiert, aber dabei ist es auch geblieben. Natürlich habe ich, so wie alle Menschen, Höhen und Tiefen im Leben, aber um diese Berge und Täler zu bewältigen habe ich keine Drogen gebraucht. Ich finde, dass Drogen nur das Leben zerstören.
Rocktimes: Ray, wir müssen leider zum Ende kommen und ich möchte mich für deine Zeit und das tolle Gespräch bedanken.
Ray: Ebenfalls vielen Dank und Grüße an die Leser von RockTimes. Sag mal, wie ich an deinem Shirt sehe fährst du Motorrad? Bist du öfter auf Harley-Veranstaltungen?
Rocktimes: (Jetzt in die Ecke des Interviewten gedrückt) Ja, ich fahre seit über dreißig Jahren die amerikanische Marke und bin damit schon fast überall in Europa gewesen.
Ray: Warst du schon mal in Schottland? Dort ist die Landschaft sehr schön und es gibt auch viele Motorradveranstaltungen.
Rocktimes: Ich muss zugeben, dass ich etwas ängstlich mit dem Linksverkehr bin und habe es deshalb vermieden in Großbritannien zu fahren.
Ray: Ach, das hast du nach zehn Minuten drauf. Ich habe schon sehr viele Deutsche mit ihren Harleys in den Highlands gesehen. Es geht mir ja auch so wenn ich in meiner neuen Heimat fahre. Vielleicht weißt du, dass ich seit geraumer Zeit in Polen lebe, in Poznan, etwa 300 Kilometer von Berlin. Meine Frau ist aus Polen und deshalb bin ich dort hingezogen. Es wird Zeit, dass sie endlich die neue Autobahn fertig kriegen, dann bin ich noch öfter hier in Berlin. Ich habe ein deutsches und ein britisches Auto hier, also ich sitze mal links und mal rechts. Ich gewöhne mich schnell daran. Du musst nur aufpassen, wenn du von einer Tankstelle wegfährst.
Rocktimes: Ich habe schon Schwierigkeiten wenn ich in London bin und über die Straße gehe. Ich bin beinahe mal überfahren worden weil ich statt nach rechts, nach links geschaut habe. Deine neue Heimat Poznan ist ja nicht so weit, da kann ich dich im Sommer mit dem Motorrad besuchen kommen und wir fahren eine Runde zusammen spazieren.
Ray: Klasse Idee und ich zeige dir dann dort die Gegend.
Rocktimes: Sprichst du Polnisch? Ich kann kein einziges Wort. Wie unterhältst du dich mit deiner Frau?
Ray: Nein, ich spreche kein Polnisch und habe auch echte Schwierigkeiten beim Einkaufen oder wenn ich was lesen muss. Mit meiner Frau rede ich nur englisch.
Rocktimes: Dein Manager drängelt etwas, dass du langsam auf die Bühne musst. Wir bleiben in Kontakt und machen mal was aus. Viel Spaß bei der Show und bis gleich im Saal.
Nach dem Interview haben Mike und ich noch ausreichend Zeit, uns die besten Plätze vor der Bühne zu sichern, damit unsere Fotoapparate auch noch genügend Arbeit bekommen. Ein wenig Small Talk mit den Damen des anwesenden Fan-Clubs gehört ebenso zum guten Ton, wie sich mit einigen Pressekollegen auszutauschen. Obwohl nicht angekündigt, bietet der Programmablauf einen kleinen Support, um das vollzählige Publikum auf einen sehr langen Abend einzustimmen. Eine Dreierformation, bestehend aus Musikern von Stiltskin, gibt sich für zwanzig Minuten die Ehre, um ihren Hang zum Melancholischen freien Lauf zu lassen. Gitarrist Ali Ferguson, der niemals lächelt, sowie die Brüder Lawrie und Ashley McMillan am Bass und den Drums, bringen Töne zu Gehör, die sich stark im sehr ruhigen Prog-Rock Bereich bewegen. Mike und ich sind überrascht und angenehm angetan. Bei Alis Gitarrenspiel sind deutlich die Einflüsse von David Gilmour, seines Zeichens Mitglied bei Pink Floyd hörbar und seine Töne werden vom Publikum begeistert beklatscht.
Eine Umbaupause ist heute nicht von Nöten und so geht es fast nahtlos in das Hauptprogramm über. Mit einer Warnung über das umfangreiche Songmaterial lässt es Ray erst einmal ruhig angehen. Fast ausschließlich mit einer Akustik-Gitarre bewaffnet, singt und spielt er den ersten, elf Tracks umfassenden Block seines Konzerts und steigert sich dabei von Song zu Song. Seine Band Stiltskin legt ihm dazu einen schönen Klangteppich und die beiden reizenden Beauties an den Violinen bieten den passenden optischen Effekt. Herausragende Stücke sind dabei "Propaganda Man" sowie die beiden Genesis-Klassiker "Congo" und mein Favorit des ganzen Abends, "Calling All Stations". Bei geschlossenen Augen habe ich tatsächlich das Gefühl Genesis zu hören, so druckvoll und perfekt spielt die Band dieses Stück. Dass auch ein gestandener Musiker und Sänger wie Ray Wilson nur ein Mensch ist, zeigt er uns unverblümt als er den Titel, "Razorlite", anstimmt. Verlässt ihn doch zu Beginn der ersten Strophe der Text und mit ein paar gekonnten Witzen über seine Unfähigkeit bringt er die Leute im Saal zum Lachen. Sympathischer kann ein Superstar kaum sein und die Stimmung steigt durch diese ungewollte Einlage nur noch mehr an.
Leider legt die Band nach diesem Höhepunkt eine kleine Pause ein, die zum Glück schon nach zehn Minuten beendet ist. Dass es im zweiten Block etwas härter zur Sache geht ist sofort zu erkennen, als Ray zur E-Gitarre greift. Jetzt wird erst einmal schnell und heftig abgerockt. Bruder Steve Wilson reißt ebenfalls stärker an den Saiten und sein Gitarrenkollege Ferguson traktiert mit Fußtritten seine Effektpedal-Batterie am Boden, um aus seinen verschiedenen Gitarren stets den optimalen Sound für seine Soli zu holen. Die Violinen der beiden Schönheiten im hinteren Bereich der Bühne gehen dabei völlig unter und für einen Zeitraum von mehreren Songs sind sie leider nur schmückendes Beiwerk.
Umso mehr ist jetzt der Drummer zu hören, der abgeschieden hinter einer Plexiglaswand kauert und durch die spiegelnden Scheiben im Verborgenen bleibt. Stetig treibt er die Band mit seiner Bassdrum an und der Geräuschpegel steigt von Minute zu Minute nach oben. Ray muss zusehends seine Stimme erheben um den Text noch verständlich singen zu können. Scheinbar hat die Menge im ausverkauften Saal nur darauf gewartet und bricht in wahre Euphorie aus. Jetzt wird auch zu den Stücken getanzt und kollektiv mitgeklatscht. An den verzückten Blicken der vielen anwesenden Frauen ist zu erkennen, dass sie diesen Ray besonders mögen. Er erinnert die Frauenwelt in diesem Moment bestimmt an einen Cowboy, der auf einer Farm wilde Mustangs zureitet. Gekleidet in zerrissene Jeans und ausgewaschenem T-Shirt, mit Fünf-Tages-Bart und zerzausten Haaren, ein kleiner, aber liebenswerter Macho, der weiß wo es lang geht und sich nimmt was er braucht. Ich habe in diesem Augenblick das Gefühl, den Frauen hinter mir im Weg zu stehen. Als die Band dann noch ihren größten Hit und letzten Song des offiziellen Teils, "Inside" anstimmt, gibt es kein Halten mehr. Frenetischer Jubel schallt durch den Saal und alle reißen die Hände hoch.
Inzwischen sind weit über zwei Stunden vergangen und das Konzert geht in die letzte Runde. Wer aber nun denkt hier mit zwei Zugaben abgespeist zu werden, irrt gewaltig. "American Beauty" und "The 7th Day" heißen die letzten beiden Nummern von Stiltskin, bevor sie in ihre Ahnengalerie greifen. "Wish You Where Here" von Pink Floyd, "Solesbury Hill" von Peter Gabriel, "Knockin' On Heavens Door" des Meisters Bob Dylan und zu guter Letzt "One" von U2 bieten einen überraschenden, aber sehr gelungenen Ausklang eines dreistündigen Konzertes von Ray Wilson und seiner Band Stiltskin.
Line-up:
Ray Wilson (vocals, guitar, bongo)
Steve Wilson (guitar)
Ali Ferguson (guitar)
Lawrie McMillan (bass)
Ashley McMillan (drums)
Filip Walcerz (keyboard)
Barbara Szelagiewicz (violin)
Alicja Chrzaszcz (violin)
Setlist:
Bless Me
Another Day
Propaganda Man
Goodbye Baby Blue
First Day Of Change
Lemon Yellow Sun
Congo
Calling All Stations
More Than Just A Memory
Shipwrecked
Razorlite
Fly High
Ought To Be Resting
Voice Of Disbelief
Change
Sarah
Tale From A Small Town
Not About Us
The Airport Song
Constantly Reminded
Guns Of God
Footsteps
Inside
American Beauty
The 7th Day
Wish You Where Here
Ever The Reason
Solesbury Hill
Knockin' On Heavens Door
One
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