Wer hat es noch nicht erlebt? Man geht zu einem Konzert und es beeindruckt einen ein Musiker, den man vorher gar nicht auf der Rechnung hatte. Mir ist es bei einem Konzertbesuch von Jessy Martens so ergangen, die zwar ihrem Ruf als glänzende Sängerin vollkommen gerecht wurde, aber es war ihr Gitarrist Roman Werner, der mich am meisten zu überzeugen wusste. Und obwohl die Jessy Martens-Aktie nach wie vor positiv bewertet wird, hat sich der Hamburger Ausnahmegitarrist 2013 - warum auch immer - entschlossen, die Erfolgsband zu verlassen, um sich anschließend selbstständig zu machen.
Bezogen aufs 'Warum auch immer' habe ich nach dem ersten Hörgang eine Ahnung, weshalb sich der Sechssaiten-Champ vor gut zwei Jahren entschloss, eigene Wege zu gehen. Doch der Reihe nach... Für die Gestaltung des Covers hat Roman Norbert Mehl beauftragt, der mit zwei ausdrucksstarken Fotos (Vor- und Rückseite) das Album appetitanregend in Szene gesetzt hat. Für den Inhalt von "Blazing Suns" ist der Protagonist fast allein verantwortlich, denn alle Songs des Silberlings stammen aus seiner Feder. Doch um Werners Debütalbum dem Musikfreund erfolgversprechend anzubieten, hat er sich mit Gordon Domnick einen mir noch unbekannten Sänger ins Boot geholt, dessen Stimmbänder ich mit einem 'Sehr gut' einstufe. Vor allem, weil er die Fähigkeit besitzt, sowohl sehr rockig zu singen als auch - höre Finaltrack "Lay Down Beside You" - gefühlvoll Balladen vorzutragen. Den Job an der Muckibude hat Tim Stahlschmidt bekommen und so wie es sein Nachname andeutet, sind seine Arme weder mit Babybrei oder anderen Weichmachern gefüllt, sondern dürften aufgrund seiner gebotenen dynamischen Schlagsalven eher aus knallhartem Krupp-Stahl bestehen. Passend dazu zupft der Tiefton-Experte Martin Glaser ebenfalls sehr kraftvoll an den dicken Saiten, ohne dabei das gewünschte Taktgefühl zu vernachlässigen. Die zwei Metrum-Spezis halten ihrem Soloartisten komplett den Rücken frei, damit sich dieser, wenn er nicht gerade selbst als Rhythmusklampfer aktiv ist, messerscharfe Soli offeriert.
Bereits nach dem ersten Hördurchgang glaube ich zu wissen, warum sich der Hanseat nun zu einer Ich-AG entwickelt hat. Gegenüber Jessy Martens musikalischen Schaffens bewegt sich die Roman Werner Band zwar auch ausschließlich im Blues Rock-Bereich, aber alles ein paar Spuren rockiger entworfen, als man es von der Martens Band gewohnt ist. So erinnert sein Songmaterial eher an die glorreiche Zeit eines Rory Gallagher oder SVR.
In der Tat, wenn Roman sein Adrenalin nicht mehr unter Kontrolle hat, sich aller Fesseln entledigt, fliegen seine Finger derart filigran und schnell übers Griffbrett, was von meiner Seite nur eine Qualitätsstufe zulässt: Absolute Spitzenklasse! Gott sei Dank geizt der norddeutsche Edelklampfer nicht mit der Demonstration seines außergewöhnlich guten Gitarrenwirbels, sondern ist schon darauf bedacht, sich schnellstmöglich einen Namen im internationalen Geschäft zu erspielen. Bei seinem vorhanden Groove sehe ich dahingehend kein Problem.
Im Prinzip habe ich an "Blazing Suns" nichts auszusetzen, nur zwei Kleinigkeiten: Dass bereits nach fünf Liedern Feierabend ist, finde ich schon schade, denn von solch gutem Songmaterial kann ich nicht genug bekommen und ebenfalls schade, dass der clevere Roman seine EP exakt nach 22:20 Min. enden ließ. Zwei Sekunden länger und ich hätte auf einer Schnapslage bestanden :-)
Trotzdem: Dieser Appetizer hat es in sich, brilliert mit allerfeinstem Blues Rock im Stil der 70er mit reichlich modernen Anstrich. So hat es Roman Werner verstanden, trotz einiger Old School-Klänge, seine Songs mit viel Frische sehr attraktiv zu gestalten, um auch Fans der Neuzeit anzusprechen. Wenn er da anknüpft, wo er mit "Blazing Suns" vorerst aufgehört hat, mache ich mir um Roman Werner und seine Band keine Sorgen. Und wer weiß? Vielleicht endet sein nächster Silberling nach zehn Songs in 44:44 Min. - dann könnte ich endlich sagen: Prost, Roman!
Line-up:
Roman Werner (backing vocals, guitar)
Gordon Domnick (vocals)
Martin Glaser (bass)
Tim Stahlschmidt (drums)
Tracklist |
01:Loving You'll Be My Misery (4:21)
02:Blazing Suns (5:02)
03:Since You Crossed My Way (2:59)
04:Lord You're Tasty (4:20)
05:Lay Down Beside You (5:38)
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