Böse Zungen behaupten, Blues sei eine Musik für Trauerklöße und Spießer - klar, denn Überraschungen sind dem Blues-Freund eher unangenehm. Die althergebrachten Songstrukturen, ehrlich und handgemacht, geben ihm Halt und Orientierung. Variationen derselben sind ihm nur in verträglichen Dosen vermittelbar. Der Weltschmerz, die Triebfeder des Blues, verbietet jegliche Experimente. Seine tiefe Traurigkeit fordert den heiligen Ernst des Hörers ein.
Diese musikalische Eindimensionalität wird uns Bluesern nur zu gerne nachgesagt, zumeist von Leuten, die mit ihrer 'Scheuklappenfreiheit' nur zu bereitwillig hausieren gehen. Bringen wir's doch einmal auf den Punkt: Du hast als Musikfreund nur zwei Entwicklungsrichtungen. Du kannst Dich für die 'Breite' oder die 'Tiefe' entscheiden. Die Breite macht - rein äußerlich betrachtet - mehr her, birgt allerdings aufgrund der Masse von Stilrichtungen immer die Gefahr des gemeingefährlichen Halbwissens. Ich jedenfalls will lieber tief eintauchen in 'meine' Musik. Mich interessieren die Wurzeln mehr als die vergänglichen Blüten ... und mit Todd Wolfes aktuellem Album, "Stripped Down At The Bang Palace", taucht man verdammt tief.
Wenn man Todd Wolfes Studioalben hört, wirkt bislang die Musik oftmals etwas spröde. Das ändert sich nach dem ersten Besuch eines Live-Gigs schlagartig. Dieser US-Blueser strahlt eine nahezu grenzenlose Wärme und Menschlichkeit aus. Über seine Qualitäten als Gitarrist und seinen Werdegang haben die Kollegen hier schon ausgiebig berichtet. Auch über das Ausschlagen eines Major-Deals zugunsten des Blues, was die Glaubwürdigkeit der Wolfe'schen Identität als Musiker unterstreicht. Einzig die geringe Anzahl von Studioalben, "Stripped Down At The Bang Palace" ist 'erst' das fünfte Solowerk des gefragten Sessionmusikers, verwundert etwas.
Nach den eher rockig angelegten letzten Scheiben, überrascht "Stripped Down At The Bang Palace" mit knorrigem, eher traditionell angelegtem Blues Rock. Ganz tief an den Wurzeln des Blues ist Todd Wolfes jüngste Veröffentlichung angelegt - hier haben wir wieder den Verweis auf die Eingangs beschriebene 'Tiefe'.
Auffällig ist, dass diesmal nur drei Eigenkompositionen Wolfes vertreten sind. Ansonsten arbeitet er sich an Blues- und R&B-Klassikern ab. Eine dieser eigenen Nummern ist "Wings Of A Dove", das gleich mit einem dreckigen Dobro-Lick startet. Leider ist nicht in Erfahrung zu bringen, wie die tolle Backgroundsängerin heißt, die Todd Wolfe ein ums andere Mal stimmlich unterstützt. Etta James' R&B-Klassiker "Stranger Blues" bekommt einen knackig-rockigen Drive und ein irres Solo verpasst. Eine scharf 'sägende' Gitarre schwebt über Muddy Waters' "She's Nineteen Years Old", eine der stärksten Nummern auf "Stripped Down ...". Suavek Zaniesienko und Roger Voss agieren genauso tight, wie man das von den Liveauftritten der Todd Wolfe Band gewohnt ist. "Bad Boy" war in den 1950ern ein kleiner, lokaler Hit in der Chicago Blues-Szene. Wolfe interpretiert die Nummer sehr sparsam. Ohne die geringsten Overdubs wurde sie offensichtlich live eingespielt. Sehr schön sind Zaniesienkos filigrane Bassfiguren. 'Glühend', 'stampfend' und 'dampfend' kommt J. Russel Robinsons Slow Blues "Black Night" daher. James Brown hatte diesen Track ebenfalls in den 50ern 'mal erfolgreich gecovert.
"Roll Over", die zweite Eigenkomposition, arbeitet mit einigen Overdubs, wobei die Dobro im Vordergrund steht. Die Songstrukturen erinnern leicht an Led Zeppelin, während das furiose, leider viel zu kurze Finale an den verblichenen John Campbell angelehnt scheint. "Come In My Kitchen", aus Robert Johnsons ersten Aufnahme-Sessions von 1936, glänzt mit seinen Slide-Attacken und wiederum dieser unbekannten, stimmgewaltigen Sängerin. "Evil" ist ebenfalls ein wohl bekannter Klassiker, den Willie Dixon für Chester Burnett aka Howlin' Wolf 1954 geschrieben hatte. Hier zeigt sich wieder einmal, dass 'covern' durchaus Sinn macht, wenn den Songs der eigene, persönliche Stempel aufgedrückt wird. Ob's allerdings die 785. Version von Mountains "Mississippi Queen" sein musste, erscheint mir fraglich. Da finde ich persönlich den "Three O'Clock Blues" aus dem gemeinsamen Eric Clapton / B.B. King-Album "Riding with the King" von 2000 sehr viel inspirierter - ein extrem seelenvoller Slow Blues.
Bobby Womacks Valentinos sind die Urheber der uralten R&B-Nummer "It's All Over Now" - die Version der Rolling Stones ist natürlich ungleich bekannter. Todd Wolfe setzt noch einen echten Knaller obendrauf und seine Interpretation zeigt den Stones ihre musikalischen Grenzen auf. Leicht, locker und flockig wird die dritte Eigenkompostion "Light Of Day" hinterher geschoben. Unwillkürlich beginnt der Fuss zu wippen und die Finger zu schnippen und obwohl mit Howlin' Wolfes "Wreck My Life" der Datenträger bestens gefüllt wird, könnte man noch ewig weiter in diesen toll interpretierten Blues-Klassikern schwelgen.
"Stripped Down At The Bang Palace" firmiert diesmal unter dem Label Todd Wolfe Band und wirklich: Im "The Bang Palace"-Studio in Bethlehem, PA war eine 'echte' Band am Werk. Ein Hochamt für alle Freunde und Liebhaber des Blues ist dabei heraus gekommen. Nie war er so wertvoll wie heute.
Line-up:
Todd Wolfe (guitars, vocals)
Suavek Zaniesienko (bass)
Roger Voss (drums)
Tracklist |
01:Wing Of A Dove (4:12)
02:Stranger Blues (4:52)
03:She's Nineteen Years Old (3:42)
04:Bad Boy (4:35)
05:Black Night (4:34)
06:Roll Over (4:23)
07:Come In My Kitchen (7:06)
08:Evil (4:02)
09:Mississippi Queen (3:43)
10:Three O'Clock Blues (6:02)
11:It's All Over Now (5:46)
12:Light Of Day (4:24)
13:Wreck My Life (8:13)
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Externe Links:
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