Wade Bowen / Lost Hotel
Lost Hotel
Neue Wege beschreitet Wade Bowen nicht. Dennoch gibt und gab es wohl zu keiner Zeit übermässig viele Musiker, die ihre Country-Wurzeln so konsequent mit Rockmusik vermischt haben. Stellenweise hat der Rock hier sogar das Übergewicht und nur noch die herrlich gespielte Pedal Steel-Gitarre erhält das zweite Stil-Element des sogenannten Country-Rock aufrecht.
Letzten Endes ist die CD aber sehr ausgewogen und Bowen hat eine gute Mischung gefunden. Seine leicht angerauhte Stimme, die hier und da von guten Background-Sängerinnen unterstützt wird, erinnert manchmal etwas an John Cougar-Mellencamp oder gar Bruce Springsteen.
Vom Kompositorischen und den Arrangements her, scheint der Texaner, obwohl "Lost Hotel" erst sein zweites Album ist, bereits ein alter Hase zu sein. Wobei er sich für meinen Geschmack dann doch ein bisschen zu sehr auf der sicheren Seite bewegt. Teilweise, denn einerseits scheint es heute schier unvermeidbar zu sein bei den Aufnahmen mindestens ein konzentriertes Auge auf die Radiotauglichkeit der Songs zu werfen. Und andererseits, weil Schlagzeug und Gitarre bei manchen Songs so dermassen knallen, dass es eine wahre Freude ist und das Rock 'n' Roll-Herz höher schlagen lässt.
Country Rock-Alben haben beim Rezensent dieses Reviews immer einen schweren Stand, da sie zwangsläufig dem Vergleich mit Heroen wie Gram Parsons oder dem frühen Steve Earle ausgesetzt werden. Das ist zugegebenermaßen aufgrund der unterschiedlichen Zeitdekaden wahrscheinlich nicht immer ganz gerecht, aber auf der anderen Seite: Wer will sich schon mit mittelklassigen Bands vergleichen lassen? Dann doch lieber mit den Besten.
Die Songs im Einzelnen:
"God Bless This Town" ist ein starker, an Springsteen/Mellencamp erinnernder Rocker mit krachenden Gitarren und starkem Gesang. Klasse Songwriting.
Bei "One Step Closer" geht es bei den Strophen etwas ruhiger zu, bis die Bridge und der Refrain ins Spiel kommen und es wieder rockiger wird. Heimlicher Gewinner dieses Songs ist die allgegenwärtige Pedal Steel-Gitarre, die die eigentlich traurige Grundstimmung perfekt unterstützt.
Song Nr. 3 startet erneut mit Akustik und PedalSteel-Gitarren langsam und mit der entwaffnend ehrlichen Textzeile "Well, I'm not as good as I advertised...", bevor dann im Refrain wieder etwas Fahrt aufgenommen wird.
Wie auch der vorherige Track, eher im Singer/Songwriter-Stil, bzw. im softeren Rockbereich angesiedelt, wobei der Texaner Bowen sich die Pedal Steel nicht nehmen lassen will.
Ich könnte dieses Spielchen jetzt bis zum letzten der insgesamt 13 Songs durchziehen, aber im Prinzip hat Wade Bowen mit den ersten drei Songs bereits seine Bandbreite ausgeschöpft. Das soll aber nicht heißen, dass wir es deshalb mit einem schlechten Album zu tun haben.
Im Gegenteil, die Instrumentierung (besonderes Lob gebührt der starken Pedal Steel-Gitarre), die Songs, die Musiker, der Gesang und die Produktion: Eigentlich ist alles in Ordnung, wobei mir persönlich letzten Endes 'irgendwas' fehlt. Und meiner Meinung nach wird das Album, je länger es läuft, immer vorhersehbarer. Aber das muss ja nicht störend sein.
Auf jeden Fall absolut wert, mal angecheckt zu werden. Neben den Bastard Sons Of Johnny Cash der zur Zeit beste, mir bekannte, neue Country Rock auf dem Markt.


Spielzeit:57:25, Medium:CD, Sustain Records, 2006
1:God Bless This Town 2:One Step Closer 3:Walkin' Along The Fence Line 4:Ressurection 5:Perfect Silence 6:Lay It All On You 7:Lost Hotel 8:It's All Over Town 9:Handle 10:Broken Reflection 11:Crazy Enough 12:Lost Control Of My Heart 13:Mood Ring
Markus Kerren, 21.05.2006