Wet Wet Wet / Step By Step The Greatest Hits
Step By Step Spielzeit: 78:57
Medium: CD
Label: Mercury/Universal Music, 2013
Stil: Pop

Review vom 11.12.2013


René Francke
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft kann man jedes Jahr aufs Neue beobachten wie die Schwemme an unsäglichen, angeblich 'neuen' Best Of-/Greatest Hits-Alben inflationäre Züge annimmt. In diesem Jahr gesellt sich zu den industriellen Lebensversicherungen Robbie Williams und Dido ein weiteres Künstlerensemble von den britischen Inseln, das zudem das hiesige Inselklima zusammengefasst im Namen trägt: Wet Wet Wet.
Richtig, Wet Wet Wet, jenes schottische Kuschelrockquartett, das vor gut zwei Jahrzehnten mit ihrem Cover vom Troggs-Klassiker "Love Is All Around" selbst mich kurzzeitig köderte und nahezu den gesamten Kontinent in eine schwülstig-sedierende Schmachttrance versetzte. Eine derartige Kitschepidemie verursachen heutzutage allerhöchstens noch schleimige Schlagersänger, wenn auch - dem Himmel sei Dank - nicht länderübergreifend.
So, und nun haben also diese vier Herren nach "End Of Part One - Their Greatest Hits" (1993/94) und "Best of Wet Wet Wet" (2008) abermals ein Greatest Hits-Album auf den Markt geworfen. Seit dem erstgenannten sind zwar schon fast zwanzig Jahre vergangen, während derer sich die Band zwischen 1999 und 2004 sogar aufgelöst hatte, dennoch sind in dieser Zeit gerade einmal drei reguläre, nachvollziehbar minder beachtete Studioalben herausgesprungen. Was also gibt diesen Herren eigentlich das Recht, schon wieder eine Greatest Hits-Scheibe zu veröffentlichen? Geldmangel? Chronische Langeweile? Oder gar der Irrglaube, man sei (noch immer) eine große Nummer im Popzirkus?
Als besonderen Kaufanreiz hat man dieses Pseudo-Greatest Hits-Album mit drei vermeintlich neuen Songs aufgeplustert: "Step By Step", "Sad Kinda Love" und "Playin' Like A Kid". Erstgenannter ist ganz üble Konservenmusik wie sie im Buche steht: gewichts- und gesichtslose Keyboard-Gitarren-Schlagzeugklänge so fein geschnitten, dass sie an absoluter Sterilität nicht zu unterbieten sind. Das ist so spannend wie die Titelmelodie vom ZDF-Fernsehgarten - ganz schreckliche Geschichte! Bei "Sad Kinda Love" und "Playin' Like A Kid" versucht sich die Band am watteweichen Soul-Pop - auch diese Stücke könnten allenfalls als moderne Folterinstrumente in chinesischen Gefangenenlagern herhalten. Selbst unermüdliche Ein-Mann-Keyboard-Musiker aus anachronistischen Kuhkäffern können gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Musik fabrizieren.
Neben dem Megakuschelmonsterhit "Love Is All Around", der nicht nur diese Kitschkapelle ganz groß rausbrachte (von ihren bis dato 15 Millionen verkauften Tonträgern entfallen bestimmt 90% allein auf diese Single), sondern auch dem Kinofilm "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und dessen schmierigen Oberhannes Hugh Grant einen lächerlichen Hype bescherte, findet man auf der CD weitere Stücke, die dem einen oder anderen von uns sicher noch in den Ohren schellen: "Don't Want To Forgive Me Now", "Julia Says" und "Somewhere Somehow", allesamt vom 95er-Hitalbum "Picture This", dürfen da genauso wenig fehlen wie der ätzend-beißende 80er-Popsoulhit "Sweet Little Mystery". Da läuten die Alarmglocken der Erinnerung! Zugegeben, mit diesen Tracks lässt sich bestimmt auch heute noch jede fetzige Ü40-Pop-Party bestücken, aber aufrichtigen Musikliebhabern bluten bei solchen Schmonzetten wahrlich die Ohren. Obendrein verunglimpfen die vier Herren dann noch den Beatles-Evergreen "With A Little Help From My Friends", es grenzt beinahe an Gotteslästerung. Mag sein, dass die Schotten damit einen Triumph im britischen Königreich feierten, aber seien wir doch mal ehrlich: Was kann man mit derartigen Oldies bei den Briten schon falsch machen?
Richtig übel wird mir bei fettigen Schmalzbrocken wie "Broke Away", "Angel Eyes" oder dem tonalen Abführmittel "Lip Service". Wet Wet Wet sollen ja eine der erfolgreichsten britischen Gruppen der letzten 25 Jahre sein, aber Obacht! Mit zwanzig klebrig-schmierigen Schleimkugeln kleistern die vier Schmuseschotten fast 80 (!) Minuten lang des Hörers Ohren zu, damit dieser auch ja nichts anderes mehr im Leben hören kann - außer vielleicht den Feueralarm. Mein Vorschlag: Diese Gruppe sollte sich umbenennen in 'Veni Vidi Viscid'.
Dieses furchtbare wie überflüssige Best Of-Album ist reine Zeit- und Geldverschwendung. Wer noch nicht weiß, was er oder sie der Omi dieses Jahr zu Weihnachten schenken soll, dem sei eines ganz besonders ans Herz gelegt: Wartet lieber auf die nächsten Aktionswochen bei Aldi! Habe gehört, dass es da hin und wieder Rheumadecken im Angebot geben soll. Da kann man wenigstens nichts falsch machen, die wirken wenigstens schmerzstillend und nicht -fördernd. Und Omi freut sich auch noch im nächsten Jahr darüber.
Line-up:
Marti Pellow (vocals)
Graeme Clark (bass)
Neil Mitchell (keys)
Graeme Duffin (guitar)
Tommy Cunningham (drums)


Tracklist
01:Step By Step
02:Sad Kinda Love
03:Playin' Like A Kid
04:Don't Want To Forgive Me Now
05:With A Little Help From My Friends
06:Sweet Little Mystery
07:Broke Away
08:Julia Says
09:Lip Service
10:Angel Eyes (Home And Away)
11:Sweet Surrender
12:All I Want
13:Goodnight Girl
14:Hold Back The River
15:Wishing I Was Lucky
16:Weightless
17:Temptation
18:Somewhere Somehow
19:If I Never See You Again
20:Love Is All Around
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