Eigentlich entschied sich David Coverdale das Kapitel Whitesnake nach dem Album "Restless Heart" und der darauf folgenden Abschiedstour 1998 für immer zu schließen, um in Zukunft nur noch auf Solopfaden zu wandeln. Nur knappe fünf Jahre später machte der Ex- Deep Purple-Sänger seine Entscheidung rückgängig und reformierte seine Band wieder.
Nur kam es leider nicht zu einer von vielen Fans erhofften Reunion der klassischen Besetzung mit Micky Moody, Bernie Marsden und Neil Murray (also den einzig wahren Whitesnake).
Stattdessen stellte Coverdale ein komplett neues Line-Up mit jüngeren Musikern auf die Beine, das im Vergleich zu der (einmal abgesehen von Adrian Vandenberg) ziemlich gesichtslosen Truppe der Abschiedstour diesmal wieder echt hochkarätig ausgefallen ist.
Mit den Gitarristen Doug Aldrich (u.a. Dio, House Of Lords) und Reb Beach (u.a. Alice Cooper, Winger, Dokken), dem Bassisten Marco Mendoza (u.a. Thin Lizzy, Ted Nugent) sowie Schlagzeuglegende Tommy Aldridge ( Black Oak Arkansas, Ozzy Osbourne) sind einige der bekanntesten Studio- und Tourmusiker mit an Bord. Einzig Keyboarder Timothy Drury ist für mich ein unbeschriebenes Blatt.
Trotz dieser großen Namen war ich zunächst mehr als skeptisch, denn Whitesnake gehörten schon einmal Musiker ähnlichen Kalibers an, die der Band in meinen Augen mehr schadeten als halfen. Man denke nur an das misslungene "Slip Of The Tongue" Album von 1989, das sich zwar vor allem in Amerika millionenfach verkaufte, aber nur belanglosen Stadionrock enthielt und dem Namen Whitesnake in keinster Weise gerecht wurde.
Ich erinnere mich auch noch mit Schrecken an den Auftritt beim 'Super Rock' Festival 1990 in Mannheim, bei dem 'Gitarrengott' Steve Vai mit seinem Gedudel einen Whitesnake-Klassiker nach dem anderen schändete. Also, große Namen bürgen nicht immer für Qualität.
Zum Glück erwartete mich auf "Live - In The Still Of The Night" nicht der von mir befürchtete musikalische Supergau. David Coverdale hatte diesmal bei der Auswahl seiner Mitstreiter wirklich ein gutes Händchen. Die Musiker präsentieren sich als eine perfekt aufeinander eingespielte Einheit, und interpretieren die alten Gassenhauer weitestgehend nach Vorgabe der Originale. Gerade die beiden Gitarristen spielen jederzeit absolut songdienlich und verkneifen sich dabei unnötige Egotrips mit denen einige ihrer Vorgänger wie z.B. John Sykes oder der bereits erwähnte Steve Vai früher gewaltig aus der Rolle fielen. Eine besonders gute Figur macht hierbei Doug Aldrich, der sich für den Löwenanteil der Soli verantwortlich zeichnet. Der Blondschopf verfügt über das für Whitesnake-Songs unerlässliche Bluesfeeling, spielt seine Parts mit sehr viel Hingabe und beherrscht dabei, ebenso wie Bassist Marco Mendoza, alle Rockstar-Posen aus dem FF. Ein echt toller Gitarrist, dessen Spiel mir schon bei Dio sehr gut gefallen hat.
Sein 'Partner In Crime' Reb Beach hält sich hingegen eher vornehm zurück, hat aber mit einem wunderschönen Solo bei "Ain't No Love In The Heart Of The City" seinen großen Auftritt.
Mittelpunkt der Show ist aber nach wie vor Bandgründer David Coverdale selbst. Es ist mehr als erstaunlich, wie fit und durchtrainiert dieser Mann trotz seiner mittlerweile vierundfünfzig Lebensjahre noch wirkt. Wahrscheinlich hat er die Zeit vor der Tour auf einer Wellnessfarm verbracht, um neben seiner jungen Begleitband nicht zu alt auszusehen. In absoluter Topform stolziert er über die Bühne und flirtet ständig mit den zahlreichen weiblichen Zuschauern in der ersten Reihe, der alte Charmeur.
Und dann diese Stimme. Coverdales bluesige Röhre hat in den letzten dreißig Jahren nichts von ihrer Faszination eingebüßt und klingt immer noch so frisch und unverbraucht wie in alten Zeiten. Er singt jeden Song des Greatest Hits- Programms unheimlich gefühlvoll und mit einer Power, die ich ihm nicht mehr zugetraut hätte und beweist damit, dass er nicht umsonst noch immer zu den besten Rocksängern aller Zeiten gezählt wird. Eine reife Leistung.
Gefilmt wurde die Show im ausverkauften Londoner 'Hammersmith Apollo'. Mit sechsundzwanzig Kameras hat man die tolle Atmosphäre des Gigs optimal eingefangen, und es entsteht dadurch der Eindruck, hautnah dabei gewesen zu sein. Zwar ist mir der Bildschnitt mitunter etwas zu hektisch ausgefallen, besonders bei Tommy Aldridges Drumsolo, aber nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran. Als wirklich störend empfinde ich hingegen die eingestreuten schwarzweiß Bildeffekte, die den Genuss dieser DVD für meinen Geschmack ein wenig einschränken.
Unterm Strich ist "In The Still Of The Night" ein wirklich toller und unterhaltsamer Konzertmitschnitt geworden, und ich muss sagen, dass David Coverdale hier das stärkste Line Up seit der legendären Originalbesetzung am Start hat, das selbst Puristen wie mich, die immer noch von einer echten Reunion träumen, begeistern sollte.
Die weiße Schlange hat endlich wieder Biß.
Technik:
Stereo, SRS Circle Sorround, 5.1. Multichannel, 5.1. DTS.
Spielzeit: ca. 120 Minuten, Medium: DVD, AFM Records, 2006
1:Burn 2:Bad Boys 3:Love Ain't No Stranger 4:Ready An' Willing
5:Is This Love 6:Give Me All Your Love 7:Judgement Day 8:Blues For Mylene
9:Snake Dance 10:Crying In The Rain 11:Ain't No Love In The Heart Of The City 12:Don't Break My Heart Again
13:Fool For Your Loving 14:Here I Go Again 15:Take Me With You 16:Still Of The Night
Bonus: Documentary
Stefan Gebauer, 05.03.2006
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