Junge, junge, was gibt es doch für abgefahrene Künstlernamen!
Neuestes Beispiel in der Lade meines Phonosophen: Das wilde T, äh, ich meine Wild T mit seiner Combo The Spirit.
Wenn ich ehrlich bin, sagte mir das Ganze bisher gar nix.
Dabei lieferte der in Trinidad geborene und seit geraumer Zeit in Kanada lebende Gitarrist, Sänger und Songwriter bereits im Jahre 1991 sein Debütalbum ab ("Love Crazy"), welches u.a. einen gewissen David Bowie dermaßen begeisterte, dass Wild T, der sich auch Tony Springer nennt, umgehend bei Bowies 1993er "Black Tie, White Noise" mitwirkte und auch die dazugehörige US-Tour bestritt.
Nicht erst seit Stevie Ray Vaughans prominentem Mitwirken beim Welthit "Let's Dance" (Albumversion!) dürfte bekannt sein, dass sich David Bowie stets mit erstklassigen MusikerInnen umgibt. Insofern darf es ein bisschen verwundern, dass im Gegensatz zu Stevie Ray Vaughan von Tony 'Wild T' Springer mithin wenig zu hören war, zumindest in Europa. Es folgte 1993 ein von 'Warner Music' veröffentlichtes Zweitwerk ("Givin' Blood"), welches zwei Jahre später auch in den USA erschien. Hatten Wild T And The Spirit zuvor Bon Jovi bei einer kanadischen Tour supportet, so taten sie das jetzt in den USA gar für Acts wie Deep Purple, Yngwie Malmsteen und Johnny Winter. Trotzdem wurde es nichts mit der großen Karriere, erst 2000 ließen sie erstmals wieder auf einem Winzlabel von sich hören.
Geschlagene vier Jahre später erschien dann erstmals das hier zu besprechende Album "True Bliss" (in Kanada auf 'Bullseye Records'), um jetzt endlich von 'Herman's', einem Sublabel von 'Taxim Records', auch hierzulande veröffentlicht zu werden.
Das Album offenbart dann auch recht deutlich, warum es wohl mit der großen kommerziellen Karriere nichts werden kann. Die bis auf eine Ausnahme selbstverfassten Songs fallen zwar im Spannungsfeld von Soul-Funk-Rock-Jazz-Blues-R&B-Gospel-Pop teilweise sehr melodisch und eingängig aus, gemahnen zuweilen gar an erfolgreiche Kollegen wie Roachford, werden aber häufig durch unerwartete, teilweise hardrockige, teilweise sehr jazzige Breaks konterkariert und mit einer außerordentlich virtuosen Gitarre irgendwo zwischen George Benson und Jimi Hendrix gewürzt, was insgesamt betrachtet vermutlich nicht nur heutige Hörgewohnheiten völlig überfordert. Zudem ist der Herr mit dem wilden T nicht wirklich mit einer begnadeten Stimme ausgerüstet, nein, seine Variabilität und Virtuosität beschränkt sich doch eher auf das famose Spiel auf den sechs Saiten.
Dabei wird er kongenial von seinen "Spiritisten" begleitet ( Günther Kapelle - Bass, Peter Nunn - Hammond Organ, Wurlitzer, Piano und Brain Lass - Drums & Percussion), die alle individuell ihre Akzente setzen können, beträgt die Gesamtspielzeit doch beachtliche 70 Minuten! Prominentester Gast ist auf "Can't Get You (Outta My Mind)" Jeff Healey, der mich mit seinem phänomenalen Spiel wieder daran erinnert, wie schmerzlich ich selbiges in den letzten Jahren vermisst habe. So wie er quetscht kaum ein Zweiter die Saiten, warum also trompetet er nur noch in jazzigen Gefilden weit ab von dem, wo die Populärmusik spielt?
Es gibt trotz der Länge des Albums keine wirklichen Luschen, vielmehr sind manche Höhepunkte zu bewundern. So begeistert bereits der Einstieg ("Heaven Knows") mit der gesamten genannten musikalischen Bandbreite, getragen von einer herrlichen Orgel und einem fantastischen Gitarrensoli im Schlussteil. Gleich danach folgt ein weiteres Highlight, nämlich das jammige "Midnight Lady", wo alle ihr Potential ausspielen dürfen, vom Tempo her eher gedrosselt, aber sehr atmosphärisch, mit funky-souligen Grooves, die auf diesem Album häufiger anzutreffen sind, einer wunderbar fließenden Orgel und einer rockenden Gitarre, die völlig überraschend im Mittelteil zu einem Hochgeschwindigkeits-Southernrock-Style-Soli übergeht, um im Anschluss stimmungsvolle, etwas schräge Hendrix-Klangbilder zu malen.
"Jungle Love" besticht durch die Konterkarierung einer poppigen Melodei mit brachial bedrohlichem Heavy-Riff-Gewitter, die einzige Fremdkomposition ("High School Confidental") erinnert mich stark an David Bowie, wo schmissiger Glamrock auf Soul/Funk/Pop-Tunes trifft und der Titelsong bietet frischen Texas-Blues im SRV-Style und ein absolut knackiges Drumsolo im Schlussteil der Nummer. Wo gibt es das heutzutage noch auf Studioproduktionen?
Und so geht das weiter, immer mit Groove und mal mit unterschwelligen, mal mit sehr deutlichen Jazzakzenten. Es wird nie langweilig und vorhersehbar, eine große Stärke des Albums und vermutlich auch Schwäche, denn so wird ihm kein großer Erfolg beschieden sein. Selbst die Freunde von Bowies ehemaligem Tin Machine-Projekt kommen auf ihre Kosten, denn "Dangerous" ist musikalisch sehr verwandt und macht ansonsten seinem Namen alle Ehre.
So bleibt schließlich nur noch zu erwähnen, dass die Scheibe mit einem transparenten, relativ differenzierten und druckvollen Klang aufwarten kann, der allerdings fast durchgehend zu höhenlastig ausfällt.
Spielzeit: 69:57, Medium: CD, HERMAN's, 2005
1:Heaven Knows (5:15) 2:Midnight Lady (7:08) 3:Jungle Love (4:23) 4:High School Confidential (3:49) 5:True Bliss (4:11) 6:Love's Holiday (5:23) 7:Jenny (4:52) 8:Hard To Believe (3:34) 9:All The King's Horses (4:04) 10:You're The One (5:24) 11:Can't Get You (Outta My Mind) (5:24) 12:Dangerous (4:24) 13:Happy Song (5:43) 14:Hello (5:47)
Olaf "Olli" Oetken, 13.04.2006
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