Jugendheimatmosphäre in der Weltstadtt
Eine deutsche Band gibt ein Konzert in London - und das auch noch mit deutschen Texten. Kann das gut gehen? Es kann und bei den Berlinern Wir sind Helden klappte dies sogar ganz vorzüglich.
London gilt ja fälschlicherweise immer als die 'Regenstadt', was zwar nicht stimmt, aber an diesem Montag machte das Londoner Wetter es allen Klischees recht und es regnete die berühmten 'Cats and Dogs', als ich aus der U-Bahn-Station Charing Cross ausstieg und mich zu Fuß zum Konzert aufmachte. Das Institute of Contemponary Arts (kurz: ICA) liegt mitten in London in der Nähe des Trafalgar Square. Normalerweise dient das Gebäude als Ausstellungsraum und als Kino, aber im kompletten Monat Juli gab es jeden Tag ein Konzert im Rahmen des iTunes-Festivals. Dabei befanden sich die Helden in allerbester musikalischer Gesellschaft, denn an den anderen 30 Tagen des Monats traten dort u.a. Größen wie Crowded House, Travis oder auch die Stereophonics auf. Das besondere an den Konzerten war die wirklich sehr intime Atmosphäre, denn pro Konzert waren nur jeweils 350 Karten im Umlauf. Diese Karten konnte man nicht kaufen, sondern nur auf der iTunes-Homepage oder bei anderen Verlosungen gewinnen. Dadurch war man der Band extrem nahe und das Ganze hatte wirklich eine Mini-Club-Atmosphäre und man fühlte sich wie in einem Jugendheim in einem Bielefelder Vorort.
Um Punkt 20.00 Uhr betrat dann zuerst die ebenfalls aus Berlin stammende Band Leash die Bühne des ICA. In den folgenden knapp 40 Minuten gab sich die Band sichtbar Mühe, aber obwohl man englisch sang, sprang der Funke nicht über. Die Musik könnte man als Mischung aus Muse und Placebo bezeichnen, die mit reichlich Samples vom Band live aber nicht wirklich zündete. Immerhin gab es zum Schluss dann doch etwas mehr als nur Höflichkeitsapplaus, aber die eher melancholische Musik passte leider nicht zum fröhlichen Sound der Hauptband.
»Ich bin ein Berliner«
Während der Umbaupause konnte man wunderbar das anwesende Publikum analysieren und neben englischsprachigen Menschen hörte man doch auch viele deutsche Stimmen im Publikum. Besonders der markante Berliner Akzent war doch hin und wieder deutlich aus dem Stimmengewirr auszumachen, was zeigt, welchen wirklich treuen Fanstamm die Band in ihrer Heimat hat, denn dies war das einzige Konzert auf der britischen Insel, während die Band den Sommer ansonsten ausschließlich auf den großen deutschen Festivalbühnen verbringt.
Helden mit Verstärkung
Gegen 21.15 Uhr hatte dann das Warten für die zahlreichen Helden-Fans ein Ende und unter großem Beifall betrat die erweiterte Band die Bühne. Neben den vier 'Stammhelden' hatte man noch eine dreiköpfige Bläsersektion mitgenommen, wobei der Trompeter auch bei einigen Stücken zum Keyboard wechselte. Dass sich diese Zusatzmusiker am Anfang des Konzertes noch als eher schmückendes Beiwerk präsentierten, täuschte etwas, denn im Laufe des Auftrittes gewann der Abend wirklich durch diese drei Herren. Dazu aber später mehr.
Humor geht immer
Spätestens seit der Fußball-WM im letzten Jahr weiß hoffentlich die ganze Welt, dass wir Deutschen nicht mehr das dauernd schlecht gelaunte und immer sehr disziplinierte Volk sind, sondern dass uns auch das Attribut Humor zugeschrieben werden kann. Davon machte die Band auch reichlich Gebrauch und nach dem meiner Meinung nach nicht ideal gewählten Opener "Endlich ein Grund zur Panik" begrüßte Frontfrau Judith Holofernes alle schon mal höflich auf englisch. Als Reaktion dazu vervollständigte Gitarrist Jean-Michel Tourette die Ansage (in extrem schlechten Englisch), dass man froh sei hier zu spielen und dass es kein Problem für die Band sei, da alle akzentfrei Englisch sprechen würden. Sofort gab es tosendes Gelächter im Publikum und spätestens nach dem zweiten Lied, "Guten Tag", war das Eis gebrochen und Engländer und Deutsche (Verteilung im Publikum geschätzt 50/50) feierten gemeinsam die nachfolgenden 90 Minuten zusammen. Obwohl die neue Platte "Soundso" in England noch gar nicht erschienen war, spielte die Band trotzdem neben den beiden Singles einige Lieder der CD wie "Kaputt", "The Geek" oder den neuen Live-Hit " Die Konkurrenz", den ich als Chef der Plattenfirma unbedingt als Single auskoppeln würde. Auffallend war der wirklich glasklare Sound, was aber auch nicht verwunderte, da das Konzert komplett von iTunes mitgeschnitten wurde und bald als Download erhältlich sein wird. Dass die Band in Deutschland als Speerspitze der neuen deutschsprachigen Musikwelle gilt, wird dadurch deutlich, dass sie schon 10 Singles rausgebracht hat, die alle erfolgreich waren - und so singen die Fans fast jedes Lied von vorne bis hinten mit. Highlight des regulären Sets war sicher die neue Version von "Aurelie", die komplett umarrangiert wurde und jetzt eher nach Iggy Pops "Lust For Life" klingt, was aber positiv gemeint ist. Nahtlos an "Aurelie" folgte mit "Why Can't I Be You" noch ein gelungenes The Cure-Cover, bei dem die Bläsersektion richtig aufdrehte und Sängerin Judith über die ganze Bühne tanzte.
Hol den Sledgehammer raus...
Nach "Nur ein Wort" war dann zunächst Schluss, aber die Band ließ sich nicht lange bitten und mit "Rüssel an Schwanz" vom Debütalbum gab es erst mal einen etwas obskuren Nachschlag. Dann aber war es soweit und nach einem "Sledgehammer"-Intro (man hat ja schließlich die Bläser dabei) gab es mit "Denkmal" die ultimative Hymne der Band. llerspätestens hier flippten alle aus und das Konzerthaus stand Kopf bzw. sprang auf und ab. Die Band zeigte sich selber schwer beeindruckt von soviel Euphorie und kam zu einer dritten Zugabe raus und Judith verkündete, dass man im September erneut in London auftreten werde. Ironisch bemerkte die Sängerin, dass der Auftritt im Mean Fiddler stattfinden werde und sie sich den Mean Fiddler sehr glamourös vorstellt. Erneut schallendes Gelächter und passenderweise gab es für das durchgeschwitzte internationale Publikum mit "Bist Du nicht müde?" einen schönen Abschluss.
Wie bereits erwähnt kann man sich bei iTunes Teile dieses exklusiven Konzertes runterladen.
Ich muss gestehen, dass ich von der Idee dieser Clubkonzertreihe schwer angetan war, denn wann bekommt man schon mal eine Band solchen Formats in so einem kleinen Rahmen geboten. Kompliment auch nochmals an die Band Wir sind Helden, die wirklich alles gegeben und einen absolut famosen Auftritt hingelegt hat.
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