Das ist mal ein Bandname. Wolverine! Wie sind die schwedischen Progressive-Rock-Metal Musiker wohl auf diesen Namen gekommen? Welches war die Quelle ihrer Inspiration dafür?
Lasst uns mal ein, zwei wilde Spekulation anstellen.
Da ist einmal diese in Alaska vorkommende Wieselart. Angeblich kann sich ein Wolverine nur in zwei Geschwindigkeiten bewegen. Entweder rennt es, oder es steht.
Andererseits trägt auch dieser obercoole, Zigarren rauchende und muskelbepackte Wahnsinnige den Namen Wolverine - bekannt aus Film und Comic. Wenn der sich aufregt, springen sechs 40 cm lange Amadantiumklingen aus seinen Händen und er schlitzt erst, bevor er fragt. Und er regt sich oft auf.
Dieses Wieseltier gab dem Superhelden seinen Namen. Wenn ich die Musik auf "The Window Purpose" zugrunde lege, beziehen sich die Schweden eher auf den X-Men als auf das possierliche Tierchen. Ebenso vielschichtig wie der Mutant ist die Musik von Wolverine. Auch Wolverine, mit bürgerlichen Namen Logan, hat sanfte, liebenswerte und harmonische Eigenschaften,... wenn er sich nicht aufregt.
Wolverine bieten auf der Neuveröffentlichung ihres 2001 erschienenden zweiten Albums durchaus Lieder, auf denen diese Beschreibung zutrifft. Als Beispiel sei "Leaving Yesterday" genannt. Es ist das Highlight der ganzen CD, denn es verquickt alles, was guten Progressive Rock ausmacht. Sänger Stefan Zell erhält weibliche Gesangsunterstützung. Was die beiden Vocalisten da abziehen ist wirklich stark. Sie bringen ihre Parts mit Dramatik und Energie. Sie singen sehr eindringlich und mit Seele. Der Song baut sich immer wieder neu auf. Dabei durchläuft er die Phasen von fast schon balladesken Melodiebogen bis hin zu harten und aggressiven Amplituden. Immer wenn die Dame ihre Stimme erhebt, wertet sie den Song weiter auf.
Aber Wolverine hat auch eine wilde animalische Seite. Bei einem seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle zog selbst der unglaubliche Hulk gegen ihn mal den kürzeren. Diese Perspektive ist in der Musik Wolverines auch vertreten. Gleich zu Anfang der CD werden die Klingen gezückt und sich wutentbrannt auf den Gegner gestürzt. "My Room" heißt der Knaller. Stakkatorhythmik von der E-Gitarre gibt das Tempo vor. Nach der ersten brachialen Phase folgt eine kleine Verschnaufpause. Aber schon bald gibt es wieder kein Halten mehr. Diesmal werden die Backingvocals durch den Einsatz eines Timbres gewürzt, das man sonst nur vom Death-Metal kennt. Dafür verantwortlich ist übrigens Marcus Losbjer. Und wieder wird es ruhiger...
Mit der gleichen Klinge graviert die Band ihr nächstes Opfer. Per se ist "His Cold Touch" als ein Stück mit zwei Parts konzipiert. Es ist nicht ganz so aggressiv ausgefallen wie "My Room", aber wieder wird stimmlich in den Refrain-Passagen die Brücke zum Death-Metal geschlagen.
Ein weiteres Beispiel für die unbändige Kraft von Wolverine ist die Neuaufnahme von "Again!". Im Song wechseln sich "Normal"- und "Death" Vocals in schöner Reihenfolge ab. Auch dieses Stück durchläuft ruhigere und heftigere Abschnitte. Es kommt zwischendurch gar zu überzeugenden Double-Bass Fundamenten.
Spaßvögel scheinen die Wolverine-Jungs obendrein zu sein. Denn wer den ersten Song auf einer CD mit "End" betitelt, hat wohl schon mal einen Clown gefrühstückt.
Eine kaum zu begreifende Informationsfülle birgt der Name des vierten Stücks: "..."
Das seltsame Hiddenoutro aus Gelächter oder Gejammer bei ungefähr 9:40 des letztes Songs beweist wohl endgültig, dass die Schweden ziemlich schräg drauf sind.
Wolverine lassen sich ebenfalls nicht nehmen, mit "Release" ein kurzes Instrumental- Intermezzo zu zelebrieren. Getragen wird es durch die Akustikgitarre und die Keyboards.
Alle Musiker beherrschen ihr Handwerk aus dem eff eff. Einen absolut guten Job macht der bereits erwähnte Marcus Losbjer. Denn neben seinen eigentümlichen "Gesangs"-Einsätzen trommelt er ziemlich gute Beats herunter.
"The Window Purpose" wurde zum Zweck der Wiederveröffentlichung remastert. Das Klangbild ist modern und so, wie man es von Prog-Rock (Metal) wohl erwartet, der seine Wurzeln irgendwo in den 70'ern hat.
Was allerdings ein wenig zu kurz kommt bei den Songs ist - alle Politikverdrossenen bitte jetzt weglesen- der Nachhaltigkeitsfaktor. Jeder Song ist gut und hörenswert. Ist er allerdings vorbei, fragt man sich, was man da wohl eben gehört hat. Das letzte Quäntchen Brillanz fehlt im Songwriting.
Auf der Wahn Wirtz Skala gibt es insgesamt aber eine starke 6. Diese Platte ist überdurchschnittlich und das ist im stark umkämpften Genre Progressive-Rock schon eine Auszeichnung.
Spielzeit: 67:04, Medium: CD, Earache, 2005 (2001)
1:End 2:My Room 3:His Cold Touch 4:… 5:Leaving Yesterday 6:Towards Loss 7:The Storm Inside 8:Coma 9:Release 10:Post Live 11:Again!
Olli "Wahn" Wirtz, 15.03.2005
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