Ein Sohn zelebriert sein Erbe
"Zappa plays Zappa" gastierte in der Erfurter Messehalle

Völlig unspektakulär, anders als zu Lebzeiten des heute Abend zu würdigenden
Künstlers, betritt der Sohn mit einer siebenköpfigen Musikerschaft pünktlich die Bühne, um sein erstes von vielen Gitarrensoli anzustimmen.
Videotechnisch wird er dabei vom Vater, der hier zu "Roxy & Elsewhere"-Zeiten 1973 in der Blüte seines Schaffens zu bewundern ist, fast synchron begleitet - einem kümmerlich ernährten Gitarristen mit Charakterkinnbart und souveräner Ironie im Blick - der seine quasi Untergebenen durch seinen ominösen Musikkosmos dirigiert und mit Wohlgefallen von der Leinwand auf sein Werk blickt.

Sprössling Dweezil Zappa ist nicht nur gesegnet mit dem familiären Hintergrund für eine doch recht sorgenfreie Rock-Karriere; wie seine drei Geschwister ist der 38-jährige seinem bizarren Namen doch verpflichtet, den sein Übervater ihm mit allem anderen, als gewaltigen Schatten hinterließ.
Als Frank Zappa im Dezember 1993 seinen Krebsleiden erlag, strahlte sein monumentales Leitbild fort. Jetzt reist er geistig mit dieser 'Tour de Frank', bei welcher die Familie nun zum ersten Mal die Aufführung seines musikalischen Werkes autorisiert und gleich selbst auf die Konzertbühne wuchtet.
Wer sich in den späten Sechzigern und siebziger Jahren für den Bürgerschreck, Zyniker und für keinen ungewöhnlichen Akkord zu schade war, den musste die Tournee dieses Zappa-Fantums doch gar am Herzen liegen.
Wer den Job in Zappas damaliger Begleitband Mothers Of Invention verlor, wurde in der Regel zum Problemfall, denn Weltkarrieren schlossen sich nicht selbstverständlich an.
Die doch hochqualifizierten Musiker treten als Originale mit Frank Zappa-Cover-Combos und bei 'Zappanalen' auf, um noch einen geringen Obolus fürs leere Geldsäckchen zu erspielen.

Die Gene hat Frank Zappa allerdings doch gerecht verteilt. Während der jüngere, Ahmet, nur den radikalen Komödianten in sich spürt, oder gar Gruselmärchen niederschreibt, besitzt der Ältere einiges musisches Talent mit einem gehörigen Stück Erfahrung.
Er spielt die Stücke werkgetreu, die ebenso oft von Vätern und Söhnen handeln, handwerklich sogar ein wenig brillanter als der Vater.
Mit wenig Charisma, eher mit einer etwas unpassenden Schüchternheit manövriert er, wie ein Hardrock-Gitarrist der achtziger Jahre, durch die Werkschau, ist aber auch in der Lage, diese aufzubrechen, wenn es der Übervater forderte.
Dweezils Fähigkeiten mit dem musikalischen Patriarchat seines Vaters zu arbeiten, sind beachtlich und kommen in dieser verjüngten Interpretation mit packender Intensität zum Zug, wurden dabei allerdings auch oft als Nachteil, zum lauten, markanten und dennoch sorgfältig strukturierten Klang verwendet.

Besonders eindrücklich gerieten die Ausbrüche von heftig komplexen Improvisationen beim überlangen "Duprees Paradise", aus denen sich allmählich eine betörendes Glissando aus Gitarren-und Rhythmuslinien herausschälte.
Unter den Händen des Gitarristen und Dirigenten Dweezil Zappa gedieh das Programm aufgrund solcher Passagen zu einer wahren Klangskulptur, welche sich ständig veränderte bzw. immer wieder neue Facetten des Grundmaterials präsentierte.
Was sich in dieser Zeit auf der Bühne der Erfurter Messehalle abspielte, war in der Tat
ein einzigartiges Erlebnis, denn der musikalische Einklang, der in den Raum geschleudert wurde, die Klangmassen, die sich zwischen den entgegengesetzten Musikerpositionen aufeinander zubewegten, zusammenprallten und förmlich explodierten, um dann wie ein synchronisiertes Getriebe vereint zu musizieren, wirkten mit körperhafter Intensität bis in die kleinsten Winkel des Auditoriums hinein.
Nicht verwunderlich, dass eine herausragende Formation von Musikern, vertraut mit den subtilen Feinheiten in Zappas Schaffen, keinerlei Revival-Event darboten, sondern vergleichbar einem Symphonieorchester, welches Spätwerke eines großen Meisters interpretierte.

Dieses insgesamt achtköpfige Ensemble konnte sich sehen und hören lassen. Ursprünglich als Gast angekündigt, bestritt der alte Zappa-Weggefährte Ray White das komplette Konzert als Leadsänger. Dies dürfte daran liegen, dass Napoleon Murphy Brock wieder ausgemustert wurde, und die geplante Teilnahme von Ahmet Zappa als Sänger, aus persönlichen Gründen nicht zustande kam.
White füllte die Rolle des Frontmanns in gewohnter Manier energisch aus, seine Stimme entfaltete sich jenseits von Alterserscheinungen und frei von hörbarer Kraftanstrengung oder Vibrati, und erstaunte durch ihre bedingungslose Kultiviertheit.
Es war insofern gut, Ray White mit an Bord zu haben, zumal Dweezil Zappas Bühnenpersönlichkeit sehr introvertiert, beinahe schüchtern rüberkam. Im Wesentlichen spielte er brav des Vaters original Gibson SG-Gitarre, führte mit bescheidenen Ansagen durchs Programm und lächelte verstohlen, wenn der Enthusiasmus des Publikums besonders stark war.
Als Saiten-Handwerker machte er aber einen überaus souveränen Eindruck. Stilistisch stark am Sound seines Vaters orientiert, ohne dabei die Soli zu kopieren, obgleich er bei "Dumb All Over" dieses Feld dem Original überließ.
Ein wahrer Höhepunkt zur Halbzeit des Konzerts und gleichermassen ein (Ohr)gasmus für die Sinne.

Die restlichen Handwerker bestanden - außer dem Zappa-Zögling, Ray White und den Nachlassverwalter des Zappa-Archivs Joe Travers am Schlagzeug - aus blutjungen Musikern, die aber allesamt technisch präzise agierten und kongenial mit Verve durch die komplexen Kompositionen navigierten. Besonders erwähnenswert dabei die charismatische Dame an Saxophon, Flöte, Keyboards, Harp und Percussion, Sheila Gonzales, die nahezu das heimliche Rückgrat der Gruppe bildete.
Rhythmus-Gitarrist Jaime Kime arbeitete die meiste Zeit Gruppen-und Songdienlich im Hintergrund, bekam aber auch zweimal die Chance zu einem Solo, bei denen er deutlich seine Qualitäten als variabler, virtuoser Leader zu entfachen vermochte.
Bassist Peter Griffin entstammt eher der Scott Thunes-Schule - der enthusiastischen, adrenalingesteuerten Zappa-Bassisten - und sorgte daher neben White für die meiste Bewegung auf der Bühne.
Das ganze Klangkonstrukt wurde von Tastenmeister und Trompeter Aaron Arntz, sowie von Percussionist Billy Hunting würdevoll unterstützt, wobei Ersterer einige prägnante Dissonanzen mit einbringen durfte.

So erstrahlten konzertante Perlen von Zappa-Veröffentlichungen wie "Where Only In It For The Money", "Absolutely Free", "Weasels Ripped My Flesh", "Joes Garage", "You Are What You Is" , "The Yellow Shark", "Zoot Allures" und mehr, zu neuem Glanz.
Die höchst kontrastreiche Darbietung, die manch eines der Stücke hier bekam, straft all jener Kritiker und Pessimisten Lügen, die in dieser, den seriellen Prinzipien verpflichteten Musik, nur ein trockenes Hantieren mit hochdiffizilen Kompositionen sieht. Diese Musik, welche sich schon immer jeglicher Schubladiesierung sperrte, eher extrem und ambitioniert, als eingängig oder überhaupt schnell konsumierbar galt, sie lebt von den verschiedensten Ingredienzien unterschiedlicher Musikkulturen, nach dem Geschmack, den musikalischen Gelüsten, den intellektuellen Vorlieben und dem Gehör des Meisters
Zappa.
Nicht unbedingt alles entpuppte sich an diesem Abend zum puren Hörgenuss in dem Sinne, dass so manche eingängige und verständliche Schrägen nur für anwesende Zappaianer erfassbar waren.
Manches klang wie Varietémusik, hatte Humor und Spielwitz, manifestierte das unglaublich virtuose Know-How der Protagonisten, und verlieh der Musik einen unmittelbaren Charakter, wie eben bei den bluesigen und jazzigen Stücken.
Die anwesenden Besucher wussten jedenfalls mit den Konventionen eines Zappa-Konzerts umzugehen, beispielsweise einen Victory-Gestus dramaturgisch und im Konsens mit dem Bühnengeschehen in Szene zu setzten.
Es schien als hätten die Akteure die Arrangements Zappas zur Grundlage ihrer eigenen Musikalität genommen, um dessen Werk durch Nachspielen zu ergründen und auszuschöpfen.

Doch bei allem Kopieren und den akribischen Respekt vor den Kompositionen des Meisters, war doch die so ganz eigenständige Spielfreude, nicht zuletzt in den akrobatischen Einzel-Zirkusnummern der Instrumentalisten, sehr präsent, was durchaus demokratisch empfunden wurde.
Der Sohn und Impressario Frank Zappas besticht neben seinen musikalischen Fähigkeiten durch Eigenständigkeit, Spiritualität und Respekt, ohne sich vom übermächtigen Geist des Vaters weder erdrücken noch aushebeln zu lassen.
Spätestens beim letzten Zugabenteil mit "Muffin Man", wusste jeder Anwesende um die Würdigkeit dieses Konzerts, akzeptierte bzw. schien sogar zu vergessen, dass da Dweezil und nicht Pappa Zappa auf der Bühne stand.
So endete ein genussreicher Konzertabend, welcher in gut 2 ½ Stunden kein echter Ersatz für das Original sein konnte, aber dennoch eine lobenswerte Hommage an einen der prägnantesten Musikergenies des zwanzigsten Jahrhunderts.
RockTimes bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Raphaela Ciblis (Public-Relations, Moderne Welt Veranstaltungs AG) und Fotograf Axel Clemens.
Bilder vom Konzert
|