Barry Miles / Zappa
Zappa
"Für David Wally, Urban Gwerder, Alain Dister und Mick Farren, Zappatisten der ersten Stunde."
So die Widmung ganz am Anfang dieses unterhaltsamen und informativen Buches von Barry Miles, einem Kenner der Musikszene, der schon einiges über Musiker der 60er und 70er Jahre veröffentlicht hat. Nicht einfach so aus dem Blauen, denn Barry kannte die Menschen über die er schrieb, begleitete sie auf ihren Wegen, war mit ihnen befreundet und schafft so eine Intimität in den Büchern, die auch den Leser 'dabei sein lässt'.
Zappatist muss man nicht sein, um dieses Buch zu lesen. So wenig, wie man Zappa - Hardcore-Fan sein muss, um seine Musik zu mögen. Natürlich gibt es 'Schräges' und ganz Schräges in seiner Diskografie, aber auch Titel mit wunderschönen Melodien. Bei den Texten sollte aber klar sein, dass sie provozieren, aufrütteln, sich gegen alles und jeden, und ganz besonders gegen das Establishment richten.
Ein unschätzbarer Vorteil findet sich am Ende des Buches. Neben dem üblichen Register gibt es weitere 'Goodies', die das Querlesen und Auffinden gesuchter Inhalte zum Kinderspiel machen:
Publikationsdaten
Bibliografie
Weiterführende Literatur
Diskografie
Filme und Bücher
Bildnachweise
Werkregister
So ist es ein leichtes, etwas über einen bestimmten Track zu erfahren, oder nachzulesen, wieso Tom Jones im Register zu finden ist. Ich will es verraten: Es geht um den Song "Panty Rap" und dass Frank Zappa dabei die Frauen aufforderte, ihre Höschen auf die Bühne zu werfen. Ein Mr. Jones brauchte die Damenwelt nicht zu animieren.
Beim Lesen des Buches wird schnell klar, dass Frank keiner war, den man als Mensch verehren muss. Er selbst hat dies auch nicht von seinen Fans erwartet, mehr noch, er hat seine Fans oft mit 'Dreck beworfen' und sein Zynismus war schon von der ganz harten Sorte. Barry schreibt, dass Zappas Mentor Igor Strawinsky war. Dass er nicht wie seine Rock 'n' Roll-Kumpane der Meinung war, Gefühle per Musik auszudrücken: "...Zappa glaubte nicht an Liebesgeschichten. Er hielt Songs über Liebe für unehrlich und manipulativ..."
Ja, Zappas Texte gehen andere Wege, was ich an einem der kommerziellsten Titel seines Schaffens aufzeigen möchte. "Bobby Brown" hat wohl jeder schon mal gehört, auch wenn ansonsten nichts von dem Mann mit dem stechenden Blick bekannt ist; lief doch gerade dieses Stück in den Siebzigern die Rundfunkstationen rauf und runter. Und auch heutzutage ist es wohl die einzige Zappa-Nummer, die im kommerziellen Dudelfunk des Öfteren zu hören ist. Der Titel ist schwulenfeindlich und neben Ärger mit den Gay-Gruppen, gab es auch Aufruhr im Feministinnen-Lager, die "Bobby Brown" als sexistisch einstuften.
Der schwul gewordene Bobby findet Gefallen am S&M und so tauchen dann auch die Begriffe 'tower of power' und 'golden shower' im Text auf. Wir erfahren was ein 'tower of power' ist, nämlich ein "kleiner Stuhl aus dem ein Zapfen ragt, der sich in dein Arschloch schiebt, und an den Stuhlbeinen sind Riemen, mit denen man die Knöchel von wem auch immer an den Stuhlbeinen festschnallen soll".
Herrlich wenn man dann liest, dass Zappa sich kaputtlachte, wenn er sah, wie die Leute in den Discos zu diesem Song tanzten, ohne zu wissen, um was es überhaupt geht.
Gays und Feministinnen gegen sich zu haben ist das Eine, aber bei "Jewish Princess" schaltete sich eine mächtige, jüdische Lobby ein. Zappa sagte später in einem Interwiew zu 'diesen Leuten': "Fickt euch doch in's Knie".
So finden sich zu allen Zappa-Songs Geschichten. Und die findet man, indem man im Werkregister schaut, auf welcher Seite die Nummer zu finden ist. Es geht aber auch anderes, nämlich auf Seite 1 anfangen zu lesen - über ein konservatives und rechtslastiges Nest namens Cucamonga im Jahre 1965. Ein Ort, in dem man kurzärmelige weiße Hemden trug und T-Shirts ablehnte. Logisch dass es nicht lange brauchte, bis der 24-jährige Zappa hinter Gittern saß. Nicht weil er krumme Dinger drehte, sondern weil ihn die 'anständige' Polizei als Gefahr für die Gesellschaft einstufte, ihm eine fiese Falle stellte und Frank in selbige tappte. Dieser Gefängnisaufenthalt hinterließ ein Trauma, Zappa verlor seine Gutgläubigkeit und wurde zum misstrauischen Zyniker. Autoritäten erkannte er nicht mehr an, der 'American Way Of Life' war für ihne eine Lüge. Schnitt.
Es geht nach Sizilien in's Jahr 1905 und zur Geburt von Francis Vincent Zappa, Franks Vater. Barry Miles fängt wirklich ganz vorne an. Er informiert uns auch darüber, dass Frank in seiner Kindheit Pasta mit Linsen verabscheute (ich kann das nachvollziehen).
Mehr verrate ich jetzt nicht, denn ich möchte das Buch empfehlen.
"Zappa" ist eines dieser Bücher, die man je nach Gusto lesen kann: Von vorne nach hinten, mittendrin anfangen, sich einen Eintrag im Register suchen...
Barry Miles hat es geschafft, spannend zu schreiben und Informationen bis zum Abwinken zu liefern.
'Mojo' schreibt: "...musikalisch bestechend und so lebendig, als wäre man dabeigewesen...
und ich möchte auch den 'Daily Telegraph' zitieren: "Miles gelingt es, Zappas Geheimnisse zu entschlüsseln und seine besonderen Gaben und Neurosen zu erklären. Man versteht ihn besser, auch wenn man ihn weniger mag."
Dem ist nichts hinzuzufügen. Dieses Buch gehört in jeden Rock-Haushalt, denn Frank Zappa war wohl eine der Rock-Musiker-Persönlichkeiten, ohne die dem vergangenen Jahrtausend etwas Wichtiges gefehlt hätte. Das letzte Wort soll deshalb eine weitere, bereits verstorbene Größe haben:
"Ich bewundere ihn wirklich, wirklich sehr." (John Lennon)


Barry Miles - Zappa
2. Auflage, Dezember 2005
Aus dem Amerikanischen von Michael Kellner. Originalausgabe erschienen 2004 unter dem Titel "Frank Zappa" bei Atlantic Books, London.
499 Seiten (528 mit Register), 24 Abbildungen, Gebunden, 29,90,- EUR
ISBN 3-8077-1010-9, Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags KG Berlin
Exclusiv erhältlich bei Zweitausendeins
Ulli Heiser, 04.03.2006