Vor dem Konzert der Zeltinger Band am 30.10.2010 im Red Hot in Jüchen trafen wir Jürgen backstage und plauderten nicht nur über alte Zeiten, sondern auch über Cat Stevens, Chat Rooms und seine Zukunftspläne.
RockTimes: Deine neue CD "Die Rückkehr des Retters", die jetzt ein halbes Jahr auf dem Markt ist, klingt nicht nur für mich überraschend frisch und powervoll. Woher kam dieser neue Schub Energie, den man ohne Zweifel hört?
Jürgen: Wir mussten endlich mal wieder eine neue CD aufnehmen. In den letzten Jahren sind diverse Best-Of's erschienen und wir wollten wieder neue Lieder produzieren und dann natürlich auch live spielen. Volker Voigt [Gitarrist der Zeltinger Band - Anm.d.V.] als langjähriger Freund und Fan kam dann an und hatte 12 Songs geschrieben. Er meinte nur: »Hör dir die mal an«. Ich war direkt begeistert vom neuen Material und wir haben die Lieder dann relativ kurzfristig eingespielt.
RockTimes: Stört es dich nicht, dass du als Chef gar nicht ins Songwriting involviert warst?
Jürgen: Nein, absolut nicht. Ich habe jetzt nicht so ein großes Ego, dass ich immer meine Finger im Spiel haben muss, nur weil mein Name drauf steht. Die Songs waren alle gut und da brauchte ich nichts mehr dran verändern.
RockTimes: Der Albumtitel "Die Rückkehr des Retters" klingt ja sehr plakativ. Ist das nur ein Gag oder willst du uns wirklich retten?
Jürgen: Nein, das war nur ein Slogan der Plattenfirma, weil es, wie du schon sagst, einfach gut klingt. Sonst steckt da keine größere Bedeutung hinter.
RockTimes: Als Bonus liegt der neuen CD ja ein Hörbuch bei. Leider ist es nicht sehr lang, aber sehr interessant und man will danach einfach noch mehr von deinen Stories hören. Hast du auch mal ein komplettes Hörbuch geplant?
Jürgen: Das mit dem aktuellen Hörbuch war leider nur eine Notlösung. Wir wollten eigentlich mein Buch "Die Zeltinger Story - Chronik einer Jagd", was ja bereits vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, als Hörbuch umsetzen. Das war auch soweit schon fertig, aber dann ist der Produzent und auch guter Freund von mir leider schwer krank geworden. Er musste ins Krankenhaus und wir konnten das Hörbuch nicht mehr rechtzeitig fertig stellen. Was da jetzt als Bonus zur CD erschienen ist, war eine absolut improvisierte Notlösung, denn das Platten-Cover war bereits gedruckt und so haben wir diese Hörbuch-Variante an nur einem Abend mitgeschnitten.
RockTimes: Aber das komplette Hörbuch erscheint doch sicher noch?
Jürgen: Sobald es dann irgendwann einmal fertig gestellt ist, wird es auch veröffentlicht.
RockTimes: Ich habe euch vor ein paar Wochen im Ratinger Hof in Düsseldorf gesehen und es war ein wirklich klasse Auftritt. Ist das für dich als Kölner eigentlich etwas besonderes in Düsseldorf aufzutreten, oder ein Konzert wie jedes andere?
Jürgen: Ich weiß was du jetzt hören willst [grinst], aber glaube mir es war ein ganz normales Konzert, was aber wirklich klasse gelaufen ist. Düsseldorfer Konzerte machen da keine Ausnahme. Wir sind da ja weltoffen [lacht].
RockTimes: Stört es dich eigentlich nicht, wenn du bei jedem Konzert jetzt schon seit 30 Jahren immer wieder Lieder wie z.B. "Müngersdorfer Stadion" singen musst?
Jürgen: Nein, das stört mich absolut nicht. Allerdings macht es schon einen Unterschied ob ich mit meiner Band auf der Bühne stehe oder Gast bei anderen Musikern eingeladen bin. Als Frontmann der Zeltinger Band singe ich es gerne. Es ist sicher unsere populärste Nummer und die Leute wollen den Song ja auch unbedingt hören. Anders ist es wenn ich nur Gast bin. Dann kommen Musiker oft auch auf mich zu und sagen »Komm, lass uns mal zusammen "Müngersdorfer Stadion" spielen«. Das mache ich dann nicht, weil ich nicht immer nur auf diese eine Nummer festgelegt werden möchte.
RockTimes: Zu den Anfangszeiten habt ihr ja öfters englische Songs mit deutschen Texten umgeschrieben wie das erwähnte "Müngersdorfer Stadion" [im Original "Rockaway Beach" von den Ramones - Anm.d.V.] oder "Stüvverhof", die deutsche Version vom Lou Reed-Welthit" Walk On The Wild Side". Waren das damals Notlösungen, weil ihr noch nicht genug eigenes Material hattet?
Jürgen: Notlösungen kann man jetzt nicht direkt sagen, aber dazu muss ich etwas weiter ausholen und mal in der Vergangenheit zurückgehen. Die ganze Sache war ja eigentlich nicht so durchgeplant wie das heute bei Bands ist. Wir spielten damals mehr aus Jux im Jahre 1979 ein Weihnachtskonzert im Roxy [für alle Nicht-Rheinländer: Legendärer Kölner Club - Anm.d.V.]. Das war rein akustisch und ist sehr gut beim Publikum angekommen. Der Veranstalter wollte uns dann direkt für Karneval buchen und wir sagten zu, aber unter der Bedingungen, das wir dann elektrisch auftreten würden. In den nicht mal drei Monaten haben wir dann, logischerweise etwas unter Zeitdruck, auch "Müngersdorfer Stadion" einstudiert. Zu "Stüvverhof" hatte ich dann auch in dieser Zeit den Text geschrieben. War wieder so ein typischer Wahnsinnstext, den ich mir im Suff zusammengereimt habe [lacht]. Die erste LP war ja dann eine Mischung: Die A-Seite wurde live im Roxy mitgeschnitten, während wir für die B-Seite uns im Bunker [Kölner Proberaum zur damaligen Zeit - Anm.d.V.] einmieteten und dort die restlichen Stücke einspielten.
RockTimes: Sicher warst du dann sehr stolz über die erste eigene Platte?
Jürgen: Zeltinger.Und wie! Ich war sogar so verrückt und habe mich damals noch heimlich ins Studio geschlichen, um die Songs nachzubessern. Mein Gesang gefiel mir nicht bei allen Stücken, aber unser damaliger Produzent Conny Plank meinte, dass gerade dieser authentische und nicht perfekte Sound genau das wäre, was uns als Band auszeichnete. Das habe ich damals nicht verstanden und ich wollte, dass wir perfekt klingen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir uns wie.. [überlegt kurz]... Modern Talking angehört [lacht laut[. Später habe ich dann aber verstanden was Conny meinte und dass er absolut recht hatte.
RockTimes: Du bist ja auch erst so zum Hardrock gekommen.
Jürgen: Ja, das stimmt. Bis dahin war ich wirklich eher der Balladen-Typ mit Akustikgitarre und stand auf Sachen wie Cat Stevens. Aber als ich dann in dieser Rockwelt drin war, habe ich sehr schnell Gefallen daran gefunden. Trotzdem mache ich ja nebenbei immer auch eigene Sachen und dann kommt der Balladen-Sänger wieder zum Vorschein
RockTimes: Du bist ja jetzt schon lange im Geschäft dabei, aber in den letzten 10 Jahren hat sich das Business extrem verändert - Stichwort Downloads. Wie betreffen dich persönlich diese Veränderung im Gegensatz zu den goldenen Zeiten, z.B. in den 70ern und 80ern ?
Jürgen: Zeltinger: Es ist ja nicht alles schlechter geworden. Es gibt auch durchaus positive Entwicklungen. In den 70ern beispielweise sind ja alle beschissen worden. Egal ob kleine Bands oder auch die Rolling Stones - alle hatten aus heutiger Sicht absolute Knebelverträge mit den Plattenfirmen, die wiederum kaum Geld an die Künstler ausgezahlt haben. Damals waren Plattenfirmen halt clever und Musiker meist sehr naiv. Das hat sich heute zum Glück geändert, denn heutzutage würden die Plattenfirmen mit Prozesslawinen überrollt werden und auch die Musiker sind schlauer geworden. Daher läuft die Abrechung bzw. die Bezahlung der Künstler viel korrekter ab als damals.
Andererseits hat gerade der Computer in den letzten Jahren viel kaputt gemacht. Nicht nur durch die Downloads, sondern auch im normalen Leben fehlt mir einfach durch die ganzen Chat-Rooms und sozialen Netzwerke die persönliche Ebene. Die Leute kommunizieren oft nur noch im Internet, aber der wirklich persönliche Kontakt von Mensch zu Mensch geht langsam vor die Hunde.
RockTimes: Hat sich das Tourleben in den letzten Jahren für dich persönlich auch verändert?
Jürgen: Ja sicher. Zum einen hat sich der Tour-Rhythmus geändert. Früher waren wir oft wochenlang am Stück unterwegs und haben oft 200 Gigs pro Jahr bestritten - mit allem was dazu gehört [lacht]. Ich hatte drei Jahre lang gar keine Wohnung, weil wir nur in Hotels übernachtet haben. Darauf habe ich heute auch gar keine Lust mehr. Heutzutage spielen wir maximal zwei Konzerte pro Woche. Ich schaffe das körperlich mit meinen mittlerweile 61 Jahren auch nicht mehr, den Rhythmus von früher beizubehalten. Na ja, und mit der Sauferei ist halt auch Schluss. Heutzutage trinke ich vor Konzerten etwas, aber wenn es dann doch etwas zu viel sein sollte, merke ich es am nächsten Tag um so heftiger [auf kölsch: Mir weede halt ahl net jönger, lacht].
RockTimes: Zum Schluss würde ich gerne noch wissen, wie deine Zukunftspläne aussehen?
Jürgen: Da ist einiges geplant. Zum einen kommt ja wie bereits erwähnt das komplette Hörbuch raus. Außerdem habe ich ein Soloalbum aufgenommen, was auch im Laufe des kommenden Frühjahres veröffentlicht wird. Dann wollte ich im eigenen Studio als Produzent tätig werden. Es gibt einige talentierte junge Musiker die ich produzieren werde. Aber natürlich sind wir auch als Zeltinger Band unterwegs und bis jetzt sind auch schon diverse Konzerte für 2011 gebucht.
RockTimes: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
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