Ich bin ein großer Liebhaber von Neil Young und seiner Musik. Deshalb hat es mich gleichzeitig gewundert und gefreut, dass der Altmeister in diesem Jahr so eifrig am Produzieren ist. Bereits ein halbes Jahr nach "Americana" erscheint gleich eine Doppel-CD mit dem verheißungsvollen Titel "Psychedelic Pill". Beide Scheiben sind wieder mit seiner Begleitband Crazy Horse entstanden, und nachdem der Vorgänger ein echtes Highlight ist, kann ich es kaum abwarten diese Pille in die Hand zu nehmen. Wird sie meine Erwartungen erfüllen und nahtlos an Americana anknüpfen?
Bereits im Vorfeld wird angekündigt, dass die beiden CDs mit überlangen Titeln nur so gespickt sein werden. Ich liebe das, denn dadurch kann man die Musik besonders ausgiebig genießen. Die Aufmachung des Covers ist, wie bei Young üblich, recht spärlich, und die Schrift, sowie das sehr kleine Booklet, sind schwer leserlich. Also CD eins rein, und losgelegt.
"Driftin' Back" heißt die Ouvertüre, und ist der erste Dauerbrenner mit fast dreißig Minuten. Dreißig Minuten Langeweile, wie ich finde. Young und seine verrückten Pferde kommen nicht aus den Hufen. Die Gitarren klingen so, als wenn niemand so richtig Lust zum Spielen hat. Der Gesang, als ob der Meister die Abendsonne auf seiner Broken Arrow Ranch im Schaukelstuhl genießt, und kurz vor dem Dahindösen ist. Ich bin zum ersten Mal seit Langem von Young enttäuscht. Gerade diese langen Songs sind sonst bei ihm das Salz in der Suppe. Wie oft habe ich mir in schlaflosen Nächten mithilfe meines I-Pod, der immer neben meinem Bett liegt, besonders gerne seine langen Werke angehört, um dabei über alles mögliche Nachdenken zu können. Das Einzige, was mich in diesen siebenundzwanzig Minuten anregt, ist die Tatsache, das es mich verleitet weiter zu drücken.
Der Titelsong "Psychedelic Pill" erwartet mich. Kurz und bündig rockt das Teil durch meine Ohren. Deutlich besser und kräftiger gespielt. Einziger Makel ist der Gesang, der sehr mit Hall durchsetzt ist, und dadurch klingt, als wenn er unter einer Autobahnbrücke aufgenommen wurde. Noch wirkt die Pille bei mir nicht. "Ramada Inn" ist in der typischen weinerlichen Art von Young interpretiert, die er oft bei seinen sehr ruhigen Songs an den Tag legt. Der Song ist, wie der folgende "Born In Ontario", ganz okay. Im Großen und Ganzen ist CD 1 damit abgehakt. Sie hat mich nicht überzeugt.
Auf CD 2 sieht dagegen die Welt schon viel besser aus. "Twisted Road" klingt sehr nach guter alter Country-Musik und geht ins Ohr. Die Band besinnt sich endlich auf ihre Qualitäten und legt sogleich mit "She's Always Dancing" einen echten Top Song nach. Da ist er wieder, der Meister der schrägen Töne. Er tobt sich in seinem Element aus, rockt und groovt, was das Zeug hält. Dazu die typische Gitarre mit dem unverwechselbaren Sound. Das Ganze auf fast neun Minuten; Neil Young-Fan, was willst du mehr. Mit Abstand handelt es sich bisher hierbei um das beste Stück der Doppel-CD. Dennoch wird es für einen Moment wieder etwas ruhiger. "For The Love Of Man" ist ein melancholischer Schmachtfetzen, der mächtig auf die Tränendrüse drückt. Wer also gerade unter Depressionen leidet, sollte diesen Titel überspringen. Dafür folgt mit "Walk Like A Giant" der beste Track auf "Psychadelic Pill". Eingeleitet durch ein schönes Pfeif-Intro legen Crazy Horse so richtig los. Die Pille zeigt endlich ihre Wirkung. Zwar spät und ganz zum Schluss, aber besser jetzt als nie. Der Song ist der vierte Dauerbrenner, und bis etwa zur zehnten Minute das Highlight, auf das ich seit Beginn gewartet habe. Ungewöhnlich wird es nur zum Ende, als die Band versucht mit ihren Instrumenten den Gang eines Riesen nachzuahmen. Ganze fünf Minuten mehr als merkwürdige Geräusche, bis hin zu totaler Ruhe. Vielleicht versuchen sich die Hörer selbst ein Urteil darüber zu bilden. Für mich ist der Song an dieser Stelle beendet.
Mein Fazit: "Psychadelic Pill" erfüllt nicht die Erwartungen. Die Pille will nicht so richtig wirken. Young und seine Crazy Horse hätten sich deutlich mehr Zeit lassen sollen. Nach dem hervorragenden Album "Americana" werden wohl viele Fans enttäuscht sein. Es kann leider nicht immer alles Gold sein, und beim nächsten Mal wird es bestimmt wieder besser.
Line-up:
Neil Young (vocals, guitars)
Pocho Sampedro (guitar)
Billy Talbot (bass)
Ralph Molina (drums)
Tracklist |
CD 1:
01:Driftin`Back
02:Psychadelic Pill
03:Ramada Inn
04:Born In Ontario |
CD 2:
01:Twisted Road
02:She' s Always Dancing
03:For The Love Of Man
04:Walk Like A Giant |
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Externe Links:
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