»Warum sollte man auch von Acht bis Fünf arbeiten, wenn man auch von Zehn bis Zwei auf der Bühne stehen kann?«, müssen sich die Vier von Y825 wohl gedacht haben, als sie ihre Band im Jahre 2003 ins Leben gerufen haben. Jetzt aber bitte nicht denken, dass die Jungs aus dem französischen Teil der Schweiz zu faul zum Arbeiten sind - die Beweggründe und der Bandname haben eine ganz andere Geschichte.
Y825 kommen aus der Stadt La Chaux-de-Fonds. Und in dieser Region des Landes herrscht die größte Arbeitslosenrate der Schweiz. Als junger Mensch hat man daher nur wenige Möglichkeiten, um sich seine Zukunft zu gestalten: Entweder man blickt frustriert und ungewiss in diese, oder aber man zieht weg und hofft, woanders eine Ausbildungsstelle oder eine Arbeit zu finden. Y825 haben sich für eine andere Möglichkeit entschieden: die Musik!
Auf der Bühne spielen sich Y825 ihren Frust vom Leib und zeigen, dass man sich mit Ehrgeiz und Eigeninitiative die Weichen für seine Zukunft selber stellen kann. 2005 war es dann soweit. Y825 verließen die Bühne und nahmen Platz im Studio, um ihr Debüt-Album "Y825" aufzunehmen.
Entstanden ist ein solides Alternativ Rock-Album, welches von George Marino (Coldplay, The Hives, Velvet Revolver, etc.) höchstpersönlich gemixt und gemastert wurde. Das unterstreicht die Qualität der Aufnahme und die Qualität der jungen schweizer Band.
Trotz aller Lobeshymnen der schweizer Presse, den begeisterten Fans der Live-Shows und den mitwirkenden Personen, die die Band wohl zu recht unterstützen, möchte/muss ich fairer Weise an dieser Stelle ein paar negative Dinge aufzählen.
Das Debüt-Album "Y825" enthält lediglich acht (!) Tracks, das mit einer sehr kurzen Spieldauer von etwa 30 Min. daherkommt. Und da ist es schon eine Kunst für sich, dass die Trackreihenfolge auf der CD nicht mit der Trackliste auf der CD-Hülle übereinstimmt. Nicht nur das, da herrscht sogar totales Chaos. Auch Fans von Gitarrensoli werden enttäuscht: die CD enthält kein einziges Solo.
Der Opener "Go Away (If You Want To Stay Free)" geht richtig los. Geradeaus und voll auf die Zwölf, rockt mir dieser fast die Speaker aus dem Holzgehäuse - damit hatte ich nicht gerechnet. Und noch eine Überraschung: Die Stimme von Mikael 'Mike' H. klingt wie Kurt Cobain zu seinen besten Zeiten. Rauh und emotional. Nach knapp vier Minuten ist der Spass unerwartet vorbei und es geht düster und ruhiger weiter mit "Cheers". Dieser Song klingt wie eine Mischung aus Nirvana und den Doors. Ersteres mehr, zweiteres weniger und drittens mit eigener Note, denn Mike greift zur Mundharmonika.
"Try?", "Why?" ... hier liegt die Wurzel des Tracklisten-Chaos. Die beiden Titel sehen sich ja auch zum Verwechseln ähnlich. Es geht aber definitiv weiter mit "Why?" Und es wird wieder mehr Fahrt aufgenommen. Rockt und groovt allerdings nicht so wie der Opener.
Kurz zu den Texten der Band, die natürlich nicht im Schweizer Deutsch oder Französisch daherkommen :-) Hätte aber sicherlich auch mal was. Nein, Englisch ist natürlich die Sprache der Rockmusik. Auf jeden Fall hatte ich mir die Texte anders vorgestellt, nachdem ich die Vorgeschichte der Band gelesen hatte. Hatte Rebellen erwartet, mit Frust auf den Staat, gegen das System und Aufruf zur Veränderung. Im Nachhinein fiel mir dann ein, dass es ja keine Punk-Band ist und hier die Dinge anders gestrickt sind. Die Songs basieren auf persönlichen Gefühlen, Enttäuschungen und offenen Fragen. So auch bei "Why?", welches meine persönliche Lieblingszeile im Refrain enthält:
»Tell me why we got to fight
for a world givin' nothing to a child
tell me why children die
to let green paper growing in your bank.«
Mit "Let Me Go" ist ein weiteres ruhiges und melancholisches Stück auf der CD. Mit dem anfänglichen Nirvana-Sound hat das nix mehr zu tun. Wäre es nicht so früh am Morgen würde ich bei diesem Song meinen Kaffee durch eine Tasse Whisky eintauschen.
Nächster Versuch: "Try". Es rollt wieder. Damit sich der Hörer nicht erschreckt, wird gemütlich und Road-Movie-like die grungige Rock-Gitarre durch akustische Rhythmus-Gitarre ersetzt. Man wird zum nächsten Track getragen und kann den Whisky wieder zurück in den Schrank stellen (oder neben das Bett - je nach Lebensgewohnheit).
Beim "High School Blues" handelt es sich natürlich nicht um Blues, wie wir ihn lieben und schätzen. Ist auch gut so, hätte nämlich nix auf einem Rockalbum zu suchen. Vielmehr wird der Blues besungen, den man bekommt, wenn man in der Highschool rumhängen muss. Und den dürfte jeder kennen. Musikmässig bewegt sich die Band jetzt in Richtung Guns N' Roses, allerdings mit weniger Slash-Gitarre. Die ausgelassenen Soli hatte ich anfangs ja schon erwähnt.
Jetzt wird es wieder verwirrend. Weiter geht es nämlich mit "Shake Down", welches laut Trackliste nach "Why?" (also "Try") und vor dem "High School Blues" (also jetzt danach) kommt. Etwas enttäuschend, dass auch dieser Song nicht mehr an die Power des Openers rankommt. Aber dafür unheimlich straight und treibend und mit einem Ohrwurm-ähnlichen Tier verbunden werden kann.
Und wo wir jetzt bei den Tieren angekommen sind, geht es mit "Flying Horse" weiter. Eine Ballade mit Akustik-Gitarre und Mundharmonika. Der Text ist abstrakt und ich bin ehrlich: ich verstehe ihn nicht.
»When the sun went down
Ridin' earth with the time
Summit wind already missed him
And rivers went down to the ocean's deep...«
und gerne hätte ich mir einen richtigen Kracher zum Abschluss gewünscht. Auch nach "Flying Horse" wäre auf der CD noch reichlich Platz gewesen.
Fazit:
Die Band Y825 legt ein Alternativ Rock-Debüt-Album vor, welches leider viel zur kurz geraten ist und auch viel zu ruhig daherkommt. Ersteres kann ich ich nicht nachvollziehen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass das Live-Programm ebenfalls so kurz ist. Dann noch das Chaos mit der Trackliste und den überwiegend ruhigen Songs. Trotz allem Negativem gefällt das Album nach mehrfachem Hören. Auch wenn das Review sich eher negativ anhört: Auf jeden Fall reinhören und eigene Meinung bilden, die junge Band im Auge behalten und unterstützen - es lohnt sich. Wenn die vier Jungs so weitermachen, könnte da noch was größeres Folgen. Das Rad wurde nicht neu erfunden: Das Album ist aber bodenständig, ehrlich und mit eigener Geschichte. Nicht der perfekte Einstieg auf dem Rockmarkt, aber ein guter und ehrlicher.
Line-up:
Mickael 'Mike' H. (Gesang, Gitarre, Harmonica)
David M. (Gitarre)
Alan M. (Schlagzeug)
Sebastien Z. (Bass)
Tracklist (Original) |
01:Go away (if you want to stay free)
02:Cheers
03:Try
04:Let Me Go
05:Why?
06:Shaked Down
07:High School Blues
08:Flying Horse
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