Die Zukunft ist längst vorbei
Zwischenruf
Hardwaresalat
Kollege Olaf "Olli" Oetken und meine Bescheidenheit haben an dieser Stelle bereits unsere Meinungen zu einigen neuen Techniken und Trends im Home-Entertainment Bereich zu Monitor gebracht. Mal ging es um Downloads, mal ging es um Dolby 5.1 (siehe Zwischenruf). Leider muss die RockTimes auf letzteres Thema noch mal zurückkommen. Diesmal geht es um die Hardware.
Warum? Weil diese neuen Systeme selbst sturmerprobte End-Dreißiger zur Verzweifelung bringen können. Das war nämlich so:
Mein bester Kumpel musste im Zuge einer innenarchitektonischen Vision seinen Wohnbereich umgestalten. Vorab gesagt: Die Vision stellte sich als absoluter Glücksgriff heraus. Allerdings gab es ein Problem. Die Hifi-Boxen erschienen der Hausherrin im umgestalteten Wohnumfeld plötzlich als zu groß. Machen wir uns nichts vor: Die Frauen haben die Macht und die Männer die Arbeit. Es galt für meinen Kumpel also eine Alternative zu finden.
Sofort liebäugelte er mit einem Dolby 5.1 Aggregat. Die fünf Boxen sind schön klein und unauffällig, machen trotzdem einen amtlichen Krach. Aber der Subwoofer...
Denen gegenüber war mein Kumpel schon immer skeptisch gewesen. Aber was sollte es? Beherzt gab er schließlich die Bestellung auf und die alten Speaker ab.
Die Überraschung war ziemlich groß als sich schon am Tag der Lieferung Folgekosten andeuteten. Dolby 5.1 Boxen sind nämlich mit einer normalen HiFi -Anlage aus den 1990'er Jahren, oder sogar früher, nicht kompatibel. Nicht im Geringsten.
Kurzerhand wurden im Nachtragshaushalt Mittel für einen neuen "DVD/Spieler-und-5.1-Verstärker-in-einem" freigeschaufelt. Die Investition erfolgte umgehend.
Er hatte schon bald Gelegenheit, die Hotlinenummer des Herstellers auszuprobieren. Haltet euch fest, er wurde wirklich, echt und ohne Mist von einem Techniker zurückgerufen.
Trotzdem war er mit dem Sound des neuen Musikaggregats immer noch nicht zufrieden. Die Metallica-Scheibe klang wie durch eine Wolldecke gedämpft. Aber wenigstens ging die Queensryche so einigermaßen.
Er ist immer noch dabei sich die Musikanlage zu richten. In den nächsten Tagen will er sich von einem Kumpel einen reinen Dolby 5.1 Verstärker ausleihen - zum "Back to Back" Test.
Was sind die Ursachen für eine solche Misere?
Die Hersteller sind lernfähig. Insbesondere wenn es darum geht, überflüssige Kosten einzusparen, beweisen sie eine unglaubliche Kreativität. In irgendeinem Brainstorming der Firma wurde offenbar eine phantastische Sparidee ausgebrütet. Nein, nicht etwas so banales wie die Kantine zu schließen, die Bewirtung bei Meetings zu streichen oder die Seife in den Hygienebereichen abzuschaffen. Diesmal wurde der ganz große Wurf ausgebrütet. Eines der Marketinggenies realisierte, dass Männer niemals Gebrauchsanweisungen lesen. Warum auch? Gebrauchsanweisungen lesen ist irgendwie ... unmännlich. Klar, er selbst liest sie vermutlich schon, so wie die meisten anderen "Männer" im Marketing auch, aber die Kunden?
Also ging die Firma dazu über, die Gebrauchsanweisung auf das absolut Notwendigste einzudampfen.
Der langen Sätze kurzer Sinn:
Das mitgelieferte Pamphlet ist vollkommen unbrauchbar. Mit vor Arroganz triefender Selbstverständlichkeit werden Fachbegriffe benutzt, die mein Kumpel im Leben noch niemals gehört hat. Ich übrigens auch nicht. Zu allem Überfluss sind viele der Fachbegriffe nur in abgekürzter Version abgedruckt. Wir wussten nicht, was die Abkürzungen bedeuteten. Wenn wir das irgendwie schließlich dann doch herausgefunden hatten, wussten wir noch lange nicht, was das eigentliche Wort dahinter für ein Geheimnis barg.
Die Einstellungen an der Anlage konnten nur über den TV-Bildschirm vorgenommen werden. Da saßen wir also. Eine Batterie von drei Fernbedienungen auf dem Boden vor uns, völlig ahnungslos und hoffnungslos überfordert. Die meisten Menüpunkte waren meistens geghostet. Manchmal aber auch nicht. Eine Gesetzmäßigkeit war nicht ablesbar. Die Dolbymaschine verhielt sich völlig willkürlich.
Mal kam der Sound von vorne, mal von hinten. Dann hatten wir wieder Stereo, bis es darum ging "Abzuregeln".
Das Schicksal meines Kumpels ist kein Einzelfall. Ich selbst habe alleine einen Tag dafür gebraucht, meine Dolby 5.1 Anlage überhaupt erst mal aufzubauen. Na ja, vielleicht wäre es mit Gebrauchsanweisung schneller gegangen. Wie ein Schneekönig freute ich mich, als der Probeton endlich von sämtlichen Boxen abgestrahlt wurde. Bis heute sind mir nicht alle Funktionen dieses verdammten Dings vertraut. Dem Himmel sei Dank war ich nicht so geisteskrank, meinen alten "Technics-Vorverstäker-und-davon-getrennte-Endstufe-mit-der-Pegelanzeige" (eine echte Männermaschine) zu himmeln.
Lustigerweise sind die eingangs erwähnten und von meinem Kumpel zwangsweise aussortierten Standboxen jetzt mit meinem alten HiFi-Verstärker verkabelt.
Was müssen diese Leute, die solche Dolby-Dinger entwickeln doch für Überflieger sein, wenn so normaler Kerle, wie mein Kumpel und ich, sie nicht mal mehr vernünftig bedienen können.
Die Zukunft hat längst begonnen?
Von wegen!
Für Leutchen mit einer ähnlich niedrigen Inkompetenzschwelle wie meiner ist die Zukunft wohl schon längst vorbei!
Olli "Wahn" Wirtz, 21.03.2005