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Zwischenruf
Digitale Revolution?
Kürzlich kam die Radiomeldung durch! Allerdings blieb sie bisher ziemlich unbeachtet. Die Record-Companys hätten ihre wirtschaftliche Depression überwunden, hieß es dort. Erstmals seit geraumer Zeit sei es im Jahr 2004 wieder spürbar aufwärts gegangen mit den Umsätzen. Der Grund soll folgender gewesen sein:
Die Musikfans hätten 2004 mehr als jemals zuvor Songs legal aus dem Internet runtergeladen und natürlich dann auch dafür bezahlt. 10 mal mehr als 2003! Das ist mal eine Steigerungsrate!
Ist das der Dammbruch?
Ja!
Ist er noch aufzuhalten?
Nein!
Wäre das denn zu wünschen?
Bin mir noch nicht sicher!
Es klingt erst einmal ganz gut. Ohne Weiteres können die neuen oder auch die älteren oder einfach die gewünschten Songs von den Portalen der gewerblichen Anbieter downgeloaded werden. Man benötigt aber schon die entsprechende Ausrüstung. DSL oder so was muss es schon sein, denn sonst wird das Runterziehen des Inhalts einer CD zur Lebensaufgabe. Ist doch eigentlich klasse.
Nie mehr aufgrund der Alterskurzsichtigkeit gebeugt wie eine geknechtete Gestalt in einem Plattenregal herum wühlen.
Schon gar nicht mehr auffällig abfällig den Kopf schütteln, wenn man auf eine CD stößt, die augenblicklich die Charts stürmt.
Schnell verlegen zur Seite blicken, wenn einem ein Sexy-Cover aus der Minouge- oder Biedermann-Fraktion ins Auge fällt, braucht man dann zukünftig auch nicht mehr. Denn zu Hause vor dem PC beobachten das keine jungen "Hüpferinnen", vor denen man im Plattenladen ja nicht als "alter geiler Bock" erscheinen will.
Es gibt noch andere Vorteile. Und zwar die unmittelbare Verfügbarkeit! Zur Zeit warte ich beispielsweise verzweifelt auf eine CD von John Sykes, die ich mir in Übersee bestellt habe. Sie wird Europa irgendwann im Schiffscontainer erreichen, vermutlich zwischen Erdnüssen aus Texas und Käse aus Wisconsin. Wäre doch toll, wenn ich mir den Stoff einfach über die Datenautobahn liefern lassen könnte. Blitzschnell und direkt!
Dann wäre die Musik sofort verfügbar. Stimmt, aber eben nur die Musik. Keine CD, kein Cover, kein Booklet; kein Produkt, das in der Hand gehalten werden kann. Wie befriedigt der Sammler dann seine Leidenschaft? Auch nur noch virtuell?
Eines ist klar: die Runterladerei wird letztendlich der Todesstoß für die CD sein. So unerbittlich, wie diese seit Mitte der 1980er Jahre die Schallplatte verdrängt hat, wird der Download die Cd verdrängen. Klar gibt es noch heute Dinosaurier, die sich Platten kaufen. Und immer wieder scheint es eine Renaissance zu geben für das schwarze Vinyl. Ich selbst habe mir kürzlich noch drei alte und gebrauchte Frank Zander LPs gekauft. Aber nicht, weil mir der verstaubte Sound so gut gefällt oder weil mich die Gleichlaufschwankungen so anmachen. Den Kram gab es einfach nicht als CD. In Wahrheit ist die LP nur noch ein Anachronismus mit dem einige Labels den Liebhabern das Geld aus der Tasche ziehen wollen.
Für die CD wird das Gleiche gelten. Irgendwo wird sie der "ewig gestrige" Compact-Disk Fetischist auch in Zukunft noch kaufen können. Sei es auf dem Trödelmark, direkt neben der MC, die sich in gewissen Kreisen ja auch noch erstaunlich lange hält oder im Internet-Nischen-Shop.
Die Companys werden versuchen, den Trend zum Download und weg von der CD zu beschleunigen. Wir werden das erleben, was landläufig als die Diktatur des Anbieters bezeichnet wird. In unserer News-Rubrik tauchte irgendwann eine Meldung auf, dass die ersten Companys reine Online Labels gegründet haben. Dort sollen dem Musikfan auch neue Bands angeboten werden. Als Testballon für die Plattenfirmen, denn von der Downloadrate soll es abhängig gemacht werden, ob die Künstler einen Plattenvertrag bekommen. Nu ja, das wird dann bald auch nicht mehr nötig sein, denn es wird ja keine Platten mehr geben. Die Download-Rate wird entscheiden, ob eine Band zu "richtigen" Rockstars gemacht wird. So mit Musikvideos, TV Auftritten, Welttourneen und so weiter.
Besonders schade finde ich die ganze Entwickelung aber auch noch in einer anderen Hinsicht. Viele kleinere Band verdienen sich ein paar Euro, indem sie bei den Shows ihre CDs anbieten. Abseits der üblichen Distributionswege und direkt, dass heißt ohne Groß- und Einzelhandelsmargen, die ansonsten den Nettogewinn mindern. Im Moment beträgt der Kurs für aktuelle CDs der Bands so rund 15 Euro. Was ein guter Preis ist, sowohl für die Bands als auch für den Musikfan. Wird diese Möglichkeit auch verschwinden?
Dann ist da noch die Geschichte mit der Datenkomprimierung. Immer wieder geht das Gespenst des psychoakustischen Hörens um. Deswegen können die Frequenzen, die der Mensch sowieso nicht wahrnehmen kann, getrost weg gekappt werden, wird gesagt. Das geschieht schon, soviel ist klar. Aber zukünftig wird man sich noch stärker darauf konzentrieren. Die Größe der Datenpakete steht im Zusammenhang mit der Downloadzeit. Beides sind also Faktoren, die letztendlich die Umsätze beeinflussen. Deswegen werden wir in Zukunft immer öfter hören: "Ja, wir komprimieren auch immer mehr, aber wir machen es so, dass es niemand merken kann."
Klar: gekündigt wird ja auch immer sozialverträglich, Depeche Mode sind eine Rock-Band und Ralf Schumacher wird F1- Weltmeister.
Wir werden sehen, wie sich die Zukunft anhört
Olli "Wahn" Wirtz, 12.02.2005