Jedes Jahr im Herbst zeigen sie sich für nur ungefähr 72 Stunden am Rande Fehmarns, am Flügger Strand. Sie sind friedliebend, gesellig und derzeit akut bedroht. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, steht ihre Art vor dem Aus.
Es geht um die Organisatoren und Organisatorinnen des Fehmarn Open Air. Und mit ihnen werden vielleicht auch einige Zugvogelrouten verschwinden. Die der Fangemeinde des Festivals nämlich, aus mehreren Teilen Europas kommend, der Liebhaber von Rock- und Bluesmusik Hendrix'scher Tradition und nichtkommerzieller friedlicher Festivals, die, so vermute ich, in Zeiten heutiger kommerzieller Riesenveranstaltungskultur zahlenmäßig leider wohl doch eher ab- als zunehmen. Wieder eine Spezies weniger an der deutschen Ostseeküste?
2009 und 2010 habe ich – eher zufällig dazugestoßen – mit meiner Firma die Veranstaltungstechnik für das Fehmarn Open Air geliefert. Dieses Festival ist in meinen Augen ein in dieser Form einzigartiges Ereignis. Natürlich habe ich in Zeiten schwindender Kulturzuschüsse immer häufiger mit Enthusiasten zu tun, die unter großem persönlichen Einsatz notgedrungen versuchen, unabhängig etwas auf die Beine zu stellen und ihre Träume zu verwirklichen. Die Art und Weise jedoch, wie die Fehmarn Festival Group seit jetzt fünfzehn Jahren ein Festival umsonst und draußen, völlig friedlich und ohne das übliche Massenaufkommen von kommerziellen Mitverdienern, Werbebannern und Müll, ohne Zerstörung und Gewalt aus dem Boden stampft, finde ich einmalig. Hut ab!
'Aus dem Boden stampfen' ist dabei sogar eine zu grobe Ausdrucksweise. Wo sonst gibt es das, dass mit dem zur Verfügung stehenden Areal so sorgsam umgegangen wird? Zu- und Abfahrt sind geregelt, schützenswerte Pflanzen eingezäunt, Randalieren ist nicht angesagt. Wenn alle Gäste weg sind und Technik, Toiletten, Versorgungsstände und Zäune wieder abgebaut, gehen fünfzig Freiwillige so lange über das Gelände, bis auch das kleinste Fitzelchen Papier aufgesammelt ist. 2010 war ich mit meiner Familie einige Tage nach dem Festival noch einmal am Flügger Strand. Es schien nicht vorstellbar, dass so kurze Zeit vorher hier eine Veranstaltung mit über 15.000 Besuchern stattgefunden haben sollte.
Dass die Nutzung eines solchen Geländes als Festivalwiese mit der Deklaration als Flora-Fauna-Habitat kollidieren muss, ist mir klar und ich habe im Grunde Verständnis für erst einmal auftauchende Bedenken seitens der Naturschützer. Die Idee vernetzter Naturschutzzonen innerhalb Europas finde ich unterstützenswert und auch was andere Projekte betrifft - glaube ich - ein eher umweltbewusster Mensch zu sein. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass hinsichtlich der Bestrebungen, das FOA am Flügger Strand komplett zu untersagen, die Verhältnismäßigkeit in der ganzen Angelegenheit nicht genug Beachtung findet, zumal es leider keinen möglichen Alternativstandort gibt.
Niemand von Seiten der Festival Group hat ein Interesse daran, zu zerstören, zu verjagen, gering zu schätzen. Es gibt Absperrungen, Regeln für die Besucher und das erwähnte Müllsammelkommando. Die Veranstaltung findet außerhalb der Brutzeit statt und dauert nicht länger als eine heftige Schlechtwetterperiode. Auch wenn es drei Tage stürmt und hagelt zieht sich die Fauna in Verstecke zurück, sieht die Flora etwas lädiert aus. Und kaum ist der Spuk vorbei, erholt sich die Natur.
Vielleicht ist diese Situation genau die, die es erfordert, ein Auge zuzudrücken. Gewiss gibt es genug Möglichkeiten, sich mit aller Kraft für die Rettung, Erhaltung und den Schutz bedrohter Natur einzusetzen. Vielleicht gibt es genau hier am Flügger Strand aber zusätzlich die Chance, gegen alle Prinzipien ein Zeichen für lohnendes Miteinander – für einen ganz kurzen Zeitraum nur – zu setzen, anstatt Kräfte und Geld bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu verschwenden.
Und noch einen Aspekt finde ich erwähnenswert: Genau wie im Naturschutz gibt es auch in der Organisation des Fehmarn–Festivals Menschen in Ehrenämtern, Freiwillige, die sich aus Liebe zur Sache engagieren und über lange Jahre hinweg schon einen unglaublichen Einsatz an den Tag legen. In Zeiten, in denen einige Institutionen (z.B. in der medizinischen Versorgung oder Altenpflege) ohne ehrenamtliche Helfer ihren eigenen Ansprüchen kaum noch gerecht werden könnten, kann es nicht sinnvoll sein, Menschen, die Eigeninitiative, Phantasie und Verantwortungsbewusstsein zeigen, vor den Kopf zu stoßen. Meiner Meinung nach sollte es – wenn sich alle Beteiligten um Verständnis und Wohlwollen bemühen – möglich sein, sich im Falle des Fehmarn Open Air auf eine Ausnahmeregelung zu einigen.
Das mag bei einigen Beteiligten Bauchgrimmern verursachen und Überwindung kosten. Ich bin mir aber sicher, dass es sich auf lange Sicht positiv auswirken wird. Auf die Beliebtheit Fehmarns, die Besucherzahlen und die damit verbundenen Einnahmen, aber auch auf 15.000 bis 20.000 Menschen und ihre zukünftige Einstellung zum Naturschutz.
Möglicherweise erreicht die Untere Naturschutzbehörde durch ein Zugeständnis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als durch ein Beharren auf dem Verbot, nämlich eine Menge zufriedener Menschen, die 1 (EINEN!) Tag im Jahr ihre Lieblingsmusik in einer wunderschönen Umgebung und in einer super Atmosphäre hören können, und die sich mit Sicherheit größte Mühe geben werden, sich diese Möglichkeit durch keinerlei Fehlverhalten zu verscherzen.
Die Alternative ist eine Menge ob der Kompromissunfähigkeit der Naturschützer enttäuschter Leute, die mit Fehmarn und Naturschutz vielleicht in nächster Zeit nichts mehr am Hut haben wollen.
Essen und die umliegenden Städte des Ruhrgebietes waren 2010 Kulturhauptstadt. Da sind zweistellige Millionenbeträge für Kultur aufgewendet worden, allein schon von Stadt und Land.
Fehmarn und Ostholstein bekommen jedes Jahr ein Stück gewachsene, von ihren Bürgern „gemachte“ Kultur geschenkt. Ein ganz besonderes, an einen historischen Moment an einem heimischen Ort erinnerndes Projekt, das Interessenten fast jeder Altersgruppe von weit her anzieht.
Und das soll es jetzt nicht mehr geben?
Meine Güte, liebe Leute! Hier mein Appell: Rauft Euch zusammen! Springt über Eure Schatten! Legt vorhandene und sicherlich sinnvolle Bestimmungen so großzügig wie möglich aus! Es hat doch so viele Jahre funktioniert, ohne dass etwas zerstört wurde!
Es gibt über 5000 FFH–Gebiete in Deutschland, das ist großartig! Aber es gibt nur EIN Fehmarn Open Air! Und dieses Open Air ist ebenfalls großartig!
Und einzigartig! Und mit Liebe gemacht! Und dessen Spuren werden jedes Jahr sorgfältig von freiwilligen Helfern beseitigt, die es einfach verdient haben, nicht enttäuscht zu werden.
Lasst es nicht bereits zu spät sein! Rudert ein Stückchen zurück und aufeinander zu. Lasst es nicht zu sinnloser Kraft- und Geldverschwendung vor Gericht kommen! Es gibt doch bessere Möglichkeiten.
Stefan Höhnerbach, Naturfreund UND Festivalfan.
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