Halligalli-Musik sagte vor ca. 35 Jahren mein Opa, wenn im Radio Musik von Elvis Presley, Chuck Berry oder von den Beatles gespielt wurde.
Ob er wußte, dass dies eigentlich ein positiver Ausdruck ist? Laut 'Duden' bedeutet Halligalli nämlich "fröhliches, lärmendes Treiben, ausgelassene Stimmung".
Was soll das Gelaber über Halligalli-Musik, werden jetzt Einige sagen; nun, genau dieses Wort soll in einer Frankenthaler Stadtratssitzung im Zusammenhang mit dem 'Krone Music Club' gefallen sein. Wir bezweifeln, dass dies in Kentniss der Duden-Interpretation geschah.
'Clubsterben', dieses Wort verfolgt uns schon so lange, wie wir eigentlich zurück denken können - wie ein Gespenst.
Die Gründe dafür sind vielfältig, meistens aber sind es fehlende Besucher und damit verbunden, natürlich keine Einnahmen sowie hohe Nebenkosten, die zum finanziellen Ruin führen.
Aktuell schließt am 21.01.der Krone Music Club in Frankenthal, natürlich ebenfalls aus den o.g. Gründen und dies nahmen wir zum Anlass, ein Gespräch mit dem Betreiber, Frank Schumann zu führen. Zumal die Krone zu einem unserer 'Haus- und Hof'-Clubs werden sollte, da immer hervorragende Acts im Angebot waren: gute Live-Musik auf höchstem Qualitätsstandard in gemütlichem Ambiente.
Nicht nur Coverbands oder sehr guten Newcomern wurde eine Chance geboten, nein auch solche Größen wie Marla Glen, Glenn Hughes, Michael Schenker, Krokus, Ten Years After oder Bonfire (um nur einige zu nennen) gaben sich die Klinke in die Hand.
Frank hat(te) für jeden Geschmack etwas auf die Beine gestellt.
Aber lest selbst, was Frank uns zu erzählen hat:
Angefangen hat alles am 01.11.2003. Frank Schumann und Wolfgang Schall erfüllten sich einen Traum. Der Krone Music Club wurde entgegen jeglichen Trends in einem früheren Brauereigebäude eröffnet. Ziel war es, der musikalischen Szene der Region eine Art 'Heimat' zu bieten, mit dem Focus auf Rock und Pop. Zumal die Stadt mit ihren 50 000 Einwohnern gerade in diesem Bereich eigentlich großen Bedarf hatte.
Proberäume für regionale Bands fehlen oder sind hoffnungslos überfüllt und die von der Stadt geförderte 'Zuckerfabrik' ist zu klein.
Um bekannte Acts sehen zu können sind die Frankenthaler gezwungen, in die umliegenden, größeren Städte wie Mannheim, Ludwigshafen, Alzey, Heidelberg, Kaiserslautern oder Frankfurt zu fahren.
Was lag da näher, als ihnen endlich einen Club bieten zu können, der all das miteinander verbindet: tolle Live-Konzerte endlich in der eigenen Stadt sehen zu können, sowie Förderung junger Bands, die heiß darauf sind, endlich vor einem dankbaren Publikum spielen zu dürfen.
Und es warten 17 Proberäume auf spielhungrige Bands.
Im Mai 2004 trennte sich Frank von Wolfgang Schall. Grund waren unterschiedliche wirtschaftliche Auffassungen. Der Club stand kurz vor dem finanziellen Ruin und Frank nahm das Zepter selbst in die Hand und trat als Geschäftsführer der GmbH auf.
Mit viel Engagement, Eigeninitiative und Liebe zur Kultur und natürlich zur Stadt Frankenthal (auch wenn er Wormser ist) ging er zu Werke.
Finanzielle Gewinne sollten lediglich als Rücklagen dienen, um konzertschwache Tage auszugleichen und den persönlichen Lebensunterhalt zu sichern.
Frank bot ein breites Angebot kombiniert mit hohem Qualitätsstandard.
Leider blieben die Zuschauerzahlen unter den Erwartungen - es fehlte die Basis. Gut 96 % aller Konzertbesucher kamen aus dem weiter gelegenen Umland, sowie aus ganz Deutschland, oder auch dem benachbarten Ausland. Aber die Frankenthaler selbst nahmen den Club einfach nicht an, und auf die Frage 'warum' hat Frank bis heute keine plausible Antwort erhalten und macht sich darüber natürlich seine eigenen Gedanken.
Ein weiteres Phänomen, dass nicht nur dem Krone-Chef auffällt, sondern sich wie ein roter Faden durch alle Clubs zieht, ist folgendes: Coverbands ziehen die meisten Besucher, egal ob es die 15. AC/DC-Coverband ist, der x-te Stones-, Queen-, oder Deep Purple-Klone.
Wir konnten uns sogar mit eigenen Augen überzeugen: an dem Abend, als wir das Gespräch mit Schumann führen, traten Child In Time auf - eine Deep Purple-Coverband, und der Laden brummte. Vom Kleinkind bis zum Opa war alles vertreten und das ist jetzt wirklich kein Witz!
Sobald aber eine unbekannte Band spielt, die qualitätsmäßig garantiert auf höchsten Niveau agiert, oder gar internationale Top-Acts - verirrt sich kaum ein Fankenthaler in den Club, obwohl sie da die Gelegenheit hätten den 'Stars' mal die Hand zu schütteln, oder ein paar Worte zu wechseln, sich Autogramme zu holen, eben ganz nah dabei zu sein.
Oft genug gab es After-Show-Partys, die Musiker feierten mit den Fans bis in die frühen Morgenstunden. All das haben sich die Daheimgebliebenen entgehen lassen.
Aber warum? Lag es an den - unserer Meinung nach sehr moderaten - Eintritts- bzw. Getränkepreisen? Oder eher an der Faulheit? Sind die Leute einfach zu bequem, ihren Hintern aus dem abendlichen Fernsehsessel zu erheben, um sich einen tollen Gig anzuschauen?
Das müsste dann aber auch auf die Gäste von außerhalb zutreffen, denn die kamen regelmäßig - ein Frankenthaler Phänomen also?
Frank erzählte uns, dass eine Band aus Mannheim, deren Sänger sogar Beauftragter für Rock und Pop der Stadt Mannheim ist, nach dem Soundcheck wieder nach Hause gefahren ist, da sich nicht ein einziger Gast in die Krone verirrte.
Auf unsere Frage, ob es evtl. zu wenig Werbung gab, verneinte er und zählte auf, dass er sehr stark plakatiert hatte. Daneben gab es Werbung sowohl in der Regional-'Bild'-Zeitung Rhein Neckar, im 'Leo', der 'Rheinpfalz', im 'SWR 1' und '3' usw.
Aber - "entweder lesen die Leute weder Zeitung noch Programmhefe, hören kein Radio mehr... - keine Ahnung, was die Ursache ist, denn trotz aller Werbung blieben die Frankenthaler Gäste aus".
Oft genug dachte er darüber nach sich zu spezialisieren, also nur Rock oder Blues anzubieten, aber ob das nun zum Non-Plus-Ultra geführt hätte, liegt auch in den Sternen. Seine Idee war, allen Geschmäckern ein Podium zu bieten. Von Pop bis Blackmetal reichte die Bandbreite.
Mehr und mehr wurde das Ganze also zu einem finanziellen Desaster, zumal 'GEMA' und Energiekosten (die beiden letzteren machten den größten Brocken der Nebenkosten aus und bewegten sich jeweils im vierstelligen Bereich), Pächter usw. natürlich die Hand aufhalten und nach ihren Geldern fragten.
So sah Frank sich gezwungen, seinen einzigen Angestellten am 30.09.05 zu entlassen und auf freiwillige Helfer zu bauen, die ihm wenigstens beim Ausschank unterstützen und ansonsten alles andere selbst in die Hand zu nehmen. Angefangen vom Einkauf, Bankgeschäften, Putzen, Kochen, Toiletten reinigen, für Werbung sorgen, Bandbetreuung - er hatte sozusagen einen Rund-um-die-Uhr-Job, das kann man allein nicht mehr schaffen. Irgendwann ist der Akku leer.
Frank brauchte dringend Hilfe, sowohl personelle als auch finanzielle - und wandte sich damit an die Stadt, zumal er davon ausging, dort mit seinem Club offene Türen einzurennen. Er beantragte Soforthilfe, um die Kosten zu decken sowie 35.000 Euro, um sich eine eigene Soundanlage anschaffen zu können, da er diese für jedes Konzert anmieten musste. Gerade die Kosten für die Anlage könnte er sich sparen und hätte damit Gelder frei, die er dringend für die Bezahlung von Fach-Personal benötigte.
Schumann hatte sogar angeboten, dass die Stadt, anstatt die Summe auszuzahlen, die Anlage auch erwerben und dem Krone Music Club als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen könne.
Aber sein Hilferuf blieb ungehört. Gesprächstermine wurden verschoben, Gelder fließen in andere - der Stadt wichtigere Projekte. Es folgten lediglich Hinweise auf Gründung eines unabhängigen gemeinnützigen Vereines der freiwilligen Helfer. Als diese dann den Antrag stellen, so erklärte einer der Helfer, wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt.
Begründung des Oberbürgermeisters: zum einen ein fehlendes Wirtschaftsgutachten, andererseits fehlende Akzeptanz der Frankenthaler. Letzteres ist natürlich eine nicht zu wiederlegende Tatsache.
Dem gegenüber stehen aber zwei Autoladungen voller Demo-CDs, unzählige E-Mails von Bands, die ganz heiß darauf sind, im Krone Music-Club spielen zu dürfen und auch überregionale sowie internationale Besucher, die es sich nicht nehmen lassen, kilometerweit zu fahren, um gute Live-Musik zu erleben.
Ich zitiere den irischen Celtic Rocker, der dem Publikum seines Konzertes in der Krone folgendes sagte: Barry McCabe: "Die Krone ist ein toller Club. Seid froh darüber - nicht jede Stadt hat einen Club wie diesen".
Dass ein Wirtschaftsgutachten fehlt, dementiert der Krone-Chef nachdrücklich: "Falsch sei es auch, dass er keine konkreten konzeptionellen und budgetären Angaben gemacht habe... Dem OB habe sowohl ein Wirtschaftlichkeitsgutachten vom Herbst letzten Jahres als auch ein aktuelles, ausführliches, zukunftsorientiertes Konzept vorgelegen. Ferner lagen dem Herrn OB eine ausführliche Auflistung aller offen stehenden Posten bis Ende 2005 vor. Damit begründete ich das Hilfeersuchen für die Soforthilfe von 25.000 Euro."
Nun, immerhin schaffte es Herr Oberbürgermeister Wieder, an einem Samstag den Club zu besuchen, aber wer nun denkt, er suchte das Gespräch mit dem Besitzer, oder brachte es wenigstens fertig, ihm per Handschlag 'guten Tag' zu sagen, sieht sich getäuscht.
Man könnte ganz ungeniert fast von Hinhaltetaktik und fehlendem Interesse seitens der Stadt Frankenthal sprechen. Jedenfalls steht es nun definitiv fest, dass am 21.01. im Krone-Club die Lichter ausgehen.
Frank merkte an, dass es in Rheinland-Pfalz ca. 10 Clubs (einschließlich der Krone) dieser Art gibt, wovon lediglich drei wirklich Unterstützung erfahren. Das sei die 'Kammgarn' in Kaiserslautern, das 'KUZ' in Mainz, sowie das 'Centralstation ' in Darmstadt. Alle übrigen kämpfen mehr oder weniger ums Überleben.
Einen Satz möchten wir noch erwähnen: Club-Mitbegründer Schall meinte Folgendes: "Gute Musik, in Zeiten von Big Brother und Bohlen, braucht solche Clubs, die fernab von Charts und Styles handgemachte Musik fördern".
Nun - sein Wort in Bürgermeisters und der Besucher (oder besser Nicht-Besucher) Ohr!!
RockTimes: Frank, wie geht es ab 22. Januar weiter? Was wirst du tun?
Frank: Ich ziehe in den HARTZ!
Mir fallen jetzt Worte ein wie Kultur, Kulturauftrag und Kulturausschuss. Mit der Kultur scheint das aber so eine Sache zu sein. Sicher ist zur Zeit das Geld mehr als knapp. Werfe doch aber jeder Leser bitte mal einen Blick in den Lokalteil seiner Tageszeitung. Es ist schon noch Geld da für Kulturelles. Viele öffentliche Gebäude und Plätze zieren 'Kunstwerke'. Oder besser Objekte, bei denen der Betrachter oftmals überlegen muss, was der Künstler eigentlich ausdrücken will, bzw. warum das so teuer ist und wieso die Kommune dafür Geld übrig hat. Sicher, bei den Einweihungen kann man lecker Schnittchen essen und Sekt trinken und man hat da ja was gebaut - für später. Aber braucht man so etwas in Zeiten knapper Kassen? Braucht man etwas, das oftmals so aussieht, dass einem Banausen, im Kontext dieses Beitrages, leicht ein 'Halligalli-Plastik' von den Lippen fleucht?.
Ja, auch das ist Kultur und wenn man Geld für Beton, Stahl, Holz und Glas ausgibt, dann hat man das Geld und braucht diese Objekte auch. Einrichtungen wie den Krone Music Club braucht man anscheinend nicht. Da betrifft die Kultur ja nur Menschen.
Und Halligalli-Musik.
Frank, wir wünschen Dir was und hoffen, Dich bald in irgendeiner Form wieder in Verbindung mit Musik zu sehen, denn das scheint Deine Berufung zu sein. Bleibt die Frage, was ist, wenn nun plötzlich einer Lust bekommt, in Frankenthal ein Konzert besuchen zu wollen....
Das letzte Konzert findet am 21. Januar statt. Interstellar Overdrive werden die Ära 'Krone Music Club' beenden und Frank verprach, dass da nochmal ordentlich der Bär steppen wird.
Ulli Heiser und Ilka Czernohorsky, 20.01.2006
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