Leider sind Musiker immer rarer gesät, die sich ihre Ehrlichkeit und
Bodenständigkeit über viele Jahre, sogar Jahrzehnte bewahrt haben, ohne ihre
eigene Identität zu verkaufen. Dass in der ehemaligen DDR und den heutigen Neuen Ländern genauso
gut, wenn nicht sogar intensiver gerockt, gebluest und gesoult wurde/wird, wissen
sicher einige Musikliebhaber im Westen - und im Osten sowieso.
Es gibt aber leider immer noch viele Ignoranten, die
dieses Kapitel deutschsprachigen Liedgutes verdrängen, bzw. für die der Krautrock oder die Neue Deutsche Welle das musikalische Nationaldenkmal schlichtweg darstellen.
Rockmusik im Osten war bis zur Wende immer strengen ideologogischen Dogmen
unterworfen und entwickelte daraus, im Gegensatz zum Westen, eine ihr ureigene
doppeldeutige, poetische Lyrik, die für die Hörer, das Volk, eindeutige Akzente setzte und
umso mehr ein Lebensgefühl widerspiegelte. Natürlich orientierten sich auch die
Bands im ehemaligen 'Arbeiter u.Bauern-Staat' anfangs noch an großen internationalen Vorbildern, entwickelten aber zunehmend eigene, innovative musikalische Ideen.(z.B. Electra-Combo, Joco Dev-Sextett, Lift).
Zu sehr engagierte bzw. politisch künstlerische Songs fielen im Nachhinein der Zensur zum Opfer. Mitte der 70er ging ein gewaltiger Ruck durch diese Szene, Nina Hagen verschwand in
den Westen, die Renft-Combo wurde 1975 radikal verboten, aus der Band Panta Rhei entstanden die noch heute aktiven Karat (die Band nennt sich jetzt K...!, wird aber im weiteren Text noch mit dem Originalnamen benannt) und viele neue Formationen unterschiedlichster Couleur, wie Stern-Combo-Meißen, Schubert Band, Bayon u.a. strebten nun nach vorne.
Die Puhdys und Karat veröffentlichten ihre ersten Langspielplatten auf dem damaligen, staatlichen 'Amiga' -Label und wurden die populärsten Gruppen in Ostdeutschland, aber auch im Westen. Ende der 70er öffnete sich diese Bewegung allmählich dem westlichen Ausland bzw. die Vielfalt an Musikstilen nahm sprunghaft zu. Die Bands mussten sich immer live und ohne doppelten Boden präsentieren, und waren bis dato auf Grund fehlender Instrumente und Technik zu Kompromissen gezwungen.
Die Ansprüche bzw. der Ideenreichtum vieler Musiker an sich selbst stiegen mit den Wünschen ihres Publikums.
Schon zu Beginn der 80er befindet sich die 'sozialistische Jugendtanzmusik' auf einem beachtlichen künstlerischen Niveau, mit ganz eigenständigen musikalischen und textlichen
Merkmalen. Der vom DDR-Regime kontrollierte Rundfunk und die Schallplattenindustrie
forcierten in einem ungewohnten Maße die Produktion und Veröffentlichungen (von 1980 bis 1983 ca. 500 neue Titel) bekannter und gestandener Künstler, sowie neuer aufstrebender Bands.
Wollte man den bekannten professionellen Gruppen die oft nicht minder qualitätsvollen Amateurformationen hinzufügen, so ergäben sich Zahlen, die niemand genau kennt, die aber Dimension erahnen lassen. Ab 1982 etablierten sich immer mehr neue bzw. andere, als die bisher gewohnten liedhaften Musikrichtungen. Geradlinige Rockmusik mit Straßensprache (Pankow, Silly, Keks) Hardrock, Heavymetal (Formel 1, Regenbogen) werden mit eingebracht. Es bleiben aber einige Bands ihrem ausgereiften Stil noch treu.
Mitte der Achtziger beginnen zunehmend namhafte Gruppen ihre musikalische Passion trendorientiert zu verändern. Es entstanden konzeptionelle Meilensteine, wie einige Silly- und City-Alben. Ob nun Rock oder Lied, in dieser Zeit wurden deren musikalische Ergebnisse innerhalb des eisernen Vorhangs auch im Ausland erfolgreich anerkannt. Eine schöne Tradition (die man heute eigentlich wieder aufgreifen könnte) war das einmal im Jahr stattfindende Musikhappening 'Rock für den Frieden' (1982-87) im Palast der Republik, bei dem eigentlich die Liebe zur Musik im Vordergrund stand. Als sich 1989 die politische Umkehr abzeichnete, verblasste für eine lange Zeit diese sehr urbane Szenerie, und es gingen viele dieser Musiker unbequeme Wege.
Nun heute, 15 Jahre nach der Wende hat man leider immer noch das Gefühl, dass man sich jenseits der neuen eingemeindeten Bundesländer schwer tut, Rock und Popmusik der ehemaligen DDR-Generation anzunehmen und zu entdecken. Die nachgewachsene Jugend versucht es dennoch, das schwere Erbe weiterzuführen, wie z.B. der Sohn des leider viel zu früh verstorbenen Karat-Sängers ,Herbert Dreilich, der sich in die ausgetretenen Fußstapfen seines Vaters begeben hat, sich aber nun zu aller Erschwernis mit Prozessen um die Bandnamensrechte herumärgern muss.
Andere hingegen begeben sich gleich in die Krallen der marktorientierten Industrie, um schnell ihren Hunger nach Reichtum und Ruhm zu stillen , um aber nach kürzester Zeit leergesaugt und vergessen, als seelenlose Musikzombies weiter zu existieren.
Es gibt jedoch gottlob immer noch Musiker, die über Jahrzehnte ihrer inneren Bestimmung, Töne für das musikliebende Volk mit unverrückbaren Stolz und Herz zu erzeugen, unbeirrt gefolgt sind. Der gebürtige Thüringer Volker Wicher, ist einer dieser 'Randfichten', der sich und seiner Berufung Gitarre zu spielen, um den Rock'n Roll ins Land und in Köpfe zu tragen, trotz Niederschlägen bzw. unter diktatorisch politischen Zwängen, immer ungebeugt bzw. treu geblieben ist.
Er hat mit Sicherheit einigen Rockbands in der ehemaligen DDR mit seinem hingebungsvollen, virtuosen Gitarrenspiel seinen expliziten Stempel verpasst und somit, wenn auch nicht im Vordergrund, Ostrockgeschichte mitgeschrieben.
Heute arbeitet der 55jährige Familienvater in Gera ,zusammen mit seinen beiden
musikalischen Mitstreitern, Sohn Alexander und Peter Bornschein, in einer privaten Musikschule ('New Music School') als Lehrer.
Im Jahr 1998 gründete er das Rock'n Roll Quartett The Wish, noch mit beiden Söhnen Marcel und Alexander, um als quasi Familienunternehmen, Blues'n Rock ausschließlich aus eigener Feder zu präsentieren. Mit ihrer emotionalen Mixtur aus Blues, Rock, Reggae und Swingrhythmen, haben sich die Protagonisten bis heute mit schweißtreibenden Liveauftritten und drei eigenproduzierten bzw. finanzierten Tonträgern einen festen Stand in der regionalen Rockszene erarbeitet.
Ich hatte nach einem gefeierten Konzertabend im Erfurter 'Museumskeller' die Gelegenheit, das mittlerweile als Trio agierende Musikergepann zu einem lockeren Gespräch zu bewegen.
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Ingolf Schmock, 06.02.2006
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