Alles True, oder was?
Zwischenruf True Metal - Wie viel Ehrlichkeit steckt in unserer Szene?



Zwischenruf vom 02.08.2011


Robin Geiß
True Metal wird er genannt. Der wahre Metal. Was ist denn eigentlich der wahre Metal? Eigentlich ist mir der Begriff erst seit Ende der Neunziger untergekommen, seit ich mit Wacken mein erstes Festival erlebte und Hammerfall ihr Debüt Album "Glory To The Brave" auf den Markt los ließen. Es gab dann auch gleich die True Metal-Stage auf dem Wacken Open Air. Also war der normale Metal auf einmal der True Metal. Und alles andere? False Metal? Also nichts was wir Metaller hören dürfen? Denn Manowar sagten uns ja schon unlängst 'Death To False Metal'.
Wie können wir denn genau einen Stil definieren? Wenn uns Lemmy von Motörhead immer wieder weismacht, seine Band spiele keinen Metal, sondern Rock'n'Roll, würden dem wohl viele Leute zustimmen, bestimmt aber nicht jene, die in den 50ern mit richtigem Rock'n'Roll aufgewachsen sind. Aber lassen wir dies mal außen vor. Ist denn Thrash Metal False Metal, weil es kein True Metal ist? Klaro, Wortspielereien. Aber wie sieht es denn nun wirklich aus mit der Wahrheit im Metal? Und wie sieht es aus mit der Wahrheit bei denen, die diese doch predigen?
Wie ehrlich sind denn die Kollegen von Manowar, die uns ein Festival für zehn Euro Eintritt bescheren, um verlorene Gunst wieder gut zu machen, das gleiche Festival im Jahr drauf wieder mit normalem Eintrittspreis durchziehen (wir lassen jetzt mal die ominösen kurzen Absagen zweier weitere Hauptacts wie z.B. Def Leppard außen vor). Danach sieht sich die Truppe in ihrem heiß geliebten Deutschland nach einem neuen Fleckchen Erde um. Gerüchte über ausbleibende Preise bei der Verlosung, ausbleibende Bezahlungen oder Schulden an Mitarbeiter oder an die Stadt machen die Runde. Lassen wir es mal als Gerücht stehen. Was aber nachweislich auf der eigenen Homepage nachzulesen war: »Die Loreley ist der perfekte Ort, um ein Festival zu veranstalten«. Nun, dies sah dann wohl innerhalb 365 Tagen wieder anders aus, denn Anwesende auf der wunderschönen Freilichtbühne berichteten davon, wie Joey in seiner unnachahmlichen Weise Gift und Galle spuckte und über das Areal herzog, es sei das größte Dreckloch in dem sie je gespielt haben.
Also Schwupps, ab ins Ausland fahren und sich mal kurz ans slowenische Metal Camp drangehängt. Das Metal Camp findet statt und im Anschluss eben das Magic Circle Festival. Klar, die Logistik steht ja schon soweit. Doch dann werden kleine Bands angeschrieben, sie können ihre Chance nutzen und vor Manowar spielen. Man müsse ja nur eine bestimmte Anzahl an Karten kaufen und diese eben an andere verkaufen und schon könne man zwanzig Minuten auf derselben Bühne spielen, wie die Verfechter des True Metals. Wie viele Besucher nun dort vor Ort waren entzieht sich meiner Kenntnis. Fest steht, in diesem Jahr hört und sieht man nichts mehr vom Magic Circle Festival. Das sind also die Verfechter des wahren Metal?
Aber lassen wir doch ab von Manowar, gehen wir hin zum false Metal, den einstigen Verfechtern des Thrash Metal: Metallica. Wer nicht beim unbenannten schwarzen Album Verrat schrie, der tat das aber spätestens bei den "Load"-Scheiben. Und wer auch diese Rock- und Country-Scheiben durchhielt, der schüttelte ungläubig bei der Hassbrachialwalze "St. Anger" den Kopf. Und dann kommt ein "Death Magnetic" hinterher und zeigt alte Metallica-Stärken in neuem Sound-Gewand. Etwas zu laut aufgedreht aber dennoch begeisternd für die meisten. Und waren Metallica jetzt ehrlich? Und wenn ja zu wem? Zu uns? Zum Metal? Oder zu sich selbst?
Wie sieht es mit einem anderen ehemaligen Sternchen aus, den einstigen brasilianischen Überfliegern Sepultura? "Schizophrenia" ließ erahnen, "Beneath The Remains " aufhorchen und "Arise" katapultierte die Band in die weltweite Szene als richtige Größe. "Chaos A.D." etwas experimenteller und mit "Roots" voll und ganz in der Weltmusik gelandet. Dann der Split. Dann Soulfly, die eben auf den "Roots" weiter wandelten, Sepultura die etwas orientierungslos versuchten sich selbst wieder zu finden und schließlich ein Cavalera Conspiracy, dass sich dann nicht mehr viel von den mehr zum Hau-Drauf-Metal zugewandten Soulfly unterschied. Also die eine Hälfte des Erfolgvierers bei der Ursprungsband, die andere unter ihrem Nachnamen vereint.
Die Cavaleras heimsten klar den größeren Applaus ein, die besseren Verkaufszahlen und die größere Aufmerksamkeit. Herr Kisser zieht eben sein Ding durch, ohne den Einfluss der Brüder. Und die beiden ziehen ihr Ding durch. Doch man hört auch, dass der Mann, der sich ein zweites 'g' in seinen Namen pflanzte, privat als Techno DJ unterwegs ist. Die Haare sind ab, die Kopfsocke auf und ab geht die House Party im Hause Cavalera. Wer macht jetzt nochmal den ehrlichen Metal? Die, die den Fans geben was sie wollen? Brachialer Thrash Metal, der voll auf die Rübe kloppt und begeistert? Oder die, die eben ihre Art von Musik präsentieren, wie sie sie am besten finden? Metal, der etwas aus der Reihe tanzt, Punk- und Hardcore-Einflüsse besitzt und auch vor einem Konzeptalbum mit durchgehender Story nicht Halt macht?
Sollen wir noch Rob Halford fragen, der den Metal tot sagte und ein Industrial angehauchtes Projekt startete und dann seine "Resurrection" startete? Wie sieht es mit Blackie Lawless aus, der unter eigentlichem Bandnamen ein Industrial angehauchtes Album raus haute? Jeff Waters ebenso. Oder fragen wir mal Mille, der ja auch öfter durch die Blume zugibt dass er zwar die Musik spielt, aber auf andere Sachen abfährt. Worauf die Fans von Kreator abfahren haben sie mit den Unkenrufen zu "Endorama" gezeigt.
Wer also spielt jetzt den wahren Metal? Wer ist ehrlich in dieser Szene? Ist es besser das zu spielen was wir hören wollen oder das zu spielen, wonach dem Musiker der Sinn steht? Ist der Musiker ein Mensch, der seinen Lebensunterhalt verdienen will und einfach seinem Job nachgeht oder hat er gefälligst nur dann auf der Bühne zu stehen, wenn er auch 100% zur Szene gehört, die Musik eben hört und diese auch spielt?
Ich kann und werde mich jetzt nicht hinstellen und diejenigen verurteilen, die ihre Band mögen auch wenn sie uns keinen 'True' Metal präsentiert. Ich habe keine Patentlösung oder verurteile diejenigen, die Geld verdienen wollen, mit dem was sie können (wer tut das eigentlich nicht auf die eine oder andere Weise, mal mehr, mal weniger erfolgreich?). Ich bin auch nicht so strikt und unterstütze jemanden, der es durch und durch ehrlich meint, dessen künstlerischer Ausdruck mir aber einfach nicht zusagt. Ich möchte lediglich einen Denkanstoß setzen, ob wir Metaller nicht manchmal zu sehr unsere Klappe aufreißen und die großgeschriebene Toleranz manchmal total vergessen, wenn es um etwas geht, das wir dann doch nicht mögen. Es gibt da noch so zahlreiche Themen, die daran anschließen, aber fürs erste möchte ich es damit belassen. Genießt euren Metal und seid zumindest ehrlich zu euch selber!