In der folgenden Rezension bezieht sich die Schreibweise des Bandnamens auf das im Original erschienenen Album "i". A.R. Kane konnte wohl 1989 noch nicht ahnen, welche Geschichte diese Platte machen würde, als sie sie damals auf den Markt brachte. Vorab aber etwas zur Geschichte der Combo.
A.R. Kane ist im wesentlich nur ein Duo, bestehend aus den beiden Künstlern Rudy Tambala sowie Alex Ayuli. Ende 1985 ging man gemeinsam an den Start und "69" aus dem Jahr 1988 war der Vorgänger vom nur ein Jahr später folgenden "i".
Die erste Single mit dem Titel "When You’re Sad" erschien auf dem Label One Little Indian. Mit dem roh und spartanisch klingenden Song hatte man Aufmerksamkeit geschürt. Man sortierte die Band beim Genre Noise Pop ab. 1987 unterschrieb A.R. Kane einen Vertrag bei der avantgardistisch-wegweisenden Plattenfirma 4AD und es folgte die EP "Lollita". Hier wurde die Mischung von Stilen weiter vorangetrieben und bis zu Würzungen aus dem Jazz geführt.
Dann sorgte eine Idee des Labelchefs Ivo Watts-Russell für Furore. In die Tat umgesetzt sollte das Duo mit den Leuten der Formation Colourbox, deren Album "Colourbox" für eine Klassiker-Rezension genauso hätte ausgewählt werden können und damals angesagten Szene-DJs eine Single aufnehmen. Unter dem Namen M|A|R|R|S entwickelte sich das Stück "Pump Up The Volume" dann zu einem Hit, der sozusagen um die Welt ging und unzählige Male als Remix auftauchte oder in welcher Klang-Bearbeitung auch immer in zahllosen Filmen beziehungsweise TV-Produktionen zu hören war und wohl auch in Zukunft auftauchen wird. Nach der Single kam nichts mehr von der Band. Es blieb bei diesem One-Hit-Wonder, allerdings irgendwie auch richtungsweisend.
So sind wir bei dem Stichwort, das auch auf "i" zutrifft. Die insgesamt sechsundzwanzig Songs wurden von dem Duo in vier Kategorien, die den Farben eines Kartenspiels entsprechen, eingeteilt. Folglich gibt es je eine Pik, Karo, Herz und Kreuz-Abteilung. Alle kurz gehaltenen Sound-Gimmicks wurden beim Joker zusammengefasst.
Das Stück "Hello" gehört zum Beispiel dazu. So richtig los geht das Album also mit "A Love From Outer Space", einem Track, in dem ziemlich harte Techno-Beats und eine treibende Basslinie die Stimmung regieren. Gekoppelt mit einer tollen Melodie ist schon hier das Tanzbein gefordert. Hier sollte vielleicht erwähnt werden, dass bei "i" eine ganz Reihe von Musikern bei den Aufnahmen aktiv waren. So ist "Crack Up" eine Nummer, die auch wegen der wunderschönen Pianoläufe sofort ins Ohr geht. Kontrastierend dazu kommen die Gitarren-Einschübe eher etwas schräg klingend daher. Trotzdem, oder gerade deswegen ist dieses Lied ein weiteres Highlight auf "i".
"What’s All This Then" ist ein ordentlich groovendes Stück, in dem Dub in ganz großen Lettern geschrieben werden muss. Künstlich erzeugte Bläser harmonieren mit einem herrlichen Frauenchor. Einige wunderschön eingebettete Klang-Facetten geben "Snow Joke" ein ungeschminktes Gesicht.
Grundsätzlich ist der Klang des Basses ähnlich dem eines Peter Hook von Joy Division und der Nachfolge-Band New Order.
"i" ist so etwas wie das Fundament für musikalische Dinge, die damals noch folgen sollten. "Conundrum" brilliert durch sägende Gitarren-Klänge und einem Piano, das tief im Jazz verankert ist. Eine Kollage, die man mit ihren fast schon hypnotischen Handtrommeln so schnell nicht aus den Ohren bekommt.
In vielen Belangen war "i" seiner Zeit voraus. "In A Circle" setzt voll auf Streicher-Sounds, die von den False Harmonics gespielt wurden. Diese Nummer ist orchestral-experimenteller Wahnsinn mit Gewöhnungseffekt. Die Dynamik ist beeindruckend. Noch weiter wird die Speerspitze des kontrollierten Lärms bei "Supervixens" ins Herz der Nervenstränge gejagt. Hier entfernt sich A.R. Kane deutlich von der Tanzfläche und mutiert zu einer Industrial-Band.
A.R. Kanes "i" ist voll von Überraschungen, fast unkalkulierbar, wirkt eingängig wie auch sperrig, fordert den Hörer in einigen Phasen, macht aber klar, dass es Ende der Achtzigerjahre richtig gute Musik gab. Ein erstaunliches Album. A.R. Kane liebte es, Grenzen auszuloten und so darf man "i" als ein kosmopolitisches Statement der Extravaganz bezeichnen.
Line-up A.R. Kane:
Lorna (vocals)
Girl (vocals)
Maggie (vocals)
Ray Shulman (bass)
Colin Cairns (bass)
Benny DiMassa (drums)
Bonjo I. (percussion)
The False Harmonics:
Chris Tomblin (violin)
Gina Ball (violin)
Sally Herbert (violin)
Jeremy Metcalfe (violin)
Sue Dench (viola)
Joss Pook (viola)
Audrey Riley (cello)
Martin McCarrick (cello)
A.R. Kane (all other instruments, vocals)
Tracklist "i":
- Hello
- A Love From Outer Space
- Crack Up
- Timewind
- What’s All This Then
- Snow Joke
- Off Into Space
- And I Say
- Yeti
- Conundrum
- Honeysuckleswallow
- Long Body
- In A Circle
- Fast Ka
- Miles Apart
- Pop
- Mars
- Spook
- Sugarwings
- Back Home
- Down
- Supervixens
- Insect Love
- Sorry
- Catch My Drift
- Challenge
Gesamtspielzeit: 67:49, Erscheinungsjahr: 1989
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