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Ahkmed / The Inland Sea – CD-Review

Ahkmed / The Inland Sea

Schön, wenn man Platten zur Besprechung auf dem Schreibtisch findet, die man schon auf die Einkaufliste gesetzt hatte. Im Fall von Akhmeds "The Inland Sea" trifft das ausdrücklich zu. Die Band aus Melbourne um Sänger und Schlagzeuger John-Paul Caligiuri, Gitarrist Carlo Iacovino und dem neuen Bassmann Finn Rockwell war mir schon mit ihrem damaligen Album Distance positiv in Erinnerung geblieben. Beide Scheiben liegen übrigens im Hafen von Stefan Kogleks Label Elektrohasch.

Ein fuzziger, krachend kratzender Gitarren-Refrain setzt den ersten Tempo geladenen Akzent, sogleich einkreisend in eine Endlos-Schleife mit hypnotischer Sogwirkung. Und dann ein Break, eine Tauchfahrt psychedelisch getragener Saitenklänge durch ein Prisma dezenter Farbtöne, meditativ und zirkulierend in einem sich ständig steigernden Strudel eines immer weiter expandierenden Fuzz. "Kaleidoscope" , der erste von fünf episch ausufernden Werken zwischen Postrock der Marke Mogwai, ein wenig Stoner-Grollen und ganz viel Psychedelic. Zurückgezogen auf die klassische Gitarre-Bass-Schlagzeug-Besetzung kreieren die drei Herren vom Fünften Kontinent eine eigene und eigenartige Atmosphäre zwischen Meditation und Wellen artiger Intensitätssteigerung.

Im zweiten Song "The Inland Sea" finden wir genetisch stilistische Verwandtschaft mit den großartigen Nordbayern von My Sleeping Karma. Diese scheinbar endlosen Reflektionen eines Themas; das Einlullen, Hinweggleiten und den Geist an die Leine legen – und dann mitten drin gibt es plötzlich auf die Mütze. MSK machen das auch so. Aber Ahkmeds Titelsong verlässt diesen Pfad nach einer Weile und findet sich schnell in einem spacigen Drift wieder, in dem die Protagonisten genüsslich ihren unwiderstehlichen Psyche-Rock ausleben. Die ausufernden Exzesse eines Dave Schmidt kommen mir vergleichsweise in den Sinn. Besonders schön skizziert das Cover die Stimmung der Songs, dem jeweils ein prägnantes Foto gewidmet ist. Das Bild zu "The Inland Sea" zeigt eine Aufnahme, auf der die abgelichteten Elemente aus Meer, Ufer und Horizont in einem fast unwirklichen Licht ineinander verschmelzen, eine wunderschöne Metapher auf die Musik.

Und dann ein völlig überraschender Moment, wenn "The Hour Of Light" in mir eine ganz alte, fast vergessene Perle ganz besonderer Musik wachruft. Waren die Achtziger für mich grundsätzlich eher kein Quell musikalischer Inspiration, eine Zeit, die Sigmund Freud vermutlich die Latenzphase der Rockmusik genannt hätte, so gab es doch damals eine kleine, weitgehend unbekannt gebliebene Indie-Band namens Felt, die ich unbedingt mal in den Status der Zeitreise-Artikel führen sollte. Ob die Jungs von Ahkmed wohl Felt kennen? Hypnotische, leicht melancholische Gitarrenthemen, auch damals repetitiv bis zum Exzess ausgelebt, ein leicht schräg, distanzierter Gesang irgendwo im Hintergrund des Klangspektrums. So klang das damals auch in den Achtzigern. Aber wo Felt aufhörten, da setzt Ahkmed erst an. Irgendwann wird der Turbo gezündet, beginnen die Bässe zu grollen und es wird die Intensität der Gitarre auf Vollgas geregelt. Vier- und Sechs-Saiter, deren Töne sich auf einem Teppich wiederholender Riffs in einem einzigen Crescendo auflösen und die Dich wie ein Tsunami überrollen. Lass Dich ein auf diese Flut und Du wirst hinweg gespült in einem wogenden Kosmos aus befreiender Energie und Kraft. »Lord, here comes the flood« – hat Peter Gabriel damals gesungen, aber gänzlich anders gemeint. Hier ist es positiv, erleuchtend und irgendwie fast spirituell.

Und schon geht es wieder ab in die Tiefe, da forscht eine psychedelische Gitarre gemächlich in den endlosen Weiten zwischen Zeit und Raum. "UFO 2" und dieser unvergessene Spacerock haben es einst angerissen, Ahkmed bringen es zur Vollendung.
Einziges Problem bei der Sache: Du musst schon eine Menge Konzentration und Hingabe einbringen, um Dich über die ganze Distanz der CD auf diesen Trip einzulassen. Fünf mäandernde, hypnotisch dahin groovende Exkurse sollte man vielleicht auf zwei oder drei mentale Reisen aufteilen, das wird den einzelnen, in sich großartigen Kompositionen vielleicht besser gerecht? Man kann ja zwischendurch mal Bier holen gehen. Am Ende aber ist es wie bei der uralten Diskussion um Kubricks "2001". Stoische Handlungsstränge, archaisch eintönige Kameraeinstellungen, voller Inspiration und überwältigender Bildsprache – ist das bei "2001" am Ende zutiefst fesselnd oder doch langatmig?

Fans haben darauf eine eindeutige Antwort. Die von Ahkmed sicher auch. Wer auf hypnotische Rockmusik und psychedelische Weit-Wanderungen steht, wird bei "The Inland Sea" bestens bedient.


Line-up Ahkmed:

John-Paul Caligiuri (drums, vocals)
Carlo Iacovino (guitar)
Finn Rockwell (bass)

Tracklist "The Inland Sea":

  1. Kaleidoscope
  2. The Inland Sea
  3. Last Hour Of Light
  4. Pattern Of Atolls
  5. The Empty Quarter

Gesamtspielzeit: 71:09, Jahr: 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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