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Alan Simon / Excalibur IV: The Dark Age Of The Dragon – CD-Review

Der vierte Teil einer Trilogie? Das klingt erstmal überflüssig. Weiß da jemand nicht, wann man aufhören sollte? Das musikalische Ergebnis klingt dann aber alles andere als überflüssig, sondern richtig stark. Und der Mann, der für "Excalibur IV – The Dark Age Of The Dragon" genauso verantwortlich zeichnet wie auch schon die drei Teile zuvor, für den kam Teil vier selbst überraschend. Den ursprünglichen Dreiteiler hatte der Franzose Alan Simon in den Jahren 1999, 2007 und 2012 auf CD veröffentlicht; dazu kamen mehrere Tourneen durch Europa und Live-Veröffentlichungen. Und obwohl Simon auch sonst alles andere als unterbeschäftigt war und ist (u. a. als Autor weiterer Rockopern wie "Anne de Bretagne" oder "Tristan & Yseult"), brauchte es nicht viel, um sich von einer Fortsetzung überzeugen zu lassen. Sein Manager brachte ihn mit Veranstalter und "Rock Meets Classic"-Erschaffer Manfred Hertlein zusammen, Simon ging wieder ans Schreiben, und am Ende stand eine Deutschland-Tour Ende 2016.

Diese CD-Ausgabe bietet die Studioversionen der neuen "Excalibur"-Stücke, die die Geschichte von König Artus weiterschreiben: Nach tausendjähriger Gefangenschaft entkommt Magier Merlin dem bösen Zauber und erfährt, dass die einst von den Rittern der Tafelrunde ehrenhaft verteidigten Tugenden der Welt doch arg im Verfall begriffen sind – ein guter Anlass, den mächtigen Drachen wieder zum Leben zu erwecken. Die 19 Tracks schildern weniger einen Fortgang von Ereignissen als vielmehr Gedanken und Gefühle. Und klanglich präsentiert Alan Simon ein ganz feines Händchen bei seinem Spezialgebiet: Kelten-Rock. Oder genauer gesagt: keltscher Rock-Oper. Und genauso schnell, wie da die Alarmglocken den Kitsch- und Klischee-Alarm einläuten, genauso eindrucksvoll beweist er von Track eins bis 19, wie unbegründet all diese Befürchtungen sind und mit welch hoher Qualität man unter dem Stempel 'Rock-Oper' abliefern kann.

Arg heavy ist "Excalibur" nie; aber es rockt eben doch. Die Gitarren liefern nämlich keine musicalmäßigen Pseudo-Elemente, sondern haben Ecken und Kanten und frickeln leidenschaftlich – da, wo es passt. Verantwortlich und lobenswert: Martin Barre von Jethro Tull. Er prägt beispielsweise das Fast-Instrumentalstück "Stonehenge" – und das gemeinsam mit dem Saxofon von Supertramp-Musiker John Helliwell. Während das 'Folkige' hier mit einigen keltischen Sprech-Parts zum Vorschein kommt, ist es bei (dem nun wirklich rein instrumentalen Stück) "The Fifth Season" die verspielt-tänzerische Melodie, zusätzlich unterstützt von Violine und Flöte. Und bei "Behind The Mist" wird man durch etwas mehr Komplexität und den jazzigen Touch sogar noch ein Stück weit proggiger und erinnert zeitweise an den Klang der Kansas-Ursuppe Proto-Kaw.

Besonders starken Eindruck dürften aber die prominenten Gastsänger hinterlassen, denen die ihre jeweiligen Stücke bemerkenswert gut auf die Stimme geschneidert wurden. Saga-Frontmann Michael Sadler hat mit "Alone" und "I Will Be Forever" zwei große Gefühlsnummern inklusive Gänsehaut erregender Steigerungen. Der kaum adäquat ins Deutsche zu übersetzende Begriff der ’soaring vocals' passt hier ganz wunderbar. Beeindruckend ist auch insbesondere, wie 'anders' als Saga das klingt und welche Stärken Sadlers hier zu Tage treten. Es handelt sich um Rock-Opern-Stücke im edelsten Sinne: große Gefühle und weit ausholende Melodien, aber kein Kitsch. "I Will Be Forever" ist eine packende Powerballade. Auffallend ist, wie der Dudelsack, genauer gesagt die 'Red Pipes', mit wehmütigen Spielereien für ganz große Atmosphären sorgen.

Ganz groß ist auch der Auftritt von Uriah Heep-Sänger Bernie Shaw beim von der Akustikgitarre dynamisch angetriebenen "Dreamers", das sich von einer festlichen Lagerfeuernummer zu einem spektakulären Stück Fantasy Rocks hochsteigert – wunderbar aufstrebende Melodien, großes Gefühl mit einem ekstatisch guten Bernie Shaw! Und dennoch übertrumpft ihn in Sachen energetischer Highlights der Italiener Roberto Tiranti (Labyrinth). Sein erstes Stück "Don’t Be Afraid" ist ein klassisch rockender Ohrwurm mit frenetischem Oh-ooh-Refrain – als Höhepunkt einer Rock Oper sagenhaft gut gemacht und der prädestinierte Zugaben-Jubler. Sein zweites Stück "The New Times" klingt mit seinem Percussion-Drive und der aufwühlenden orientalischen Spannung wie die perfekte Fortsetzung des Amaseffer-Albums "Slaves For Life".

Und auch die ruhigen Momente überzeugen. Jesse Siebenberg (Supertramp) zaubert bei "I’m Not The Only One" mit seinem auf defensive Weise brillant eindringlichen Gesang zu einen geschmeidig-sanften Groove à la David Gilmour, lässt einen mit "You Are The Sunshine" (auch toll: das markante Mandolinen-Thema) verträumt schwelgen und liefert mit "Forget Your Sorrow" eine einfach nur schöne Pop Rock-Ballade. Wieso klingt die Nummer nicht schmalzig? Die Nummer klingt jedenfalls nicht schmalzig – welch ein großes Fingerspitzengefühl für große Melodien, ohne dass sie zu einem großen See aus seelenlosem Trief zerschmelzen. Gleiches gilt für das akustische "The Passion" mit einer famos klingenden Sonja Kristina (Curved Air) und für  "Calling For You" und "Silver Moon" mit Clannad-Sängerin Moya Brennan, der 'First Lady of Celtic Music', übrigens Schwester von Enya. Die junge Australierin Siobhan Owen, mit der Alan Simon schon bei "Tristan & Yseult" zusammengearbeitet hat, sorgt für zwei rechte Ausreißer: Bei "The Last Lament Of A Fairy" und "There Is Someone" begleitet die Harfenistin ihren glockenklaren Gesang selbst mit ihrem Upright-Eierschneider. Und "Dun Aengus II" ist mit Elfenthal-Sängerin Maite Itoiz die einzige Nummer mit echtem 'Operngesang' – als Rausschmeißer passt das wirklich gut …

… als Rausschmeißer für ein Album, das ausgesprochen klug mit dem stets mitmischenden, aber niemals zu dick auftragenden Orchester umgeht. Ein Album, das mit seinen 'keltischen' Anteilen niemals nervt – oft tauchen traditionelle bzw. traditionell klingende Instrumente gar erst in der zweiten Songhälfte auf. Ein Album mit überragend gut komponierten Stücken, weil sie sich stets auf ein einziges Kernthema konzentrieren und alles drumherum diesem Thema äußerst gewinnbringend zuspielt – das gilt sogar schon für das edle, aber nie überspielt pompöse Intro-Stück "The Wings Of The Dragon" mit seinem Mix aus hälftig Sprecherei und hälftig Bombast innerhalb kluger Grenzen. Respekt, Alan Simon, für eine Rock-Oper, die aus den Rock-Opern auffällig positiv heraussticht. Für 73 Minuten (!) ohne eine Minute Leerlauf (!!).


Line-up Excalibur:

The Band:
Alan Simon (all music & lyrics, acoustic guitars, guimbarde & harmonica, backing vocals)
John Anthony Helliwell (saxophones)
Martin Barre (guitars, mandolin)
Paolo Ballardini (guitars,mandolin)
Jesse Siebenberg (guitars, drums, bass, backing vocals)
Basile Leroux (guitars)
Guido Carli (drums)
Claudio Fossati (drums)
Massimo Palermo (bass)
Marco Fadda (percussion)
Marco Canepa (keyboards & programming)
Konan Mevel (Merlin whistle & Red Pipe)
Louis Marie Seveno (violin, rebec)
Siobhan Owen (Celtic harp, backing vocals)
Alan Stivell (Celtic harp, backing vocals)
Daniela Piras (Classic flute)
Moya Brennan (backing vocals)
Roberto Tiranti (backing vocals)

Guest vocalists:
Michael Sadler (- #2,14)
Jesse Siebenberg (- #4,11,17)
Moya Brennan (- #5,7)
Roberto Tiranti (- #6,10)
Bernie Shaw (- #8)
Sonja Kristina (- #13)
Siobhan Owen (- #9,18)
Maite Itoiz (- #19)

The Symphonic Orchestra:
Bohemian Symphony Orchestra Prague (BSOP)
Conductor: Martin Šanda
Violino I: Večtomova Radana, Šimková Anna, Nečas David, Dudek Jan
Violino II: Lundaková Anna, Drančáková Šárka, Scháněl Josef, Hnyková Helena
Viola: Melkus Alan, Martincová Marina, Ostmeyerová Markéta, Rybková Dorota
Violoncello: Laniar Ivo, Ondráček Jaroslav, Hašplová Hana, Robová Zuzana
Kontrabas: Dudek Jan, Schejbal Filip
Flute: Schellingerová Sylva
Oboe: Morstyn Henri
Klarinet: Vaňková Simona
Fagot: Kameník Bedřich
Horny: Jirásek Pavel, Šenkeřik Šimon
Trubky: Matoušek Radek, Miščuk Dimitrij
Trombony: Gruber Petr Kašpařík

Tracklist "Excalibur IV: The Dark Age Of The Dragon":

  1. The Wings Of The Dragon (6:00)
  2. Alone (4:20)
  3. Stonehenge (3:35)
  4. I’m Not The Only One (4:14)
  5. Calling For You (4:18)
  6. Don’t Be Afraid (4:17)
  7. Silver Moon (3:23)
  8. Dreamers (3:24)
  9. The Last Lament Of A Fairy (2:47)
  10. The New Times (4:23)
  11. Forget Your Sorrow (3:53)
  12. The Fifth Season (2:58)
  13. The Passion (3:30)
  14. I Will Be Forever (4:13)
  15. Behind The Mist (3:52)
  16. You Don’t Know (4:55)
  17. You Are The Sunshine (3:21)
  18. There Is Someone (2:52)
  19. Dun Aengus II (2:52)

Gesamtspielzeit: 73:03, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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