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Alan Simon / Songwriter – CD-Review

CD-Cover Alain Simon: Songwriter

Mit 53 Jahren macht Alan Simon musikalischen Kassensturz. "Songwriter" ist ein Rückblick auf jahrzentelanges Schaffen, eine Zusammenstellung von Songs seiner Rockopern und Konzeptalben. Die bekannteste davon hat gerade erst mit The Dark Age Of The Dragon ihren vierten Teil erlebt, nämlich "Excalibur". Und diese musikalische Reihe steht am Ehesten dafür, was Alan Simon ist bzw. wie er als Künstler wahrgenommen wird: als Schöpfer keltisch-mythologischer Konzept-Musik für Musical- und Rockoper-Bühnen mit latentem Prog-Anstrich. Letzterer bürgt auch stets dafür, dass er nicht kitschig und nicht peinlich unterwegs ist, sondern Qualität komponiert, wenn er mit Stoffen wie "Anne de Bretagne" (2009) der Geschichte seiner bretonischen Heimat Tribut zollt, mit "Tristan et Yseult" (2014) auch aus dem Fundus des größeren Kanon der Weltliteratur schöpft oder wie bei besagtem "Excalibur" die Sage, Mythos und Historie um König Artus ins Zentrum rückt.

All diese Konzeptwerke sind auf der Kompilation vertreten – "Excalibur" dabei mit allen Teilen I bis IV, wobei letzter nur mit einem einzigen Stück vorkommt: perfekt für alle, die jenes aktelle Album ihr eigen nennen und gern Monsieur Simons Back-Katalog bereisen möchten. Auch das 2003-er Projektwerk "Gaia", bei dem es um den Erhalt von Natur & Schöpfung geht, wurde bedacht. Mit "Adela", einem sehnsuchtsvollen Song mit Akustikgitarre und Streichern und dem Gesang Jesse Siebenbergs (Supertramp) gibt es außerdem einen Bonus-Song, der bislang noch nicht veröffentlicht war. Mit am Wertvollsten dürfen speziell für außerfranzösische Fans aber die Nummern von "Cap’taine" Kid sein, einem 2015 über nicht allzu große Vertriebswege erschienenen Erzähl-Musical. Alain Simon hat es als Schirmherr der 'Association Killian' geschrieben und aufgenommen, um damit auf das Angelman-Syndrom aufmerksam zu machen und betroffene Kinder dieser seltenen genetischen Veränderung zu unterstützen. Drei Nummern von "Cap’taine Kid' sind am Start – und sie fügen sich bestens in die Werkschau ein, die Simon unterteilt hat in 'My world & symphonic side' und 'My British side'.

Grob gesagt beinhaltet CD 1 vornehmlich Instrumentales. Mit "Les cavaliers du vent" aus Simons Film "O Genghis" über Dschingis Khan ist hier auch Platz zum Reinhören in ein weiteres von Simons Betätigungsfeldern, nämlich Filmmusik. Die anderen Stücke stammen aus besagten Rockopern und sind – Respekt dafür! –  zu einem Großteil episch-atmosphärische Spannungsgaranten mit Soundtrack-Potenzial. "Les Cavaliers du Vent" würde zu einer Neuverfilmung von "Winnetou" passen, "World" hat was von "Conquest Of Paradisse" und "Dihun" von "Pirates Of The Caribbean" – nur jeweils besser, für sich stehend musikalisch gehaltvoller und aufregender. Dabei kommen hintergründig auch mal ein Chor (wie beim opulenten "Celtic Ring"), eine zart gehauchte Stimme (Harfenistin Moya Brennan bei "The Origins pt1" oder die nicht weniger elfengleich-träumerisch säuselnde Skilda bei "Skye"), eine wie aus sakralen Gemäuern hallender Gesang (Carlos Nunez bei "Ab Libitum" oder der wortlose Klagegesang der Serbin Brankica Vasic in "World" vor. Hier stehen aber – wenn überhaupt vorhanden – nie die Lyrics im Vordergrund, sondern die Stimme als eine Art Instrument.

Wieso dann ein ganz ’normaler' Song mit – eben – Gesang auf diese CD kommt, wie "The Vision" mit John Wetton, das bleibt einigermaßen schleierhaft. Das Stück selbst ist allerdings super – folkig-wehmütig … zum Träumen. Auch der exklusive Track der CD, "Adele" mit Jesse Siebenberg ist mit Gesang. Man muss offenbar nicht alles verstehen. Highlights in einer Sammlung fast ausnahmslos starker Stücke sind übrigens die Nummern mit Fairpoint Convention, "Beltaine" und "Castle Rock" – das begeistert im Übrigen sicherlich auch Kansas-Anhänger.

CD 2 hört auf den Namen "My British Side", bedeutet aber keinesfalls, dass es nicht auch hier mitunter keltisch geprägt zugeht. Mit dem "Gaia"-Stück "No Man’s Land", interpretiert von Midnight Oil, geht es auch gleich mit einer Nummer los, die rockt, die typisch Midnight Oil ihre Ecken und Kanten hat und typisch Alan Simon im Instrumentalen auch ihre folkigen Elemente – starke Nummer! Auch "Evil Day" mit Roberto Tiranti (Labyrinth) ist dank der Mischung aus heavy Gitarren, Solo-Saxofon und irischem Dudelsack ein 'Simon' par excellence.  Weitere auffällig starke Highlights sind das nahezu beschwörend wirkende "Circle Of Life" mit dem markanten Gesang Jon Andersons, die rhythm-and-bluesige Portion musikalischen Sonnenscheins namens "Where Is The Way" mit dem leider schon verstorbenen Billy Preston, das bemerkenswerte Gesangs-Duo aus Zucchero und der Indonesierin Anggun bei der wehmütigen Mid-Tempo-Nummer "World" und das tief soulig rockende "Peace On Earth" mit – Überraschung – Sängerin Heather Small, eigentlich bekannt von der House- und Pop-Formation M People – was für eine geniale Stimme, wenn man sie mal 'lässt'!

Eine besondere Stärke beweist Songschreiber Alan Simon aber auch immer wieder mit seinen introvertierten Nummern wie dem psychedelisch-abgehobenen "Come" mit Jesse Siebenberg, "The Elements" mit Roger Hodgson und Simons französischem Keltenmusikkollegen Dan Ar Braz, dem zauberhaften "Cap’taine Kid"-Stück "Angel’s Tears" mit der Stimme Jeremy Spencers (Fleetwood Mac). "On The Road" mit Justin Hayward (Moody Blues), "Secret Garden" mit der durch Mark und Bein gehenden Stimme Maddy Priors (Steeleye Span), "Lugh" mit John Wetton und Martin Barre, oder auch "Saman" mit Les Holroyd (Barclay James Harvest) und Mick Fleetwood ist durchaus flott, aber dennoch eher ’sanft' – die Liste erwähnenswerter Kompositionen ist lang …

… und wird mutmaßlich noch länger werden. Denn Alan Simon hat bereits eine zweite solche Zusammenstellung quer durch sein musikalisches Leben in Aussicht gestellt. Eigentlich unfassbar, dass da noch mehr derart Hochkarätiges auf Lager sein kann – "Songwriter" ist eine famose Werkschau eines sympathischen Riesentalents, das es in beeindruckender Manier schafft, namhafte Künstler nicht einfach ins Boot zu holen und 'mal machen' zu lassen, sondern ihre Stärken fabelhaft ins eigene Konzept einzubinden und dadurch Neues zu kreieren. Als Extra-Leckerbissen liegt dem Doppel-CD-Paket noch eine humorvolle Reise durch die Jahrzehnte des musikalischen Weltenbummlers Alan Simon bei, witzig als Comic inszeniert von Zeichner Jean-Marie Michaud.


Line-up Alan Simon:

Gerry Conway, Marco Fadda, Mick Fleetwood, Rob Hirst (drums)
Billy Preston (Hammond organ)
Steve Shean, Marco Fadda, Gerry Conway, Sylvain Fabre (percussion)
Dave Pegg, Massimo Palermo, Bones Hillman (bass)
Olivier Rousseau, Jean Musy (piano)
Basile Leroux, James Wood, Simon Nicol, Paolo Ballardini, Alan Simon, Claude Samard, Roger Hodgson (acoustic guitar)
Martin Barre, Jeremy Spencer, Pat O May, Dan Ar Braz, Jim Moginie, Jean Luc Chevalier (electric guitar)
Chris Leslie, Ric Sanders, Didier Lockwood, Christophe Peloil (violin)
John Anthony Helliwell (saxophone)
Chris Leslie (bouzouki)
Paolo Ballardini (mandoline)
Claude Samard (banjo)
Konan Mevel (Uillean pipes)
Alan Simon (harmonicas)
Konan Mevel, Alan Simon (Merlin whistle)
Marco Canepa, Jean Roussel (keyboards)
Paolo Fresu, Roberto Nappi Calcagno (trumpet)
Laurent Tixier (Hurdy gurdy & baroque whitsle)
Gian Maria Campi (accordéon)
Andréas Vollenweider (Harpe)
Chris Leslie, James Wood, Roberto Tiranti, Alan Simon, Angie Cazaux Berthias, Jean Marc Reyno, Mayana Rosier, Roger Hodgson, Jesse Siebenberg, Peter Garret, Bones Hillman, Jim Moginie, Jean Louis Jossic, Jean Paul Corbineau, Jean Chocun, Gérard Goron, Frédéric Bourgeois (backing vocals)

Tracklist "Songwriter":

 

CD 1 – My World & Symphonic Side

  1. Celtic Ring – feat. Alan Parsons (3:57)
  2. Les Cavaliers du Vent (4:07)
  3. World – feat. Brankica Vasic (3:14)
  4. Morholt – feat. The Excalibur Symphonic Orchestra (3:00)
  5. The Origins pt 1 – feat. Moya Brennan (3:34)
  6. The Kings – feat. The Excalibur Symphonyic Orchestra (2:34)
  7. Lettre à Yseult – feat. Christian Décamps (2:33)
  8. Dihun – feat. The Excalibur Symphonic Orchestra (1:29)
  9. War – feat. The Excalibur Symphonic Orchestra (4:00)
  10. Ad Libitum – feat. Carlos N?nez (2:50)
  11. Celtic Land – feat. The Excalibur Symphonic Orchestra (2:34)
  12. Beltaine – feat. Fairport Convention (2:46)
  13. Skye – feat. Skilda (3:12)
  14. Castle Rock – feat. Fairport Convention (2:51)
  15. Dun Aengus – feat. Martin Barre (3:25)
  16. The End – feat. The Excalibur Symphonic Orchetstra (4:51)
  17. In The Wind Of The Celtic Dream – feat. Konan Mevel (3:19)
  18. The Vision – feat. John Wetton (3:35)
  19. I’m Not The Only One – feat. Jesse Siebenberg and John Helliwell (4:14)
  20. Adela – feat. Jesse Siebenberg (3:59

CD 2 – My British Side

  1. No Man’s Land – feat. Midnight Oil (3:52)
  2. Come – feat. Jesse Siebenberg (3:51)
  3. The Elements – feat. Roger Hodgson & Dan Ar Braz (4:26)
  4. Dancing Heart – feat. Roberto Tiranti (3:28)
  5. Circle Of Life – feat. Jon Anderson (4:32)
  6. Fame And Glory – feat. Fairport Convention (3:22)
  7. Peace On Earth – feat. Heather Small & Billy Preston (5:00)
  8. Angel’s Tears – feat. Jeremy Spencer (3:23)
  9. Where Is The Way – feat. Billy Preston (3:22)
  10. On Te Road – feat. Justin Hayward (3:51)
  11. Jangadero – feat. Cesaria Evora (4:35)
  12. Evil Day – feat. Roberto Tiranti (3:18)
  13. Secret Garden – feat. Maddy Prior (3:18)
  14. World – feat. Zucchero & Anggun (5:14)
  15. Motherland – feat. Jimmy O Neill (3:38)
  16. Saman – feat. Les Holroyd & Mick Fleetwood (3:37)
  17. Marie la Cordelière – feat. James Wood & Fairport Convention (4:03)
  18. Lugh – feat. John Weeton & Martin Barre (4:29)
  19. Desire – feat. Les Holroyd (4:31)
  20. A Prayer For My Lover – feat. Siobhan Owen (2:40)

 

Gesamtspielzeit: 66:05 (CD 1), 78:47 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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