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Alastair Greene / Standing Out Loud – CD-Review (#2)

Alastair Greene / Standing Out Loud – CD-Review

Keksdosen, alte Helden, knappe Songs und viele Noten

Es ist noch nicht so lange her, da durfte der Rezensent Alastair Greene als Bestandteil des diesjährigen Blues Caravans auf dem musikalischsten Dachboden Deutschlands in Augen- und Ohrenschein nehmen. Die Besetzung der inzwischen seit 30 Jahren von Thomas Ruf initiierten Package-Tour ist in der Regel durch einen Newcomer-, einen Wiederholungstäter- und einen Routinierslot geprägt. In diesem Jahr hat Letzteren Alastair Greene eingenommen, obwohl er mit Standing Out Loud erst letzten Monat sein Ruf-Records Labeldebüt feierte.

Aber der Mann aus Santa Barbara, Kalifornien, der mittlerweile in Austin, Texas, lebt, kann bereits auf eine über 25jährige Karriere als Profimusiker zurückblicken und veröffentlichte 2001 sein Debütalbum "A Little Wiser". Darüber hinaus kann er auf ein langjähriges Engagement beim Alan Parsons Live Project verweisen, zusätzlich auch auf Mitwirkungen bei Starship featuring Mickey Thomas und Sugaray Rayford.
"Standing Out Loud" ist tatsächlich bereits sein elftes Album, wobei allerdings vier Live-Scheiben inkludiert sind und die Zusammenarbeit mit Thomas Ruf kam vor zwei Jahren als Support für Walter Trout zustande.

In Joldelund konnte Alastair Greene den Rezensenten nicht in dem Umfang überzeugen, dass selbiger beim bereits im Angebot befindlichen Album zugegriffen hätte, aber wie durch ein Wunder flatterte dieses doch noch auf seinen nicht vorhandenen Schreibtisch und damit in die Lade des weiterhin vorhandenen anachronistischen CD-Players.

»Ich habe mich vor der Aufnahme intensiv mit der Musik der Rolling Stones und mit den frühen Tagen von ZZ Top beschäftigt« und »Ich wollte ein Album machen, das so klingt, als wäre es Anfang der 70er aufgenommen worden« lässt sich Alastair Greene in der Pressemitteilung zitieren, des Weiteren führt er aus, dass es sein Ziel gewesen sei, die Songs für sich selbst sprechen zu lassen, kurz und bündig und auf den Punkt. Ist ihm dieses Vorhaben gelungen?

Nun ja, teilweise.
Der Rezensent spielt seinem siebzehnjährigen Sprössling auf dem Balkon gleich mal die Eröffnungsnummer "You Can’t Fool Me" aus einer der heutzutage weitverbreiteten Akustikkeksdosen vor und lässt gleich danach ZZ Tops "Just Got Paid" vom 1972er "Rio Grande Mud"-Album folgen. Und was sagt Junior in seiner ihm eigenen Ausführlichkeit: »Erstaunlich«!
Dabei meint er tatsächlich zweierlei: Erstens den Umstand, dass der Sound beim Streaming aus der Keksdose nicht im Entferntesten erahnen lässt, dass zwischen beiden Aufnahmen geschlagene 52(!) Jahre liegen und zweitens die Wahrnehmung, dass es sich hier im Prinzip um ein und denselben Song handelt, nur mit einem anderen Text.

Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass von Keith Richards Trademark-Riffing weit und breit nichts zu hören ist, sehr wohl aber weitere Anleihen von der 'little ol band from texas', irritierenderweise eher bei den acht Tracks aus dem Studio von Co-Produzent und Toningenieur JD Simo in Nashville, Tennessee – der auch sein derzeitiges Rhythmusduo Todd Bolden am Tieftöner und Adam Abrashoff am Schlagwerk mit einbrachte – , als bei den drei abschließenden Tracks aus Austin, Texas, die von Hunter St. Marie (South Austin Moonlighters) betreut wurden und bei denen Mark Epstein (Johnny Winter, Joe Bonamassa, Monte Montgomery) am Bass und Kevin Hall (Eric Johnson) am Schlagzeug agieren. "Temptation" lässt mit etwas Fantasie an "Crossroads" (Cream – "Wheels Of Fire", 1968) denken, "Rusty Dagger" ist als fein gespielter Slow-Blues eine willkommene Klangfarbenabwechslung und mit knapp sechs Minuten auch endlich mit Zwischentönen ausgestattet, während der "Bullfrog Blues" (Canned Heat, Rory Gallagher) als Rausschmeißer ein beeindruckendes Statement der Slide-Fähigkeiten Alastair Greens in die Gehörgänge meißelt.

Auch klanglich gibt es hier, außerhalb von Keksdosen auf Balkonen, signifikante Unterschiede – die Nashville-Aufnahmen unterliegen einer stark ausgeprägten Dynamikkompression und sind leicht verhangen, während die Texas-Aufnahmen sehr knackig und transparent etwas mehr Dynamik offerieren.
Neben dem häufiger eingesetzten Slide-Spiel gefällt dem Rezensenten eine eher unerwartet große (musikalische) Nähe zu den späten Savoy Brown, was auch an einer ähnlich gelagerten stimmlichen Tonalität zu Kim Simmonds liegt. Allerdings beweist Alastair Greene auch nachdrücklich, dass er nicht 'die gute alte britische Gitarristen-Schule' durchlaufen hat, da zu häufig zu viele Noten gespielt werden, obwohl mit zwei Ausnahmen tatsächlich kein Song länger als knappe vier Minuten ist.

Fazit:

• Frühe ZZ Top → Check!
• Kurze Songs → Check!
• Klang Anfang 70er → Balkon-Keksdose … Check!
• Klang Anfang 70er → Anachronistische Hifi-Anlage … zu starke Dynamikkompression (zu laut gemastert)!
• Rolling Stones → Haben wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen!


Line-up: Alastair Greene:

Alastair Greene (guitar & vocals)
Todd Bolden (bass – #1-8)
Adam Abrashoff (drums & percussion – #1-8)
Mark Epstein (bass – #9-11)
Kevin Hall (drums – #9-11)

Tracklist "Be Right Here":

  1. You Can’t Fool Me (2:31)
  2. Slow Burn (2:51)
  3. Only Do (3:02)
  4. In Trouble (3:01)
  5. The Last To Cry (3:41)
  6. Trouble Blues (2:56)
  7. Am I To Blame? (3:43)
  8. Standing Out Loud (3:58)
  9. Temptation (3:07)
  10. Rusty Dagger (5:56)
  11. Bullfrog Blues (4:09)

Gesamtspielzeit; 38:56, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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