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All Good Things / Machines (Deluxe Edition) – CD-Review

All Good Things / Machines

Kurz vor dem Weihnachtsfest ereilte mich eine neue Musik, quasi wie das Kind die Jungfrau – passt ja in die Zeit. Dabei landete das hier vorgestellte Album eigentlich nur aufgrund einer Namensverwechslung im Titel zu einer meiner liebsten Bands auf meinem Tisch: The Machine. Nein, "Machines" heißt hier das Album und wurde von All Good Things in den Staaten bereits vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Von der Band hatte ich noch nie gehört, also kurz Kontakt aufgenommen und schon wusste ich: Dieses Album werde ich gerne besprechen, auch wenn es ein Stück weit neben meinem gewöhnlichen Beuteschema liegt.

Machtvolle, kraftstrotzende Vibes marschieren durch eine mystisch mitreißende Welt; immer bereit, selbst anzufassen, Herr der Dinge zu sein. Ein musikalischer Ausdruck, der eine Vertonung der Motivationskünste eines Jürgen Klopp (Anmerkung der Redaktion: Trainer des FC Liverpool) darstellen könnte. Let’s go out and kicking ass! Die gewaltig vorwärts treibende Rhythmus-Fraktion, die sich aus den riffigen Entladungen zweier Gitarren zusätzlich befeuern lässt, wird immer wieder sehr geschickt und wirkungsvoll mit kurzen klassischen Applikationen oder Synthie-Einspielungen verstärkt. Dezent und immer nur als stilistisches Mittel, aber eben sehr fruchtbar für die sich kompakt auftürmenden Soundwände.

Schon im ersten Hördurchgang musste ich beim Titelsong unweigerlich an die Auftaktszene zu Arnolds erstem "Terminator" denken, wenn die unerbittlichen Maschinenwesen den verbliebenen Hominiden in der Zukunft das Hirn rausbeamen wollen.
Der Song steht in vielerlei Hinsicht sinnbildlich für die Eigenschaften von All Good Things.

Die Band vereint in ihrer gradlinig aufregenden Musik einige unbestreitbare Vorzüge. Hoch energetische, druckvoll harte Riffs, raffiniert aufregende Breaks und bei dieser Action geladenen Ausrichtung erstaunlich melodiöse Hooks mit einem hohen Wiedererkennungswert. Ganz besonders in "Never Die" zu erkennen, wo mich die Harmonien (wieder einmal) an das wirklich prägnante Kurzprojekt-Kino des Arena-Saitenmannes John Mitchell erinnern. Allerdings in einer Art 'Gib-Gas-Grete'-Version! Einpeitschende Texte voller suggestiver Kraft und Energie, wie aus der Ecke eines Boxrings, wenn der Kämpfer wankt.

Krachende Rockmusik, die den Weg in die Radios finden wird, da bin ich mir sehr sicher. "Born Ready" dürfte ein Favorit dafür sein. Und bei all dieser energetisch elektrischen Urgewalt bleibt doch die Stimme von Dan Murphy lässig und zu jeder Zeit der Steuermann und gibt den Kurs vor. Höchst abwechslungsreich im Übrigen, zwischen fast sanft anklingenden Reflektionen (zum Beispiel in "We Shall Overcome") bis hin zu Metal oder Punk zugewandten Ausbrüchen. Ehrlich, diese faszinierende Stimme hat es mir von Anfang an angetan. Einzig die vereinzelten Rap-Einlagen liegen jenseits meines Bewunderungsspektrums, die hätte ich persönlich nicht gebraucht. Aber hier muss man die Sozialisation der Band betrachten, die sich quasi aus dem Impuls junger und modern ausgerichteter Fans begründet. Viele davon tatsächlich aus dem Wrestling- oder sonstigem Sport bezogenen Umfeld. Kollege Markus hat ja in den News schon darüber berichtet, wie sich die Band dem Votum zahlloser Bewunderer einst ergab und etwas domestizierte, was bis dahin eigentlich nur ein Spaß war.

Ursprünglich hatte man sich nämlich darauf beschränkt, lässige Hintergrund-Musik für Computerspiele, Filmsequenzen und Fernseh-Shows einzuspielen oder aber mit anderen Musikern zu arbeiten, ausgesprochen angesagten Leuten noch dazu. Aber die Klick-Zahlen zu ihren Projekten waren gewaltig und der Wunsch der Fangemeinde, die Truppe endlich auch mal live und auf Platte zu erleben, wurde immer lauter. Steht alles in unserer besagten News.

So entschieden sich die Protagonisten, ihr Dasein künftig in der klassischen Form einer Band zu gestalten. Eine solche Entstehungsgeschichte habe ich vorher auch noch nie gehört.
So gesehen möchte ich auch keinen Anstoß daran nehmen, wenn man zeitgemäße Einflüsse integriert – wenn doch gerade diese zeitgenössischen Einflüsse das Projekt erst entstehen ließen. Das ist OK und darum kann ich auch damit leben, dass "For The Glory" ein wenig wie ein Auftragssong für die nächste Wrestling-Saison wirkt. Passen wird der dort und anscheinend ist es auch genau das, was ihre Fans erwarten.

Sie sagen von sich selbst, dass sie den Außenseiter feiern, die Schlacht zu schlagen, die eigentlich nicht zu gewinnen ist. Sie sind seine Stimme, seine Kraft. Und dann zelebrieren sie den Sieg. Kein Wunder, dass mit dieser Philosophie und der dazugehörigen Power der bombastischen Riffs und geilen Melodien so viele Sportfans auf die Band aufmerksam wurden.

Zuletzt "End Of The World". Wer den Titel wahrnimmt, mag erst einmal denken: Jetzt wird es düster. Pustekuchen. Das Ende der Welt wird hier keinesfalls beschworen, ganz im Gegenteil: »You are the past, we are the future, we have the chance to start the revolution.«
Man möge sich wünschen, dass die jungen Menschen weltweit mehr so denken würden. Alte Männer (und Frauen) haben schon viel zu viel Unheil über den Planeten gebracht, es braucht die Aufmüpfigen und Mutigen, die sich nicht länger vom Mainstream das Hirn verkleistern lassen, die entdecken, dass man sich wehren kann. Prima, dass ich hier am Ende fast so etwas wie eine sozialpolitische Allegorie finde, wo ich sie ganz sicher nicht erwartet hatte.

Alternative Rock, ein bisschen Nu Metal, aber eben auch diese gigantische Melodik, die einen wirklich auf den Trip schickt. Bei all den Schnipseln verrückter Zutaten und Richtungswechsel ist es wahrlich nicht so einfach, All Good Things in ein typisiertes Schema zu pressen. Gut so. Das alles lässt Bilder im Kopf entstehen, Bilder, die sich zu ganzen Filmsequenzen entwickeln. Nicht ganz überraschender Weise berichtet Liz (Bass) auf der Band-Website, dass die Songs genau so entstanden sind. Touch down, würde ich sagen.

"Machines" ist eine außergewöhnliche Platte. Sie verbindet knallharten Rock mit absolut coolen Melodien, reißt mit von der ersten Sekunde bis zur letzten. Vor Kraft und Zuversicht strotzende, kämpferische Texte ohne jeden Verdacht, faschistoid oder militaristisch gemeint zu sein, das haben die Jungs und das Mädel sehr geschickt und augenzwinkernd im Griff. Da werden selbst müde Krieger wieder munter. Also Jürgen, Platte kaufen und in Liverpool zu den Heimspielen auflegen. Ich bin sicher, dann wird es auch was mit ersten Meisterschaft unserer geliebten Reds seit nunmehr fast schon dreißig Jahren.

All Good Things geben uns mit "Machines" pures Adrenalin für die Ohren, ein Aufputschmittel direkt aus den Boxen Deines Vertrauens. Einsteigen und anschnallen, die nächste Runde geht vorwärts und ab in die Sterne.


Line-up All Good Things:

Dan Murphy (vocals)
Andrew Bojanic (guitar)
Miles Franco (guitar)
Liz Hooper (bass)
Randy Cooke (drums)

Tracklist "Machines":

  1. Machines
  2. For The Glory
  3. Break Through This Wall
  4. Beginning Of The End
  5. Burn It Up
  6. Relentless
  7. Born Ready
  8. What Have I Become
  9. Never Die
  10. Four Letter Words
  11. Decimator
  12. We Shall Overcome
  13. End Of The World

Gesamtspielzeit: 54:58, Erscheinungsjahr: 2019 (2017 in USA)

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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