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Alvin Lee / Keep On Rockin' – 2LP-Review

Alvin Lee - "Keep On Rockin'" - 2LP-Review

Wie mit so vielen der alten Helden, meinten es die achtziger Jahre auch mit dem ehemaligen Ten Years After-Gitarristen und -Sänger Alvin Lee nicht besonders gut. Nach "Free Fall" (1980) der Alvin Lee Band und dem Alleingang "Rx5" (1981) erschien in jenem Jahrzehnt lediglich noch das ziemlich durchwachsene Solo-Album Detroit Diesel. Zwar kamen Ten Years After Ende der Dekade noch einmal zusammen und veröffentlichten die Scheibe "About Time" (1989), aber dieses neue Kapitel der Original-Band war nach immer wieder aufflammenden internen Streitigkeiten ebenfalls sehr schnell wieder Geschichte. Nach dem bereits erwähnten "Detroit Diesel" legte Lee 1992 mit dem deutlich besseren, aber auch nicht gerade sensationellen Zoom nach. Und zu einem Zeitpunkt, als fast schon niemand mehr damit rechnete, erschien dann lediglich zwei Jahre später tatsächlich mal wieder eine Killer-Scheibe des Briten, die die letzten zehn Jahre seines Schaffens deutlich in den Schatten stellen sollte.

"Nineteen Ninety-Four" (in den USA zeitgleich unter dem Namen "I Hear You Rockin'" auf den Markt gebracht), das jetzt von Repertoire Records nochmal unter dem Namen "Keep On Rockin'" veröffentlicht wurde, zeigt den guten Alvin endlich wieder in Top-Form. Und noch wichtiger: der Funke springt bereits umgehend mit dem eröffnenden Titeltrack auf den Hörer über. "Ain’t Nobody’s Business" oder der lakonische Blueser "Long Legs" vermitteln darüber hinaus deutlich das Gefühl, dass der Brite selbst wieder jede Menge Spaß, Elan und Spielfreude gefunden hatte. Okay, den alten Gassenhauer "I Hear You Knockin'" hätte der Rezensent zwar nicht unbedingt gebraucht, aber der macht den Kohl nicht fett. Geradezu sensationell stark kommt dagegen "The Bluest Blues", das vor glanzvoller Gitarrenarbeit von Lee an der Lead-Gitarre sowie George Harrison an der Slide nur so strotzt. Bei dem flotten "Boogie All Day" ist der Name Programm und auch das die zweite Seite abschließende "My Baby Come Back To Me" geht als Gewinner durchs Ziel.

Die dritte Seite wird von dem stampfenden Rocker "Take It Easy" eröffnet, der zwar keine kompositorische Großtat ist, dafür mit seiner bestimmten und fordernden Aussage gefällt. Mit feinem Boogie Woogie-Piano geht es mit "Play It Like It Used To Be" und dem kleinen Seitenhieb »…Go tell Madonna, she don’t do nothing to me … I want that Rock’n’Roll music played like it used to be!« weiter. Auch eine fein kredenzte Rock’n’Roll-Dosis lässt diese Nummer nicht vermissen. Nach "Give Me Your Love" geht es dann mit Seite 4 und dem coolen Blues-Rocker "I Don’t Give A Damn" in die letzte Runde. Den krönenden Abschluss dieses Doppel-Albums stellt schließlich das Beatles-Cover "I Want You (She’s So Heavy)" mit zehnminütiger Spielzeit dar. Klar, dass darauf der Dauer-Gast George Harrison mit seiner Slide Guitar nicht fehlen durfte. Grundsätzlich hält sich die hier vertretene Version an das Original mit all seinen psychedelischen Nuancen, wurde jedoch ausgebaut und zu einer interessanten eigenen Lesung präpariert. Ein episches, würdiges und verdientes Finale eines sehr starken Albums!

Zum Abschluss dieser kleinen Reihe an wiederveröffentlichten Alvin Lee-Alben darf festgehalten werden, dass "Keep On Rockin'" nach dem schwächelnden "Detroit Diesel" und dem besseren "Zoom" das deutlich beste Album dieses Trios ist. Der Protagonist wirkt hier fast so, als wenn er wie Phönix aus der Asche aus einem mehr als zehn Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht wäre und zu neuem Elan, neuer Energie und neuer Lust an der Musik zurückgefunden hätte. "Keep On Rockin'" kommt deutlich frischer und aufgeräumter daher, als seine beiden Vorgänger und lässt das vor einigen Wochen wiederveröffentlichte 180g-schwere Doppel-Vinyl-Album mit wehenden Fahnen als Sieger durchs Ziel gehen. Dazu kommt der herrlich 'warme' bzw. erdige Sound des Vinyls, das übrigens auch in gepolsterten, sprich schonenden Innentaschen daher kommt. Fans dürfen sich eigentlich bedenkenlos alle drei (bzw. vier, um genau zu sein) schwarzen Scheiben zulegen, die übrigens zumindest teilweise zum ersten Mal auf Vinyl erschienen sind. Falls man nur eine davon möchte, dann geht mein Tipp ganz klar an die Adresse "Keep On Rockin'".


Line-up Alvin Lee:

Alvin Lee (guitars, vocals)
Steve Gould (bass)
Steve Grant (keyboards)
Alan Young (drums)

With:
George Harrison (slide guitar – Side 2 – #1, Side 4 – #2)
Tim Hinkley (piano – Side 3 – #2, Hammond organ – Side 2 #1, Side 4 – #1)
Joe Brown (background vocals – Side 1 – #3, Side 2 – #2)
Sam Brown (background vocals – Side 1 – #2, Side 3 – #3)
Deena Payne (background vocals – Side 1 – #2, Side 3 – #3)

Tracklist "Keep On Rockin'":

Side 1:

  1. Keep On Rockin'
  2. Long Legs
  3. I Hear You Knockin'
  4. Ain’t Nobody’s Business

Side 2:

  1. The Bluest Blues
  2. Boogie All Day
  3. My Baby’s Come Back To Me


Side 3:

  1. Take It Easy
  2. Play It Like It Used To Be
  3. Give Me Your Love

Side 4:

  1. I Don’t Give A Damn
  2. I Want You (She’s So Heavy)

Gesamtspielzeit: 19:29 (Side 1), 16:19 (Side 2), 16:27 (Side 3), 15:42 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2023 (1994)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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